Nicole Burkhart

Die Motorrad-Saison hat begonnen. Seit wann sind Sie leidenschaftlicher Motorradfahrer?

Das hat schon sehr früh begonnen. Unser Vater fuhr Motorrad und reparierte seine Maschine auch immer daheim in der Garage. So sind mein Bruder und ich auch mit der Maschine in Kontakt gekommen. Mit 15 hatte ich mein erstes Mofa, mit 16 dann das Moped. Da war eigentlich klar, dass ein Motorrad folgt. Auto- und Motorradführerschein, das war ein Ziel, auf das es sich zu sparen lohnte.

In dem Fall fahren Sie inzwischen seit 45 Jahren Motorrad?

Ja genau, mit 18 ging es los. Wir haben auch direkt eine Tour nach Südfrankreich gemacht, die bis heute unvergessen ist. Alles in allem bin ich in dieser ganzen Zeit sicher zwischen 200 000 und 250 000 Kilometer gefahren. Nur als junger Familienvater habe ich mal etwas Pause gemacht, da hatte ich eine andere Verantwortung zu tragen.

Gab es in all den Jahren denn keine gefährlichen Momente?

Oh doch, mehr als einmal. Zum Beispiel auf der Heimreise aus unserem Kroatien-Urlaub. Es begann zu regnen, wir mussten aber heim. In Österreich in einer Serpentine entstand Schwemmsand. Mir hat es direkt in der Kurve das Vorderrad weggezogen. Das Motorrad fiel auf die Leitplanke, ich war 20 Minuten eingeklemmt, mit meinem Fuß am heißen Auspuff. Oder gleich zu Beginn, mit 18 Jahren, hat mich ein Auto absichtlich abgedrängt. Es ist zum Glück nichts Schlimmeres passiert, aber dieser Vorfall hat mich sehr geprägt.

Denkt man in solchen Momenten nicht ans Aufhören?

Nein. Es steckt einfach in einem (lacht). Es ist wie bei anderen Sportarten auch. Wenn man einen Unfall mit dem Fahrrad oder auf Inlinern hatte, hört man auch in den seltensten Fällen damit auf. Es ist mehr als ein Hobby, es ist eine Leidenschaft, ein Lebensgefühl. Trotzdem kann man jedes Mal, wenn man auf das Motorrad steigt, froh sein, wenn man heil daheim wieder ankommt. Heute sogar noch mehr als früher

Was hat sich Ihrer Meinung nach verändert?

Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der Motorradfahren gefühlt noch nicht so gefährlich war. Der Chirurg, der mich nach meinem Unfall behandelte, erklärte mir, dass er in der Motorradsaison am besten im Krankenhaus übernachten würde. Sobald Wochenende ist und schönes Wetter herrscht, ist für die Biker Hochsaison. Und das spürt auch er in der Klinik. Ich weiß, dass wir Motorradfahrer nicht den allerbesten Ruf haben. Wir gelten als laut, schnell, tauchen aus dem Nichts auf und überholen ständig. Ich erlebe es aber leider auch häufig, dass wir Motorradfahrer nicht richtig eingeschätzt werden. Die Risiken steigen, weil die Rücksichtslosigkeit mehr zugenommen hat.

Dann sind also die Autofahrer "die Bösen"?

Nein ganz und gar nicht. Nicht alle Autofahrer sind schlecht und nicht alle Motorradfahrer verrückt. Ich wünsche mir einfach, dass mehr Rücksicht genommen wird und möchte zum Nachdenken anregen. Dass man in der Situation Auto – Motorrad umsichtig und vorsichtig handelt und zum Beispiel nicht noch extra vor das Motorrad in den Kreisverkehr hineinfährt. Auch in den Fahrschulen sollte man vermehrt auf diese Situationen hinweisen. Ein anderes Auto kann man oft besser einschätzen, Situationen mit Motorrädern sind häufig gefährlicher. Denn der Motorradfahrer zieht in solch einem Moment immer den Kürzeren. Regelmäßige Fahrtrainings können hierbei enorm helfen mit unvorhergesehenen Situationen besser umzugehen.

Sie selbst sind ja nicht nur Motorradfahrer, sondern auch Autofahrer. Wie verhalten Sie sich da?

