„Ein großes, großes Danke.“ Ein sichtlich ergriffener Rik Sauser postet am Dienstag, 9. September, ein Video bei Instagram. Zusammen mit seinem Bruder Kai organisiert Sauser seit dem Jahr 2000 den Riderman.
Einen Vorfall wie am Sonntag, 7. September, hat es dabei in all den Jahren nicht gegeben. Bei einem Massensturz wurden rund 100 Sportler verletzt, fast 40 von ihnen schwer.
Die Freude am Radsport sei an diesem Tag abrupt in den Hintergrund getreten, sagt Sauser. „Man funktioniert und versucht, alles bestmöglich zu managen.“
Organisator dankt den vielen Helfern
Sauser dankt ausdrücklich allen Helfern von Polizei und Rettungsdiensten, die mit einem immensen Aufgebot vor Ort waren. Und: „Besonders hervorheben möchte ich zwei Teilnehmerinnen, Lisa und Larissa. Zwei junge Ärztinnen, die sofort ihr Rad zur Seite gestellt und bei der Erstversorgung geholfen haben.“
Von der Teilnehmerin zur Ersthelferin – so schnell kann es manchmal gehen. Helfen, wenn Menschen in Not sind: Für Larissa Christl, Fachärztin für Allgemeinmedizin, eine Selbstverständlichkeit. „Wenn ich Ärztin bin, muss ich natürlich bereit sein, zu helfen.“
Der Plan: ein sportliches Geschwisterwochenende
Eigentlich sollte es ein sportlich-entspanntes Geschwisterwochenende werden. Ein solches wollte die 33-jährige Triathlethin aus Neumarkt in der Oberpfalz mit ihrem Bruder Lewin Rexin verbringen. Ganz ohne große Ambitionen auf Platzierungen.

Der Riderman als Radrennen für Amateure erschien den beiden sehr einladend. Schon am Freitag und Samstag waren die Geschwister an den Start gegangen. Die dritte Etappe am Sonntag sollte den Schlusspunkt unter das sportliche Wochenende setzen.
Aufregung am Unfallort
Und dann, nach nur fünf Kilometern, plötzlich das: Winkende Menschen auf der Straße, Rettungswagen, aufgeregte Zuschauer. „Man hat gleich gesehen, dass es zu einem Sturzereignis gekommen war“, erinnert sie sich an den Sonntag
Stürze, das weiß Larissa Christl aus eigener langjähriger Triathlon-Erfahrung, gehören im Radsport dazu. Den Riderman-Veranstaltern könne man keinerlei Vorwürfe machen: „Das war ein super abgesperrtes Rennen mit wahnsinnig vielen Helfern und abgesperrten Verkehrsinseln.“
Doch ob Radsport, Klettern oder Bergsteigen: „Man muss sich bewusst sein, dass das Risikosportarten sind und als solche nicht nur gesundheitsfördernd.“ Das habe erst kürzlich der Tod von Laura Dahlmeier gezeigt: Die Biathletin war Ende Juli beim Klettern in Pakistan tödlich verunglückt.
Ein Risiko bleibt immer
Man könne fit, ausgeruht und mit geprüftem Material starten: Letztlich komme man mit Mitstreitern in Kontakt, deren Fähigkeiten man nicht einschätzen könne. „Das ist das Renngeschehen, dem setzt man sich aus und das ist jedem auch bewusst.“

Als Larissa Christl den Massenunfall bemerkte, wechselte sie vom Teilnehmer- in den Berufsmodus: Fahrrad abstellen, beim nächstbesten Rettungswagen fragen, ob eine Ärztin gebraucht werde – und loslegen. Notärzte waren zu diesem Zeitpunkt, wenige Minuten nach dem Sturz, noch nicht vor Ort.

„Man muss die Situation erst einmal kurz ausloten. Es kann auch sein, dass schon mehr Ressourcen da sind, als man sieht. Man will ja auch nichts durcheinander bringen, was ohne einen besser laufen würde.“
Angehende Chirurgin ist auch mit dabei
Mit Lisa Brislinger aus Frankfurt war eine weitere junge Ärztin als Teilnehmerin dabei, die spontan vom Rad stieg und ihre Hilfe anbot. Die beiden kannten sich vorher nicht. Larissa Christl weiß aber aus der kurzen Zusammenarbeit, dass ihre Kollegin gerade im dritten Jahr der Weiterbildung zur Chirurgin ist und viele Dienste in der Notaufnahme hat – ein glücklicher Zufall für die Verletzten.

Den Theorieteil ihrer Notarztprüfung hat Larissa Christl, die als angestellte Hausärztin in einem Ärztlichen Praxiszentrum des Klinikums Neumarkt arbeitet, schon abgelegt.
Zuletzt war sie ein halbes Jahr in der Notaufnahme tätig. Einen MANV, also einen Massenanfall an Verletzten, übe man regelmäßig. „Das war jetzt ein Live-Ereignis.“
Zuerst die Triage
Ein Live-Ereignis mit allem, was dazu gehört. Zuallererst die Triage – also die schnelle Einschätzung und Kategorisierung der Verletzungen – bis kurz darauf die Notärzte eintrafen. Ihnen konnten die beiden jungen Ärztinnen dann schon einen ersten Überblick geben.
Gebrochene Schlüsselbeine, ausgekugelte Schultern
Das Verletzungsspektrum sei groß gewesen: Von der im Radsport häufigen Schlüsselbeinfraktur über ausgekugelte Schultern bis zur Fleischwunde am Oberschenkel war alles dabei.
Als kritisch in Erinnerung geblieben ist Larissa Christl ein Sportler mit starken Schmerzen an den Rippenbögen. „Da kann auch die Lunge verletzt sein und schlimmstenfalls kollabieren.“
Ein schönes Gemeinschaftsgefühl
Als die Notärzte die schwer Verletzten übernommen hatten, halfen die beiden jungen Ärztinnen noch weiter mit. Versorgten Wunden, verabreichten Schmerzmittel. „Wir haben sogar Westen bekommen, die uns als Helferinnen deklariert haben. Das war ein schönes Gemeinschaftsgefühl“, sagt Larissa Christl.
Nach etwa eineinhalb Stunden konnten die beiden Spontan-Helferinnen ihren Einsatz beenden. „Wir hatten auch Adrenalin“, sagt Larissa Christl. Zusammen mit ihrem Bruder und Lisa Brislinger ist sie die halbe Strecke noch gefahren. Um Adrenalin wieder abzubauen, hilft schließlich vor allem eines: Bewegung.