Am Eisweiher in Espasingen entsteht ein ungewöhnliches Projekt: Was als Renaturierungsprojekt mit offener Wasserfläche geplant war, wird dank eines neuen Bewohners zu einem beispielhaften Modell für natürlichen Artenschutz. Jetzt verschaffte sich Andre Baumann, Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg, im Rahmen seiner Sommertour einen Eindruck davon, wie diese Entwicklung aussehen könnte.

An der Begehung nahmen neben der Grünen-Landtagsabgeordneten Saskia Frank auch Stockachs Bürgermeisterin Susen Katter, Stadtbaumeister Lars Heinzl und Kim Krause, Umweltbeauftragter der Stadt Stockach, der Espasinger Ortsvorsteher Andreas Bernhart, einige Ortschaftsräte, Gemeinderat Tobias Feindler (Grüne), Vertreter des Landratsamts Konstanz und weitere Interessierte teil.

Ziel ist, Eisweiher aufzuwerten

Angestoßen durch Professor Peter Berthold vom Max-Planck-Institut für Ornithologie verfolgte die Stadt Stockach gemeinsam mit dem Gräflichen Haus Bodman als Grundeigentümer seit 2019 das Ziel, den verlandeten und mit Brombeersträuchern, Weidenbüschen und Schilf zugewachsenen Eisweiher durch eine Wiederbespannung ökologisch aufzuwerten.

Stockachs Bürgermeisterin Susen Katter begrüßt die Besucher am Eisweiher in Espasingen, hier im Bild Lucia Fuchs, Kim Krause und Andreas ...
Stockachs Bürgermeisterin Susen Katter begrüßt die Besucher am Eisweiher in Espasingen, hier im Bild Lucia Fuchs, Kim Krause und Andreas Bernhart (von links). | Bild: Claudia Ladwig

Für die Umsetzung des Projekts waren Kosten in Höhe von 500.000 Euro eingeplant. Rund 250.000 Euro sollten aus bereits zugesagten Fördermitteln, unter anderem von der Stiftung Naturschutzfonds und der Sielmann-Stiftung, stammen, der Rest aus Haushaltsmitteln der Stadt.

Biber hilft bei der Verfolgung des Ziels

Kim Krause berichtete, dass er Anfang 2025, nachdem Mitarbeiter der Technischen Dienste einen Weg freigemacht hatten, deutliche Spuren entdeckt habe: Ein Biber habe in beeindruckender Baukunst ein aktives Revier mit Dämmen, Rutschen und einem komplexen Grabensystem geschaffen und so die ursprünglichen Projektziele weitestgehend auf natürliche Weise umgesetzt. Susen Katter ergänzte halb im Scherz, der Biber habe als Gratis-Landschaftsgärtner alles getan, was die Behörden nicht durften.

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Krause erläuterte, der Biber zeige eindrucksvoll, wie aus einem technischen Vorhaben ein lebendiges Naturprojekt werden kann, das sowohl für die Artenvielfalt als auch für Menschen neue Perspektiven eröffnet. Andre Baumann sprach sogar vom „Entbürokratisierer Biber“, der hier viel Geld und Bürokratie spare.

Das Tier sorgt auch für Herausforderungen

Im Landkreis gebe es nur wenige wirkliche Problemfälle. Manchmal sei der Biber eine Herausforderung, doch bereichere er viele Lebensräume. Er sagte: „Wir müssen schauen, dass wir das Ganze gut managen können“ und lobte, dass Gemeinde und Noch-Eigentümer an einem Strang ziehen. Weil der Biber nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt ist, haben sich die Stadt und das Gräfliche Haus Bodman nämlich entschieden, gemeinsam mit der Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg, den neuen Lebensraum zu erhalten und zu fördern. Das zuvor geplante Projekt wird vorerst nicht weiterverfolgt.

Die ehrenamtliche Biberbeauftragte Lucia Fuchs (vorne) erläutert die Vorteile des neu entstehenden Biotops für die Artenvielfalt.
Die ehrenamtliche Biberbeauftragte Lucia Fuchs (vorne) erläutert die Vorteile des neu entstehenden Biotops für die Artenvielfalt. | Bild: Claudia Ladwig

Die Teilnehmer der Begehung hatten jedoch Wünsche und Forderungen an die Politik. Johannes von Bodman erklärte, das Gräfliche Haus habe sich früh entschlossen, den Weiher und dessen Randbereich an die Stadt Stockach zu geben. Er machte klar: „Ohne die ganze Bürokratie wäre der Eisweiher was geworden. Durch das langsame Vorgehen – auch unsererseits – haben wir jetzt diese Situation.“ Er hoffe, dass das Zusammenleben Natur und Mensch hier auf sehr glückliche Weise gelinge, forderte aber, ökologische Aufwertung müsse schneller durchsetzbar werden.

