Die Räumlichkeiten des MPS-Studios vermochten jene Delegation kaum zu fassen, die gemeinsam mit der Ministerin ein ganz besonderes Denkmal besichtigte. Die 30-köpfige Gruppe mit Vertretern des Landesdenkmalamtes und der Stadt sowie Landrat Sven Hinterseh und der Grünen-Landtagsabgeordneten Martina Braun zeigten sich begeistert von diesem Abstecher in diese heiligen Hallen des Jazz.

Interessierter Gast beim Rundgang durch die Studios: Landrat Sven Hinterseh mit der Ministerin.
Interessierter Gast beim Rundgang durch die Studios: Landrat Sven Hinterseh mit der Ministerin. | Bild: Markus Schmitz

Ein echtes Juwel

Für die Ministerin schien der Halt in Villingen durchaus mehr zu sein als ein Pflichttermin während ihrer viertägigen Reise zu den Denkmalen im Land. „Ein echtes Juwel“, sagte Nicole Razavi mit Blick auf das Studio sowie sein Ton- und Schriftenarchiv, die Bar, den gigantischen Bösendorfer-Flügel und die zahlreichen Bilder an den Wänden, die von Villingen-Besuchen der Heldinnen und Helden des Jazz künden.

Erinnerungen werden wach

„Das hat mich persönlich interessiert“, sagt die Ministerin mit Blick auf die Auswahl jener Station ihrer Reise zu den Denkmalen des Landes. Als Kind, so berichtet sie, sei sie schon bei Konzerten von Count Basie und Ella Fitzgerald gewesen.

Aktuell gibt ihr eine Tonbandsammlung des Vaters Rätsel auf: Wie sie berichtete, kann sie die Bänder nicht abspielen. „Entweder habe ich den falschen Rekorder oder es nichts mehr drauf“, rätselt Nicole Razavi. Joachim „Töni“ Schifer, Vorsitzender Vereins MPS Studio, versprach weiterzuhelfen: Bestimmt lasse sich in den Studios ein Abspielgerät finden, dass die alten Aufnahmen ihres Vaters wieder hörbar mache.

Am analogen Mischpult: Ministerin Nicole Razavi, die Grünen-Landtagsabgeordnete Martina Braun, Berthold Käfer, Eigentümer des Hauses, ...
Am analogen Mischpult: Ministerin Nicole Razavi, die Grünen-Landtagsabgeordnete Martina Braun, Berthold Käfer, Eigentümer des Hauses, Schatzmeisterin Viktoria Tiedke und Töni Schifer. | Bild: Markus Schmitz

Noch am Vormittag war die Ministerin beim Besuch des spätrömischen Kastells in Konstanz weit in den tiefen Brunnen der Vergangenheit eingetaucht, um nach ihrem Besuch im fürstlich fürstenbergischen Marstall in Donaueschingen wenige Kilometer weiter Eindrücke aus der jüngeren Geschichte zu erhalten.

Verein führt durch das Studio

Die beiden Vereinsvertreter – neben Schifer führte Schatzmeisterin Viktoria Tiedeke durch das Studio – hatten die nicht eben einfache Aufgabe übernommen, 20 Jahre Villinger Jazzgeschichte in 40 Minuten abzubilden. Das MPS-Studio, gegründet und aufgebaut von Hans-Georg Brunner-Schwer, erlangte auch abseits der Szene Bekanntheit. Oscar Peterson war dort, Duke Ellington und so ziemlich die ganze deutsche Jazzszene.

Die Ministerin vor Größen des Jazz, die in den 60er- und 70er-Jahren zu Gast im MPS-Studio waren.
Die Ministerin vor Größen des Jazz, die in den 60er- und 70er-Jahren zu Gast im MPS-Studio waren. | Bild: Markus Schmitz

Hartnäckiger Zigarrengeruch

Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Erbe der Musikproduktionen aus dem Schwarzwald zu erhalten. Das geschieht mit großer Sorgfalt und Wissen, wie mit diesem Nachlass in Sachen Jazz umzugehen ist. Schifer verwies auf die Einrichtung, die erhalten ist und behutsam in Abstimmung mit den Denkmalpflegern saniert werde.

