Verwirrung in Allensbach: Kurz vor der Berufungshauptverhandlung gegen den damals 54-jährigen Physiotherapeuten, der im November 2024 vom Amtsgericht Konstanz wegen des sexuellen Missbrauchs von Patientinnen verurteilt worden war, befindet sich ein Schriftstück im Umlauf, das viele Fragen aufwirft. Es suggeriert, dass bereits ein Deal zwischen den Verfahrensbeteiligten feststehen könnte. Das war zuletzt auch gerüchteweise aus Allensbach zu hören, von offizieller Seite jedoch zunächst dementiert worden. Woher das Dokument, das dem SÜDKURIER vorliegt, stammt und wer es in Umlauf gebracht hat, blieb offen. Auch seine Echtheit war zunächst nicht zu verifizieren.

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Es skizziert mehrere Schritte nach, die im Rahmen einer Verständigung erfolgen sollen. An deren Ende sieht sie eine Freiheitsstrafe vor, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird. Der Angeklagte, der zu einer zweieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt worden war, würde so dem Gefängnis entgehen. Dass dies sein Ziel im Berufungsverfahren sein könnte, darüber berichtete der SÜDKURIER bereits.

So heißt es in dem Dokument: „1. Der Angeklagte beschränkt seine Berufung auf die Rechtsfolgen. 2. Die Staatsanwaltschaft Konstanz nimmt die von ihr eingelegte Berufung gegen das Urteil des AG Konstanz vom 05.11.2024 zurück. Weiterhin stellt sie die „neuen“ Vorwürfe, welche gegen den Angeklagten im Hinblick auf den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung des Behandlungsverhältnisses erhoben wurden nach § 154 StPO ein bzw. hat diese im Hinblick auf das beabsichtigte Verfahren schon eingestellt.“

Bewährung statt Haft?

In der Tat waren die Vorwürfe von sechs weiteren Frauen, die sich im Zuge der Verhandlung vor knapp einem Jahr meldeten und ebenfalls zum Opfer geworden sein wollen, fallen gelassen und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Auch darüber berichtete der SÜDKURIER bereits. Hier war offenbar der Grund, dass viele der Taten bereits verjährt und andere sich nicht entscheidend auf das Berufungsverfahren ausgewirkt hätten.

Unter Punkt 3 heißt es dann: „Im Hinblick auf diese Einigung wird der Angeklagte in Abänderung des Urteils des AG Konstanz vom 05.11.2024 in den Rechtsfolgen zu einer Freiheitsstrafe zwischen 22 Monaten und 24 Monaten verurteil, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.“ Es verbleibe bei den Ziffern 2-4 des Urteils des AG Konstanz vom November 2024. Die Bewährungszeit würde auf drei Jahre festgelegt, heißt es unter Punkt 4. Zu den Bewährungsauflagen gehört, sich bei einigen der Geschädigten schriftlich zu entschuldigen.

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Die Echtheit des Dokuments war zunächst nicht unabhängig zu überprüfen. Auch ob die Justizbehörden zwischenzeitlich wirklich eine Verständigung getroffen haben, war kurz vor der Verhandlung nicht mehr in Erfahrung zu bringen. Die Berufungshauptverhandlung findet am Montag, 15. September, im Landgericht Konstanz statt – und wird wohl entscheidend Licht ins Dunkel bringen. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung für den damals 54-jährigen Angeklagten.