Der Vorgang ist ungewöhnlich. Wenn am Montag der Gemeinderat tagt, wird gegen Ende ein fraktionsübergreifender Antrag eingebracht. So steht es auf der Tagesordnung. CDU, Freie Wähler, FDP, Grüne sowie SPD/Linke möchten, dass der jährliche Zuschuss von 25.000 Euro für den Culturverein Caserne e.V. eingestellt beziehungsweise eingefroren wird. Sollte der Verein in finanzielle Not geraten, könne er „wie jeder andere eingetragene Verein“ einen Zuschuss aus dem Fördertopf für Kulturvereine bei der Stadt beantragen.

Hauptversammlung des Culturvereins Caserne im „Atrium“ im Oktober 2024. Noch-Vorsitzende Brigitte Meßmer verliest den Bericht des ...
Hauptversammlung des Culturvereins Caserne im „Atrium“ im Oktober 2024. Noch-Vorsitzende Brigitte Meßmer verliest den Bericht des Vorstands und tritt nach der Versammlung aus dem Verein aus. | Bild: Cuko, Katy

Grund für diesen Vorstoß ist die üppig gefüllte Kasse des Vereins, was bei der Hauptversammlung im Herbst öffentlich bekannt wurde. Demnach hat der Culturverein im Jahr 2023 einen Gewinn von über 18.000 Euro erwirtschaftet. Dass der Verein zudem ein Vermögen von rund 142.000 Euro zum Jahresende 2023 auf der hohen Kante hatte, erklärte Kassenwartin Regine Ankermann mit der Corona-Zeit. Da kamen jährlich die 25.000 Euro von der Stadt, obwohl keine Veranstaltungen stattfinden konnten. Nur: Mit solch hohen Rücklagen, die nicht zweckgebunden sind, gefährde der Verein seine Gemeinnützigkeit, teilte das Finanzamt im vergangenen Jahr mit.

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Ausnahme von der Regel

Einige Stadträte rieben sich offensichtlich verwundert die Augen. In Friedrichshafen ist die Kulturförderung klar geregelt. Es gibt eine Richtlinie, wer wofür unterstützt wird. Geld fließt aber nur auf Antrag und mit Verwendungsnachweis. Das gilt für mehr als 100 Kulturvereine in der Stadt, nur nicht für den Culturverein Caserne. „Nachweise für die Verwendung der Zuschussmittel muss der Verein nach unserer Kenntnis keine bringen“, steht in dem Antrag der vier Ratsfraktionen.

Die mögliche Streichung des fetten Zuschusses ohne Bedingungen ist für den Culturverein nicht das einzige Problem. Seit Jahresende ist die Tür zum „Atrium“ zu. Das liegt zum einen daran, dass es zu keiner Nutzungsvereinbarung zwischen der Caserne gGmbH, dem Generalmieter des Kulturhauses, und dem Verein kam. Damit wird die Kündigung wirksam, die im Mai 2024 angekündigt wurde. „Schade, dass es zu keiner Einigung im Vorfeld kam. Wir streben aber weiterhin eine einvernehmliche Lösung an“, erklärt Kulturhaus-Geschäftsführer Claus-Michael Haydt.

So sieht es unter der Freitreppe am Eingang zum Theater Atrium aus. Die Decke muss abgestützt werden.
So sieht es unter der Freitreppe am Eingang zum Theater Atrium aus. Die Decke muss abgestützt werden. | Bild: Cuko, Katy

Zweitens kann das „Atrium“ derzeit ohnehin nicht bespielt werden. Neben einer Mängelliste des Wirtschaftskontrolldienstes mit 26 Punkten gebe es bauliche Schwierigkeiten, so Haydt. Größtes Problem sei Feuchtigkeit, die zu starkem Schimmelbefall geführt hat. „Wir gehen davon aus, dass die Belastung aktuell so hoch ist, dass hier vorerst keine Veranstaltungen mehr durchgeführt werden können.“

Ohne Sanierung geht es nicht

Klares Ziel sei natürlich, das „Atrium“ wieder zu einem attraktiven Spielort zu machen. Den könnte der Culturverein – wie jeder andere Verein – auch wieder nutzen, wenn man sich über die Modalitäten einigt. Haydt verweist auf transparente Regeln, die für jeden Nutzer gelten, der sich mit einer Veranstaltung einmietet. „Es soll ein gemeinsames Gespräch mit Bürgermeister Andreas Hein geben“, sagt der Caserne-Chef, der nach wie vor auf eine gute Lösung hofft. „Wir schauen jedenfalls nach vorn.“

Die Tür zum Atrium bleibt vorerst zu.
Die Tür zum Atrium bleibt vorerst zu. | Bild: Cuko, Katy

Der Vorstand des Culturvereins zeigt sich seinerseits gesprächsbereit für eine „kooperative Zusammenarbeit“, reklamiert aber, dass der Verein „seine ‚Heimat‘ verloren hat“, erklärt Vorsitzende Dagmar Buggle. So steht es in einem Schreiben, das am Freitag an Bürgermeister Hein ging. Darin nimmt sie Stellung zum Ratsantrag, dem Verein den pauschalen Jahreszuschuss zu streichen. Und räumt ein, dass der Verein „ein finanzielles Polster aufgebaut“ habe.

Verein bereit für Abzüge

Wohl vor diesem Hintergrund ist zu sehen, dass der Verein laut diesem Schreiben die 25.000 Euro für 2024 „bewusst nicht abgerufen“ habe. Mehr noch: Der Culturverein stimmt einer Aussetzung der Förderung in diesem Jahr zu und bietet für 2026 „eine transparente Budgetabstimmung“ an. Doch auf seiner Sonderrolle beharrt der Verein. „Wir bitten davon abzusehen, aus der regelmäßigen Förderung eine Einzelfallprüfung von Jahr zu Jahr zu machen“, steht in dem Schreiben. Laut Richtlinie verlangt die Stadt jedoch von allen Kulturvereinen, jährlich nachzuweisen, ob die Voraussetzungen für eine Förderung vorliegen.

Im Dezember unterschrieben Eva Schütte, Vorsitzende des JazzPort Friedrichshafen e.V. und Claus-Michael Haydt eine Nutzungs- und ...
Im Dezember unterschrieben Eva Schütte, Vorsitzende des JazzPort Friedrichshafen e.V. und Claus-Michael Haydt eine Nutzungs- und Kooperationsvereinbarung. Mit auf dem Bild der JazzPort-Schatzmeister Oliver Moll (rechts) und Henry Altmann, bei JazzPort verantwortlich für die Buchungen (links). | Bild: Sylvio J. Godon / Kulturhaus Caserne gGmbH  

JazzPort ist gesichert

Und nun? Der Culturverein bemühe sich um alternative Spielstätten, möchte aber auch weiterhin das „Atrium“ nutzen, schreibt Dagmar Buggle. Der Verein Jazzport, der zuletzt im „Atrium“ spielte, hat die Nutzungsvereinbarung mit der Caserne gGmbH unterzeichnet und macht seine Veranstaltungen jetzt in der „Werkstatt“.