In dem viel beachteten Prozess um einen damals 54-jährigen Physiotherapeuten aus Allensbach, dem vorgeworfen wurde, mehrere Patientinnen im Rahmen der Behandlung sexuell missbraucht zu haben, steht nun eine Entscheidung an. Nachdem der Mann im November 2024 vom Amtsgericht Konstanz zu einer Haftstrafe und einem fünfjährigen Berufsverbot verurteilt worden war, hatten mehrere Seiten Rechtsmittel eingelegt. Die Berufungshauptverhandlung ist auf Montag, 15. September, vor dem Landgericht terminiert.
Aus Allensbach war zuletzt zu hören, dass es bereits eine Einigung unter den Prozessbeteiligten gebe. Das dementierte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Andreas Mathy, zuletzt auf SÜDKURIER-Nachfrage. Es gebe keine außergerichtliche Einigung. Es habe lediglich eine Anfrage des Landgerichts an die Staatsanwaltschaft gegeben, ob Gesprächsbereitschaft für eine Verständigung bestehe. Diese könnte dann im Rahmen der Hauptverhandlung erfolgen.
Das Landgericht Konstanz äußerte sich auf Anfrage ähnlich. Dem Vorsitzenden Richter sei nicht bekannt, ob außergerichtlicher Kontakt zwischen den Beteiligten bestehe, so Sprecherin Mirja Poenig. Außerdem: „Eine Zeugenladung ist bisher nicht erfolgt. Dies mag sich aber während des laufenden Gerichtsverfahrens noch ändern, da es bisher keine verbindliche Absprache im Sinne des Paragrafen 257c der Strafprozessordnung gibt“, so die Sprecherin.
Und weiter: „Kontakt zur Verteidigung und Staatsanwaltschaft bestand bisher allein im Hinblick auf die Verfahrensleitung.“ Die Geschädigten seien darüber hinaus anwaltlich vertreten und könnten daher Kenntnisse über den Verlauf des Verfahrens haben.
Weitere Verfahren eingestellt
Der Ausgang des Prozesses scheint somit zunächst weitestgehend offen. Was allerdings mittlerweile klar ist: Die Anschuldigungen der weiteren Frauen, die den Physiotherapeuten nach Bekanntwerden der Vorwürfe und des Gerichtsprozesses ebenfalls beschuldigt hatten, sind inzwischen vom Tisch. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, sind die Verfahren allesamt eingestellt worden.
„Es gab weitere sechs Verfahren“, so Andreas Mathy. „Drei davon sind eingestellt worden, weil sie inzwischen verjährt sind.“ Man spricht hier von dem Begriff der „Verfolgungsverjährung“. Auch in dem Hauptverfahren vor dem Amtsgericht ging es bereits teilweise um Taten, die viele Jahre zurücklagen.
Die Tatzeiten der drei weiteren Vorwürfe lägen ebenfalls lange Zeit zurück, darüber hinaus habe es sich um „niederschwellige Taten“ gehandelt, so Mathy. Vor Gericht hätten sie wohl für das Ergebnis des Verfahrens keine größere Rolle gespielt. Der Sprecher teilte außerdem mit, dass hinter den sechs weiteren Verfahren auch sechs verschiedene Frauen standen, die zum Opfer geworden sein sollen.
So könnte es weitergehen
Was im Rahmen der Berufungshauptverhandlung geschehen wird, bleibt also abzuwarten. Für Prozessbeobachter scheint aber vor allem eines wahrscheinlich: Bereits zu Beginn der Verhandlung wird ein Rechtsgespräch einberufen. Dabei wird eine mögliche Verständigung beziehungsweise ein Deal zwischen den Prozessbeteiligten besprochen.
Wahrscheinlich ist: Der Angeklagte möchte der vom Amtsgericht Konstanz verhängten zweieinhalbjährigen Haftstrafe vermutlich entgehen. Dafür müssten er und sein Rechtsbeistand eine Reduzierung des Strafmaßes unter die Grenze von zwei Jahren erreichen, die dann zur Bewährung ausgesetzt werden könnte. Dann müsste der Physiotherapeut nicht ins Gefängnis.
Das fünfjährige Berufsverbot, das dem angeklagten Physiotherapeuten auferlegt worden war, könnte weiterhin Teil der verhängten Strafe bleiben, muss es aber nicht. Als sogenannte Nebenstrafe, die unabhängig von der Hauptstrafe verhängt wird, wird diese ebenfalls erneut vor dem Landgericht geprüft werden. Auch im Falle einer Verurteilung könnte es aufgehoben werden. Zuletzt galt das Verbot aufgrund des noch nicht rechtskräftigen Urteils noch nicht, dem Mann war es weiterhin möglich, zu praktizieren.
Nun wird die Berufungsverhandlung hoffentlich Klarheit in dem über Jahre andauernden Fall bringen. Sollte der damals 54-Jährige vom Landgericht erneut verurteilt werden, bleibt ihm allerdings weiterhin die Möglichkeit der Revision. Dann würde das Oberlandesgericht das Urteil auf Rechtsfehler prüfen. Erst, wenn die Revision verworfen wird oder zuvor gar keine eingelegt wurde, ist das Urteil rechtskräftig. Die Berufungshauptverhandlung findet am Montag, 15. September, im Landgericht Konstanz an der Unteren Laube statt. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung für den Angeklagten.