Eigentlich soll es vor dem Amtsgericht Tettnang um Betrug mit Corona-Tests in fast 220 Fällen gehen. Doch erst einmal tut der Angeklagte seinen Unmut kund. Da sein Verteidiger ihn krankheitsbedingt nicht mehr vertreten kann, wurde ihm von der Anwaltskammer ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt. Das passt dem 42-Jährigen, der sich vor Gericht verantworten muss, allerdings so gar nicht.

Zwist zwischen Angeklagtem und seinem Verteidiger

„Ich bin geschockt, dass er mich verteidigen soll“, poltert er los. Er kenne den Herrn gar nicht, sei am Telefon von ihm angeschrien worden, er lege ihm hier irgendwelche Unterlagen vor, die er gar nicht kenne. Sein Verteidiger widerspricht. Er habe mit seinem Mandanten telefoniert, sei die Unterlagen mit ihm durchgegangen, betont der Konstanzer Anwalt Nicolas Doubleday. Nach kurzer Debatte, ob es weiterer Beratungszeit zwischen den beiden bedarf, kann Richterin Heike Jakob mit dem Verfahren fortfahren.

Das Amtsgericht hat seinen Sitz im Neuen Schloss in Tettnang.
Das Amtsgericht hat seinen Sitz im Neuen Schloss in Tettnang. | Bild: Wieland, Fabiane

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 42-jährigen Angeklagten neben Betrug auch Täuschung und Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz vor. Der ehemalige Betreiber eines Corona-Testzentrums hatte vor knapp drei Jahren vom Gesundheitsamt Bodenseekreis die Genehmigung erhalten, Antigenschnelltest vorzunehmen. Statt allerdings nur diese anzubieten, soll er mit PCR-Tests geworben und entsprechende Bescheinigungen ausgestellt haben. Pro Test habe er zwischen 69 und 99 Euro verlangt. Die Gesamtschadenssumme beziffert der Staatsanwalt mit rund 17.000 Euro.

Falsche Zertifikate kann er sich nicht erklären

Der Angeklagte gibt an, das Landratsamt darüber informiert zu haben, dass er PCR-Schnelltests – sogenannte PoC-NAT-Tests – anbiete, er habe dafür auch eine Genehmigung gehabt. Reguläre PCR-Tests habe er nicht angeboten, dafür müssten die Proben schließlich in ein Labor gebracht werden. Warum in seinem Testzentrum dann allerdings wiederholt Zertifikate ausgestellt wurden, die einen Labortest bescheinigen, kann er sich auch nicht erklären. „Da steht zwar mein Name als Tester, aber das Dokument wurde nicht unterschrieben“, gibt er an. Vielleicht habe einer seiner Mitarbeiter vergessen, das Häkchen an der entsprechenden Stelle zu entfernen.

Ein als Zeuge geladener Polizist sagt vor Gericht aus, dass im Dezember 2021 eine Anzeige gegen den Betreiber eingegangen sei. Eine Frau habe sich testen lassen, ihrem Sohn sei es komisch vorgekommen, dass innerhalb von 30 Minuten schon ein Laborergebnis vorliegen kann. Er habe Anzeige wegen Fälschung von Gesundheitszeugnissen erstattet. Bei der Überprüfung habe sich gezeigt, dass der Betreiber des Testzentrums keine Genehmigung für diese Art der Testung hatte und dazu auch gar nicht in der Lage war. Nach einer richterlichen Anordnung habe man die Wohnung und die Geschäftsräume durchsucht, im Speicher eines Tablets große Mengen an Testbescheinigungen gefunden – teilweise ausgestellt als PCR-Test.

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Auch Mitarbeiterinnen der Gesundheitsbehörde werden vor Gericht gehört. Sie berichten, dass das Testzentrum vorwiegend wegen hygienischer und organisatorischer Mängel aufgefallen war – und daher im Februar 2022 geschlossen wurde. Zur Frage, ob der Betreiber befugt war, PCR-Tests anzubieten, erläutern die Zeuginnen, dass er Unterlagen für die Genehmigung sogenannter PoC-Tests angefordert habe, diese aber unzureichend ausgefüllt worden waren – eine Erlaubnis daher nie erteilt wurde. „Statt den Nachweis für das entsprechende Gerät anzugeben, habe er dort die Typbezeichnung einer Kaffeemaschine eingetragen“, so eine der Mitarbeiterinnen.

Unterschrift soll Vertrauen erwecken

Die Staatsanwaltschaft sieht die Vorwürfe im Wesentlichen als erwiesen an. „Die Pandemie ist zwar vorbei, aber die juristische Aufarbeitung beschäftigt die Justiz nach wie vor“, so der Staatsanwalt. Der Angeklagte habe gewusst, dass die verschiedenen Testmethoden eine unterschiedliche Aussagekraft hatten. Er habe PCR-Tests attestiert und abgerechnet, obwohl er nur Schnelltests vorgenommen habe. „Er hatte kein Labor, das die Tests auswertet, nur dieses Gerät.“ Die Angaben auf den Bescheinigungen seien also nachweislich falsch. Auf die sei noch die Unterschrift einer Ärztin gesetzt worden, damit sie plausibel und vertrauensvoll erscheinen.

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Die Verteidigung beruft sich darauf, dass in der Pandemie innerhalb von kurzer Zeit Testzentren aus dem Boden gestampft werden mussten. Diese seien regelrecht überrannt worden. Zwar seien seinem Mandanten die verschiedenen Testarten bekannt gewesen, es sei ihm aber zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst gewesen, dass es sich bei seinem Vorgehen um „erhebliches Unrecht“ handelt. Sein Mandant sei nicht vorbestraft, er habe im Verfahren zur Aufklärung beitragen und der Wirtschaftsschaden sei gering.

Richterin verhängt Bewährungsstrafe

Richterin Heike Jakob verurteilt den 42-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Auch zwei Strafbefehle flossen in die Gesamtstrafe ein. Sie wird zur Bewährung ausgesetzt, zudem wurde die Einziehung der Schadenssumme angeordnet. Für den Angeklagten spreche unter anderem, dass er bei der Aufklärung mitgewirkt habe. „Sie waren geschult, hatten die Geräte und haben Tests vorgenommen – wenn auch nicht die, die Sie abgerechnet haben.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass der 42-Jährige erneut straffällig werde, wertet sie als gering. Sie rechne damit, dass ihm der Prozess Warnung genug war. Nun müsse er sich bewähren.