1945 – vor 80 Jahren gingen nicht nur der Zweite Weltkrieg und die düstere Zeit des Nationalsozialismus zu Ende. Vor 80 Jahren erschien auch die erste Ausgabe des SÜDKURIER, zunächst ohne Bilder, auf einem Bogen des knappen Papiers und bei weitem nicht täglich. Zeitzeugen erinnern sich an die Anfangszeit mit der neuen Zeitung.
August Baeuerle: Neue Zeit und neue Zeitung
August Baeuerle lebt heute in Villingen, ist aber auf einem Bauernhof bei Furtwangen aufgewachsen. Bei Kriegsende 1945 war er erst zwei Jahre alt. Doch manches aus der damaligen Zeit ist hängen geblieben. Zum Beispiel, dass auf dem Hof vieles versteckt wurde, als die französischen Besatzer kamen. Dass sein ältester Bruder noch im Krieg war. Oder dass zunächst Lebensmittel mit Lebensmittelmarken rationiert wurden. Eine Tafel für den Schulanfang im Jahr 1949 sei nicht aufzutreiben gewesen, die Schüler hätten gleich mit Tinte geschrieben. Baeuerle: „Mehr Kleckse als Geschriebenes.“
In dieses Umfeld platzte eine neue Zeitung, der SÜDKURIER, gegründet in Konstanz von Johannes Weyl und seinen Mitstreitern. Diese neue Zeitung könne man auch als Zeichen einer neuen Zeit verstehen, dem stimmt August Baeuerle heute zu. Damals kam die Zeitung per Briefträger auf den Hof, anfangs noch lange nicht täglich, aber später immer öfter. Die Bewohner des einen Kilometer entfernten Nachbarhauses hätten ihre Zeitung bei ihnen abgeholt, erzählt der 82-Jährige.
Zum Gesamtbild gehört auch, dass die Menschen zum Ende der Nazi-Zeit kaum noch Vertrauen in Nachrichten gehabt hätten, erzählt Baeuerle. Das sei dann sehr rasch gewachsen. Und auch die Kinder der Familie hätten Zeitung lesen dürfen, erinnert er sich. Das sei damals nicht selbstverständlich gewesen. In anderen Familien habe es kein Interesse daran gegeben, dass sich die Kinder eine eigene Meinung bilden. Seit es den SÜDKURIER gibt, lese seine Familie die Zeitung – auch jetzt, 80 Jahre später. Baeuerle sagt: „Wir sind auch weiter zufrieden damit.“
Renate Kirschenbauer: Die Zeitung als Fenster in die Region
Renate Kirschenbauer aus Sankt Georgen war acht Jahre alt, als der Krieg endete. Und schon damals habe sie die Zeitung gelesen, erinnert sie sich heute. Im Haus habe es sonst keinen Lesestoff gegeben. „Ich konnte da nicht immer folgen, aber es war was zum Lesen“, sagt Kirschenbauer über ihre ersten Erfahrungen mit der neuen Zeitung.
Auch sie erinnert sich daran, dass der SÜDKURIER zunächst auf einem Bogen Papier zweimal in der Woche erschien: „Und heute hat die Zeitung jeden Tag mehr als 30 Seiten.“ Was in St. Georgen und dem Umland passiert, sei ihr heute das wichtigste beim Lesen, sagt Kirschenbauer.
Helga Doser: Ihre Mutter war erste Zustellerin in Kirchdorf
Helga Dosers Mutter Elise Sailer war die erste Zustellerin des neu erschienenen SÜDKURIER in Kirchdorf. Heute gehört der Ort zur Gemeinde Brigachtal. Doch damals mussten die Zusteller die Exemplare der Zeitung vom Bahnhof im Nachbarort Klengen holen. Etwa eine Viertelstunde Gehstrecke sei das gewesen, erinnert sich Helga Doser, Jahrgang 1942. Und diesen Weg habe man natürlich bei Wind und Wetter zurücklegen müssen. Im Alter von fünf bis sechs Jahren sei sie schon mit ihrer Mutter mitgegangen, um bei der Arbeit zu helfen und die Zeitungen aus dem Zug zu holen.
So früh wie heute sei die Zeitung damals allerdings nicht angekommen, die Exemplare seien mit dem ersten Zug aus Konstanz gekommen, so gegen 6.30 Uhr. Der sei immer brechend voll gewesen, ergänzt Helga Dosers Ehemann Willi. Viele Möglichkeiten, um in der Nachkriegszeit zur Arbeit zu kommen, gab es eben nicht. Und wenn die Zeitungen im ersten Zug nicht drin gewesen seien, habe man eben später wiederkommen müssen, erzählt Helga Doser.
Noch ein markanter Unterschied zum heutigen Zeitungsbetrieb: Damals haben die Zusteller auch das Zeitungsgeld eingesammelt. Ihre Mutter habe sie dafür in Häuser geschickt, bei denen klar war, dass es dort keine Probleme damit geben würde. Etwa drei Jahrzehnte habe ihre Mutter den SÜDKURIER zugestellt, erzählt Doser. Und für das Ehepaar gehört die Zeitung weiterhin zum Alltag.
Peter Bammert: Seine Mutter hat die Zeitung alleine in Vöhrenbach zugestellt
Peter Bammert gehört nicht zu den Lesern, die die allerersten Jahre des SÜDKURIER miterlebt haben – er ist erst 79 Jahre alt. Über 70 Jahre SÜDKURIER habe er aber den Überblick, erzählt er am Telefon. Und aus seiner Kindheit hat er eine sehr lebhafte Erinnerung an die erste Zeit der neuen Zeitung. Denn seine Mutter Maria Bammert habe die Exemplare in ganz Vöhrenbach zugestellt – und das natürlich zu Fuß. „In dieser bergigen Stadt ist das Schwerstarbeit, zumal für eine Frau“, sagt Bammert zurückblickend.
Er erinnere sich auch noch an die große Tasche mit dem breiten Band, die seine Mutter über der Schulter getragen habe. Erst später habe er mitbekommen, wie schwer die Zeitungstasche eigentlich war: „Wenn man die steilen Hänge in Vöhrenbach anschaut, sieht man, dass die Leistung meiner Mutter ziemlich ungewöhnlich war“, so Bammert heute.
Erika Obergfell: Ihr Vater war Schriftsetzer beim SÜDKURIER
Auch Erika Obergfell aus St. Georgen ist seit der Anfangszeit mit dem SÜDKURIER verbunden. Ihr Vater Wilhelm Haas sei in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg Schriftsetzer beim SÜDKURIER in Konstanz gewesen. Sein bisheriger Arbeitgeber in Villingen habe schließen müssen, erzählt Obergfell heute. Dann habe der Vater Arbeit bei der neuen Zeitung gefunden.
Dafür habe er ein Zimmer in Konstanz gemietet und etwa ein Jahr getrennt von der Familie gelebt. Dort habe ihre Mutter ihn dann auch mit den Kindern zusammen besucht. Später habe er dann wieder Arbeit in Villingen gefunden. Die Arbeit als Schriftsetzer sei ihm allerdings nicht gut bekommen. Da diese mit Blei gearbeitet hätten, sei ihr Vater auch früh gestorben, erzählt Obergfell.