Die Standpunkte beim AfD-Bürgerdialog waren unvereinbar und klar durch Bauzäune getrennt: Auf der einen Seite vor der Talwiesenhalle die Demonstranten vom Bündnis Demokratie stärken, auf der anderen Seite die AfD-Unterstützer auf dem Weg in die Halle – doch dann sorgt eine obszöne Geste für Empörung und hat nun möglicherweise auch strafrechtliche Folgen. Denn der AfD-Gemeinderat und Kreisrat Reinhard Pröll soll den Demonstranten den Mittelfinger gezeigt haben. Er bestreitet das.
Dagmar Eisenhart (Grüne) berichtete in einer Gemeinderatssitzung, dass das Bündnis eine Eskalation habe vermeiden wollen. Dafür sei sie vor der Veranstaltung extra im Landratsamt gewesen, um mit Polizei, AfD und Ordnungsamt Absprachen und Regeln zu vereinbaren. Deshalb habe es sie umso mehr geschockt, als sie vor der Halle gesehen habe, wie AfD-Gemeinderat Reinhard Pröll den Demonstranten den Mittelfinger gezeigt habe. Zuvor hätten sie ihn darauf aufmerksam gemacht, dass er sie nicht fotografieren dürfe, weil das die Persönlichkeitsrechte verletzte.
Laut Pröll ist es ein Missverständnis
„Ich habe mich für unseren Gemeinderat geschämt und finde diese Verrohung mehr als unanständig und undemokratisch“, erklärte Eisenhart und forderte eine Entschuldigung. Pröll erklärte nach Angaben mehrerer Gemeinderäte in der Sitzung, es handle sich um ein Missverständnis. Er habe sich den Mittelfinger am Bauzaun verletzt und ihn hochgestreckt, um die Verletzung zu begutachten.
Für diese Schilderung erhält er Rückendeckung vom AfD-Kreistagsfraktion, die in einer Pressemitteilung erklärt: Mehrere Zeugen würden bestätigen, dass Pröll sich am Zaun verletzt habe und „keinerlei beleidigende Absicht vorlag“. Eisenhart hält das für eine Ausrede, denn niemand habe den AfD-Gemeinderat am Zaun gesehen.
Der Sprecher des Demokratie-Bündnisses, Steffen de Sombre, ebenfalls Gemeinderat der Grünen, reagiert ironisch auf die Erklärung von Pröll. Die „obzöne Geste des ausgestreckten Mittelfingers wäre natürlich ein starkes Stück – gerade von einem gewählten Gemeinderat -, und zudem wäre ein solcher Stinkefinger als Beleidigung justiziabel“, schreibt de Sombre. Zur vermeintlichen Verletzung erklärt de Sombre: „In diesem Fall wünschen wir als Bündnis Demokratie stärken natürlich baldige Genesung und regen an, Bauzäune zukünftig noch gründlicher auf Verletzungsrisiken zu prüfen.“
Verfahren ist eingestellt
Wie die Polizei auf Nachfrage berichtet, gab es eine Strafanzeige mit fünf Geschädigten gegen den AfD-Gemeinderat wegen Beleidigung, die an die Staatsanwaltschaft ging. Wie die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage mitteilt, sei das Verfahren wegen des geringfügigen öffentlichen Interesses und weil Reinhard Pröll nicht vorbestraft sei, eingestellt worden.
Reinhard Pröll und die AfD-Kreistagsfraktion hatten an die SÜDKURIER-Redaktion geschrieben, die Staatsanwaltschaft hätte die Anzeige geprüft und am 6. Mai eingestellt. Dies sei laut Staatsanwaltschaft aber nicht deshalb geschehen, weil die Vorwürfe nicht stimmten, sondern aufgrund der Geringfügigkeit. Die Geschädigten könnten nun den Weg einer Privatklage beschreiten.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmals am 9. Mai und wurde aktualisiert, nachdem die AfD eine Einstellung des Verfahrens mitgeteilt hat.