Es ist ein Blick, dem man sich nur schwer entziehen kann. Ein Augenpaar schaut genau durch die Lücke zwischen den Saiten eines Tennisschlägers hindurch. Einige davon sind zerrissen, zwei Hände scheinen kraftvoll Platz zu machen dafür, dass hinter dem Sportgerät ein Gesicht durchkommt. Der Mund ist gerade, was der Abgebildete gerade fühlt, lässt sich allenfalls erahnen. Ist es der Wunsch, aus einer Art Gefängnis auszubrechen? Ist es die Entschlossenheit, dem Tennissport einen eigenen Stempel aufzudrücken? Ist da womöglich auch eine gewisse Traurigkeit dabei?

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Denkbar ist das wohl alles, der Abgebildete ist Boris Becker. Gabriele Oestreich hat den Tennisprofi über viele seiner wechselvollen Jahre begleitet, und das Becker-Porträt mit dem zerrissenen Schläger ist vermutlich ihr berühmtestes Foto. Zusammen mit vielen weiteren Bildern von bekannten Menschen ist es noch bis zum 11. Oktober in Konstanz zu sehen. Die Ausstellung „Big Shots“ bringt wieder einmal Prominenten-Porträts in die Leica Galerie und ist doch anders als vorausgegangene. Weil Oestreicher, die sich selbst als Fotografin nur Gabo nennt, einen sehr eigenen Stil hat.

Den Bildern ist anzusehen, wann und wie Gabo das Fotografieren gelernt hat: in der vordigitalen Zeit, mit den handwerklich-technischen Mitteln und den ästhetischen Vorlieben der 80er- und 90er-Jahre. Damals hatte sie ihren Model-Job gegen die Arbeit hinter der Kamera eingetauscht. Schwarz-Weiß spielt eine große Rolle, die Bilder künden von sorgfältig gesetzter Lichtführung, man könnte sich diese Fotos sofort im „Stern“ zu dessen besten Zeiten vorstellen. Wozu natürlich auch beiträgt, wer da so fotografiert wurde: Kim Wilde, Götz George, Ilja Richter, Yoko Ono oder James Last bevölkern die Galeriewände und wirken wie alte Bekannte.

Ein Moment ohne Maske: Auch Kevin Costner gehört zu den Stars, die Gabo in den vergangenen 40 Jahren fotografiert hat, und auch dieses ...
Ein Moment ohne Maske: Auch Kevin Costner gehört zu den Stars, die Gabo in den vergangenen 40 Jahren fotografiert hat, und auch dieses Porträt ist in ihrer aktuellen Ausstellung in Konstanz zu sehen. | Bild: GABO Photos

Und doch ist nichts altmodisch oder gar altbacken an Gabos Bildern. Wer durch die Ausstellung mit ihren 50 Bildern geht, merkt schnell, dass aus ihnen eine besondere Beziehung zwischen Fotografin und Fotografierten spricht. So extravagant manche Pose sein mag, so frivol das eine oder andere Bild inszeniert ist, es spricht stets eine gewisse Wärme aus diesen Fotografien. Dass Gabo eine Menschenfängerin ist, haben auch die Gäste der Vernissage festgestellt – nicht wenige von ihnen hätten sich wohl gerne auf der Stelle von ihr fotografieren lassen.

Die Fotografin will sich der KI-Bilder-Welt in den Weg stellen

Ehrliche Fotografie wolle sie betreiben, sagt Gabo, was kein geringer Anspruch ist in Zeiten, in denen das Foto seine Glaubwürdigkeit verliert: Ob wir den Bildern noch trauen können, ist keine neue Frage, aber durch die Gestaltungs- und Manipulationsmöglichkeiten durch Künstliche Intelligenz hat sie eine neue Bedeutung erhalten. Und auch die Bereitschaft, aufwendige Produktionen mit einem ganzen Stab rund um Fotografin und Modell zu finanzieren, ist nicht mehr groß. Ja, sagt Gabo ehrlich, die Zeiten für die Fotografie waren schon mal besser.

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Insofern ist ihre laufende Ausstellung in Konstanz auch ein Blick zurück, zumal manche der Abgebildeten schon gar nicht mehr leben oder von vielen nicht mehr erkannt werden. Melancholisch wird es trotzdem nie, dafür steckt zu viel Witz in den Bildern. Und Überraschung: Ein großartiges Porträt zeigt eine ganz weiche Seite an der Feministin Alice Schwarzer, ein Bild von Till Brönner zeigt einen sehr schönen, intimen Moment im Leben des Jazztrompeters, und Schauspieler Axel Millberg lacht mit heruntergelassenen Jeans und bunten Boxershorts aufs Fröhlichste in die Kamera.

Menschenbilder aus Begegnungen in über 40 Jahren

In Menschenbildern hat Gabo, das macht die Ausstellung deutlich, in den vergangenen 40 Jahren ihre Bestimmung gefunden, und sie hat ihr Leben mit spannenden Persönlichkeiten geteilt – unter anderen war sie jahrelang mit Campino zusammen, dem Sänger der Toten Hosen. Ganz so nah ist sie den meisten anderen Abgebildeten natürlich nicht gekommen, aber sie hat sich auf jede und jeden von ihnen eingelassen, das ist nicht zu übersehen. Wie auch deutlich wird, dass sich die Fotografierten auf Gabo eingelassen haben.

Mit ihm verbindet sie besonders viel: Campino war für die Fotografin Gabo mehr als nur ein Modell.
Mit ihm verbindet sie besonders viel: Campino war für die Fotografin Gabo mehr als nur ein Modell. | Bild: GABO Photos

So feiert die Ausstellung in mehrfacher Hinsicht das Menschliche: Sie präsentiert eine Fotografin, die sich vor Jahrzehnten in einer Männerdomäne durchgesetzt hat und in ihrer Arbeit die Modelle zu Persönlichkeiten macht. Wie immer, wenn es menschelt, wird sich nicht jeder Betrachter und jede Betrachterin von allem gleich angesprochen fühlen, aber genau das macht den Reiz jenseits der Welt des perfekt Glattgebügelten ja aus. „Ein gutes Porträt“, erklärt Gabo, und ihre Bilder beweisen es unmittelbar, „entsteht nicht durch Technik. Es entsteht durch Vertrauen.“