Der Mann, der in Fußfesseln vor dem Amtsgericht Konstanz auf der Anklagebank sitzt, hat so einiges auf dem Kerbholz. Zigfach ist er wegen Beleidigung, Bedrohung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie Gewaltdelikten vorbestraft. Erst wenige Tage vor der Verhandlung wird ein weiteres Urteil gegen ihn aus Balingen rechtskräftig, ein weiteres Berufungsverfahren ist aktuell noch am Landgericht Ravensburg anhängig.

Der 41-Jährige sitzt seit Dezember 2024 in Untersuchungshaft, Anfang September muss er sich wieder der Justiz in Konstanz stellen. Schnell wird klar: Der Angeklagte scheint gefangen – in einer Spirale aus Drogen, Alkohol, Sucht und Gewalt. Und alle Prozessbeteiligten fragen sich am Ende der Verhandlung eines: Wann schafft er es endlich da raus? Und vor allem: Wie?

Gegen den Mann gibt es vor dem Amtsgericht drei Anklagen, alle mit mehreren Tatziffern. Die Ereignisse stammen dabei aus den Jahren 2023 und 2024. Die Straftaten sind allesamt ähnlich gelagert: Der Mann fällt sehr stark alkoholisiert in der Öffentlichkeit auf, benimmt sich daneben, beleidigt, bedroht. Zumeist richten sich seine Äußerungen gegen Vollstreckungsbeamte, die er auf übelste Weise beschimpft und ihnen nicht selten sogar mit dem Tod droht. Wenn die Polizisten Maßnahmen ergreifen wollen, sperrt er sich und leistet Widerstand.

Das könnte Sie auch interessieren

Angeklagter ist kein Unbekannter

Für das Gericht ist das nichts Neues, denn der Mann hat 18 Eintragungen im Bundeszentralregister (BZR), ist einschlägig vorbestraft und saß bereits mehrfach hinter schwedischen Gardinen. Verurteilt wurde der 41-Jährige in den vergangenen knapp 20 Jahren von verschiedenen Gerichten in Baden-Württemberg, am häufigsten in Konstanz. Die Taten: gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung, Erschleichen von Leistungen, Diebstahl, Körperverletzung, Beleidigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Bedrohung und Belästigung.

In der vorliegenden Verhandlung geht es neben seinen üblichen Vergehen vor allem um zwei Vorwürfe, die entscheidend für den Ausgang des Verfahrens und die Höhe des Strafmaßes sind. So wird dem Angeklagten laut der Anklageschrift vorgeworfen, im November 2024 einen anderen Mann in einer Tankstelle in Konstanz mit einem Feuerzeug in der Hand mehrfach geschlagen zu haben. Der Vorwurf lautet auf gefährliche Körperverletzung.

Das könnte Sie auch interessieren

Die weitere schwerwiegende Tat: Ihm wird vorgeworfen, einem Polizeibeamten, der ihn in eine Zelle verbrachte, mit voller Absicht in den Mund gespuckt zu haben. Den Beamten überkam starkes Ekelgefühl, er erbrach sich und war wegen der Angst vor einer Infektion bei einem Arzt. Dem Angeklagten werden wegen der Taten an jenem Tag der tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte sowie Widerstand gegen selbige als auch Beleidigung und Bedrohung vorgeworfen.

Der Angeklagte legt ein Geständnis ab

Der Prozess, zu dem ursprünglich 13 Zeugen geladen waren, nimmt nach der Verlesung der Anklageschrift eine überraschende Wendung. Über eine Erklärung, die sein Verteidiger verliest, räumt der Anklagte die ihm vorgeworfenen Taten vollumfänglich ein. Aufgrund der erheblichen Alkoholisierung könne er sich an viele Vorfälle nur noch bruchstückhaft erinnern. Er wisse aber, dass sie sich so abgespielt hätten, wie in der Anklageschrift festgehalten. „Ich schäme mich sehr für mein Verhalten“, heißt es in der Erklärung. „Ich bereue die Taten.“

Die Zeugen – darunter viele Polizeibeamte –, von denen die meisten aufgrund des Geständnisses umgehend wieder entlassen werden, bestätigen die Geschehnisse im Großen und Ganzen. Es gibt außerdem Videoaufzeichnungen von der im Raum stehenden gefährlichen Körperverletzung in der Tankstelle sowie Body-Cam-Aufnahmen von dem Spuck-Vorfall auf dem Polizeirevier, die das Geschehene bestätigen. Einer der Beamten bringt im Zeugenstand seine Abscheu über die Tat zum Nachteil seines Kollegen zum Ausdruck: „Das ist mitunter das Letzte, was man machen kann“, sagt er.

Das könnte Sie auch interessieren

„Was sie getan haben, überschreitet eine Grenze“

Das sieht auch die Staatsanwältin so: Sie fordert aufgrund seiner Taten, vor allem wegen der gefährlichen Körperverletzung und seines Spuck-Angriffs, eine Haftstrafe für den 41-Jährigen. Sie hält dahingehend auch ein Plädoyer für die Polizisten im Landkreis: „Polizeibeamte müssen jeden Tag mit Widerstandshandlungen umgehen und viel über sich ergehen lassen. Doch das, was sie getan haben, überschreitet eine Grenze, die nicht zum täglichen Leben der Polizisten gehört.“ Strafschärfend wirke sich darüber hinaus seine „schnelle Rückfallgeschwindigkeit“ aus und, dass „alle Haftstrafen und Bewährungsstrafen nichts gebracht haben“. „Eine langanhaltende Einsicht sehe ich nicht“, sagt sie noch.

Klar sei aber, dass der Paragraf 21 des Strafgesetzbuches (StGB), der sich mit verminderter Schuldfähigkeit beschäftigt, wegen der jeweils starken Alkoholisierung vermutlich zum Tragen kommen müsste. Zusätzlich sei sein umfassendes Geständnis positiv zu bewerten. Der Angeklagte hatte sich außerdem ausdrücklich bei allen Zeugen direkt entschuldigt, was sie ihm hoch anrechne. Sie plädiert dennoch für eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten – ohne Chance auf Bewährung. Der Verteidiger wiederum bittet, Milde walten zu lassen. Für ihn steht fest: „Er muss von Drogen und Alkohol weg.“ Dazu müsse er nach der Haft zwingend in eine Therapie.

Das könnte Sie auch interessieren

Das Gericht verurteilt den Angeklagten letztendlich trotz verminderter Schuldfähigkeit wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Beleidigung, Bedrohung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wird. Der Angeklagte muss also in Haft.

Ob der 41-Jährige sein Leben jemals in geeignete Bahnen lenken und von Alkohol sowie Drogen Abstand gewinnen kann, diese Frage kann an diesem Tag vor Gericht keiner beantworten. Doch allen Prozessbeteiligten ist anzumerken: Wo Zweifel herrschen, da gibt es auch Hoffnung. Aber: Aktuell läuft ohnehin noch ein Berufungsverfahren in Ravensburg, welches gesamtstrafenfähig sein könnte. Dann könnte die verhängte Strafe des Amtsgerichts Konstanz damit zusammengeführt werden und die Haftstrafe höher ausfallen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.