„Ein Denkmal von besonderer Bedeutung“, sagte Michael Hascher, Referent für Industrie- und Technikdenkmalpflege beim Landesamt für Denkmalpflege. Auch er zeigte sich begeistert: „Man hat hier noch die Atmosphäre der 60er- und 70er-Jahre“, schwärmte der Wissenschaftler – samt des Zigarrengeruchs. Der sei einfach nicht aus dem roten Teppich im Studio herauszubekommen, sagt Schifer schmunzelnd.

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Analoge Technik ist rar geworden

Beim Blick auf das Mischpult mit seiner analogen Technik spricht Hascher davon, dass es nur noch ganz wenige dieser Exemplare gebe. Selbst beim Südwestrundfunk sei nicht mehr so viel erhalten, weil der Sender im Laufe der Jahrzehnte sein Equipment immer wieder modernisiert und ausgetauscht habe, ohne unbedingt immer die historische Substanz zu erhalten.

Im Textarchiv: Viktoria Tiedeke, Schatzmeisterin des Vereins MPS-Studio, mit Ministerin Nicole Razavi.
Im Textarchiv: Viktoria Tiedeke, Schatzmeisterin des Vereins MPS-Studio, mit Ministerin Nicole Razavi. | Bild: Markus Schmitz

Eigentümer zieht mit

Hascher würdige auch die Zusammenarbeit zwischen Hauseigentümer Berthold Käfer und dem Verein. Käfer ist froh, dass die Räumlichkeiten und deren Inventar so liebevoll gepflegt werden und gleichzeitig auch neues Leben ins Haus einkehrt.

Gegenüber der Ministerin machten Schifer und Tiedeke klar, dass man sich nicht nur als Hüter einer zu bewahrenden Sachgesamtheit sieht. Vielmehr wolle der etwa 170 Mitglieder zählende Zusammenschluss weiter an der Geschichte einer einzigartigen Einrichtung schreiben.

Schifer verwies in diesem Zusammenhang auf die regelmäßig stattfindenden Konzerte. Die locken das Publikum aus einem weiten Umkreis ins Haus auf dem ehemaligen Saba-Werksgelände.

Neue Akzente im alten Gemäuer

Auch trägt der Verein Sorge dafür, dass die analoge Technik weiter genutzt wird. Zahlreiche Aufnahmen fanden dort statt, und gerade jene Musiker, die auch heute auf den Sound der 60er- und 70er-Jahre setzen, wissen die Technik mit dem etwas wärmeren Klang zu schätzen.

Nach und nach ist der Verein dabei, die unterschiedlichen Mehrspurrekorder wieder zum Laufen zu bringen – kein billiges Unterfangen, wie Schifer erklärte. Für die Wiederbelebung der Technik und die Arbeit des Vereins macht auch die Stadt Villingen-Schwenningen Gelder locker: So fließen jährlich 10.000 Euro an den Verein MPS-Studio, wie SPD-Stadtrat Nikola Schurr erklärte.

Gruppenbild hinter dem Mischpult: die Grünen-Landtagsabgeordnete Martina Braun, der Präsident der Landesamtes für Denkmalpflege, Claus ...
Gruppenbild hinter dem Mischpult: die Grünen-Landtagsabgeordnete Martina Braun, der Präsident der Landesamtes für Denkmalpflege, Claus Wolf, Ministerin Nicole Razavi, Berthold Käfer, Eigentümer der MPS-Räumlichkeiten, sowie Töni Schifer und Viktoria Tiedeke vom Verein MPS-Studio | Bild: Markus Schmitz

Die Assoziationen der Ministerin

„Wie bei Raumpatrouille Orion“, sagt die Ministerin zum Ende des Besuchs mit Blick auf das Schaltpult und seine unzähligen Hebel und Regler. Mit dem Besuch endete ihre Reise auf den Spuren der Denkmale. Viel habe sie dieses Mal gelernt. Die CDU-Politikerin bemühte angesichts ihres Wissenszuwachses einen weiteren Vergleich aus dem Bereich der Fernsehunterhaltung: „Ich habe mich gefühlt wie bei Sendung mit der Maus“.