Rücksicht und Vorsicht sind dabei ganz wichtig. Wenn ich ein Motorrad sehe, bin ich besonders achtsam. Ich denke da auch oder besonders an die "jungen Wilden". So ein Motorrad hat zudem eine schnelle Beschleunigungskraft. Ich respektiere die Motorradfahrer als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer und wünsche mir, dass mehr Leute so denken. Oft entstehen gefährliche Situationen nicht mit Absicht, aber durch Nachlässigkeit. Letztes Jahr waren meine Frau und ich rund 4000 Kilometer in Amerika unterwegs und es gab dabei nicht eine einzige brenzlige Situation.

Was war dort anders als hier?

Ich habe es dort ein gänzlich anderes Motorradfahren erlebt als hier in Deutschland. Klar hat man auf den Touren mehr Platz auf der Straße, aber selbst in den Großstädten wurden wir mehr beachtet und geschätzt. Sobald ein Autofahrer ein Motorrad sieht, signalisiert er, dass es vorbeifahren darf. Hier erlebe ich leider häufig das Gegenteil.

Wo waren Sie in Amerika unterwegs?

Wir haben uns den Traum eines jeden Bikers erfüllt und sind einen Teil der Route 66 von Chicago bis Los Angeles gefahren. Schon ein kleines Stück darauf ist ein Abenteuer. Man kann stundenlang fahren, ohne jemandem zu begegnen. Das weite Land, die alten Pit-Stopps, der ganze Flair vom "alten" Amerika – es ist einfach etwas sehr Besonderes.

Was hat Sie dabei am meisten beeindruckt?

Ich war das erste Mal in den USA und hatte eine ganz andere Vorstellung davon. Vor allem die Freundlichkeit der Leute dort hat mich sehr überrascht und eben auch die Rücksichtnahme im Verkehr. Das kannte ich so nicht. Aber natürlich auch die herrliche Landschaft und die vielen neuen Eindrücke. Wir sind wirklich ganz anders zurückgekehrt nach dieser Reise.

Gibt es schon ein nächstes Ziel, einen neuen Traum?

So einen Traum erfüllt man sich eigentlich nur einmal im Leben. Aber wenn, dann würde ich gerne noch einmal nach Amerika, die "Old Western Tour" von Los Angeles über San Francisco und an der Küste entlangfahren.

Was ist Ihre liebste Tour hier in der Gegend?

Wir fahren wahnsinnig gerne ins Allgäu. Dort ist weniger Verkehr, es ist ein ruhigeres Fahren möglich.

Wir – das heißt, auch Ihre Frau ist leidenschaftliche Motorradfahrerin?

Sie ist leidenschaftliche Beifahrerin (lacht). Seit unserer Jugend teilen wir diese Leidenschaft als Hobby.

Was macht das Motorradfahren denn so besonders?

Motorradfahren ist einfach ein toller Ausgleich. Ich kann mir den Wind um die Nase wehen lassen, kann sportlich oder gemütlich fahren und die Freiheit genießen. Es ist ein herrliches Gefühl der Ungezwungenheit. Beim gemütlichen Fahren kann ich die Landschaft intensiv aufnehmen. Motorradfahren ist nicht nur eine Fortbewegungsart, sondern Leidenschaft und Enthusiasmus.

Haben Sie ein Lieblingsmotorrad?

Aktuell ist meine Harley mein Traummotorrad. Das ist keine Rennmaschine, sondern eine Tourenmaschine. Wir rasen nicht, wir genießen. Die Art des Motorrads zeigt an, wie man unterwegs ist. Vielleicht liegt es ja aber auch am Alter (lacht). Auch mit meiner BMW fahre ich noch gerne. Und dann besitze ich noch einen Café-Racer, ein in zwei Jahren selbst zusammengebautes Zweirad aus Einzelteilen verschiedenster Marken. Das ist quasi mein Showfahrzeug, ein absolutes Einzelstück und dennoch voll straßentauglich und TÜV-geprüft.

Was wünschen Sie sich für die Motorradsaison 2019?

Ich wünsche mir mehr Rücksichtnahme, ein Umdenken und Mitdenken. Für beide Seiten ist ein gutes Miteinander schöner als ein (unbewusstes) Gegeneinander. Jeder Verkehrsteilnehmer sollte nach seiner Fahrt, egal ob mit dem Motorrad oder dem Auto oder sonst einem Verkehrsmittel wieder sicher und gesund zurückkehren.