Lars Heinzl bestätigte, die Einigkeit aller Betroffenen sei da gewesen, man sei an Vorschriften gescheitert, habe jedoch bereits 70.000 Euro Planungskosten gehabt. Susen Katter fügte hinzu: „Der Naturschutz stand dem Naturschutz im Weg. Ist es ein Eingriff in die Natur, wenn ich die Natur rette?“ Das sei den Menschen schwer vermittelbar.

Neue Richtlinie vom Umweltministerium

Das Umweltministerium des Landes habe kürzlich eine Förderrichtlinie Biber herausgegeben, so Baumann. Eigentümern sollen attraktive Angebote für entsprechende Maßnahmen gemacht werden, ebenso gehe es um Ökopunkte für Kommunen. Es brauche finanzielle Anreize, damit der Biber wirken könne. Die ehrenamtliche Biberbeauftragte Lucia Fuchs verwies auf die positive Arbeit des Bibers: Er schaffe Strukturen, die auch für andere Tiere wichtig sind.

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„Amphibien finden dank des Bibers Wege zu den Tümpeln. Ein Biber schafft Dynamik. Wir müssen mehr Dynamik reinbringen, um die Artenvielfalt zu stärken. Der Effekt ist ein großartiger.“ Dass Vorgaben weniger statisch sein müssen, habe man schon vor Jahren diskutiert, so von Bodman. Im Landkreis Konstanz funktioniere es nicht. Naturschutzmaßnahmen würden nicht anerkannt, wenn der Biber schon da sei. Andre Baumann bestätigte: „Wir müssen die Ökopunkteverordnung biberfest machen für Verwaltung, Eigentümer und Kommunen.“

Wer genau hinsieht, erkennt den Wasserlauf unter dem Geäst. Hier hat der Biber einen Zulauf von der Aach in den verlandeten Eisweiher ...
Wer genau hinsieht, erkennt den Wasserlauf unter dem Geäst. Hier hat der Biber einen Zulauf von der Aach in den verlandeten Eisweiher geschaffen. | Bild: Claudia Ladwig

Lars Heinzl sprach über Grenzfälle, wenn beispielsweise Schaden an der Infrastruktur drohe. Es brauche pragmatische Lösungen, wie man mit den Kosten umgehe. Hier werde gerade das Bibermanagement geprüft, wie man in den wenigen Fällen vorgehen könne, sagte Baumann. Der Biber sei wichtig, Infrastruktur aber auch. Man müsse einen Interessenausgleich finden, pragmatisch mit der Thematik umgehen und sie richtig kommunizieren, betonte Thomas Buser, Leiter des Amtes für Baurecht und Umwelt im Landkreis Konstanz.

Thomas Buser reagiert auf die Vorwürfe

Zum Vorwurf, die Naturschutzbehörde sei nicht flexibel genug, sagte er, es könne nicht sein, dass man für einen natürlichen Effekt bares Geld anrechne. Nicht jede Maßnahme sei förderfähig. Der Landkreis sei inzwischen komplett übersät mit Bibern. Man habe das Thema aufgegriffen, ein Bibermanagement aufgebaut, klare Ansprechpartner, kurze Wege und Fachkräfte dabei.

Man sei deutlich besser aufgestellt als vor dreieinhalb Jahren, der Schub durch die Förderrichtlinie helfe auch. Johannes von Bodman schlug vor, für mögliche finanzielle Ausgleiche oder Ökopunkte den Ausgangszustand heranzuziehen.

Landwirte sollen bessere Angebote erhalten

Andre Baumann betonte nochmals die Bedeutung guter Beratung vor allem der ehrenamtlichen Biberberater vor Ort und versprach, dass man sich um noch bessere Angebote für Landwirte bemühe, wenn ihre Fläche nicht mehr zu bewirtschaften sei. Bezüglich der Ökopunkteverordnung werde er schauen, „dass wir das rechtskonform besser hinkriegen.“

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Buser schlug abschließend vor, anstehende Fragen rund um den Eisweiher gemeinsam zu klären und darauf zu achten, keine Probleme zu schaffen, die man sonst nicht hätte. Kim Krause hatte etwa über den Hochwasserfall oder eine mögliche Umleitung der Aach gesprochen. „Es braucht eine Entscheidung, die irgendwo niedergeschrieben wird, ein schlankes Verfahren und Mut zur Entscheidung“, so Buser. Damit werde ein Großteil der anstehenden Herausforderungen gelöst und die Chance gewahrt, den Biber zu nutzen, waren sich die Verantwortlichen einig. Für die Espasinger soll es einen Informationstermin vor Ort zur weiteren Entwicklung geben.