Er soll den Plan entwerfen, wie die Markdorfer Innenstadt in den kommenden drei Jahren noch attraktiver werden kann – mit Hilfe von 1,5 Millionen Euro aus Berlin: Reiner App, großgewachsen, wache Augen, markanter Hut, steht an der Ecke Ulrichstraße/Winzergasse vor dem „frisör im hinterhof“ von Richard Gratwohl und weist begeistert auf die bunte Osterdekoration. „Das ist doch eine ganz besonders schöne Ecke“, sagt er. Ein Beispiel für gelungenes bürgerschaftliches Engagement zur Verschönerung des Stadtbildes.

„Das ist doch eine ganz besonders schöne Ecke“, sagt Reiner App über den Bereich rund um den „frisör im ...
„Das ist doch eine ganz besonders schöne Ecke“, sagt Reiner App über den Bereich rund um den „frisör im hinterhof“ in der Ulrichstraße. Ein solches Engagement zur Verschönerung der Stadt wünscht er sich von den Markdorfern. | Bild: Grupp, Helmar

App ist Geschäftsführer des Reutlinger Beratungsbüros Pragma Institut. Die Stadt hat ihn engagiert, um für das Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ (ZIZ) Lösungen zu finden, wie sich die Innenstadt aufwerten lässt und wie sie so künftig noch deutlich mehr Menschen anziehen kann.

Die Aufgabe ist nicht einfach, 1,5 Millionen Euro hin oder her. Denn nur 30 Prozent der Bundesförderung dürfen für bauliche Maßnahmen aufgewendet werden. Die sind aber schon verplant, mit der Erneuerung des Pflasters in der Altstadt. Gebaut oder baulich saniert werden kann von dem Geld also nichts.

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Es müssen also andere Lösungen her. Diese hat sich App schon ausgedacht. Und dabei setzt er nicht auf renovierte Fassaden, neue Plätze, Brunnen, Cafés oder Gastronomien. Er setzt auf die Menschen selbst, genauer: auf die Markdorfer. Die sollen ihre Innenstadt selbst mit Leben erfüllen, sich engagieren, um ihre Stadt attraktiv für Besucher zu machen. Wie das gehen soll? Workshops und neue Veranstaltungsformate, sagt App.

Theaterfestival soll Familien in die Stadt locken

Fest eingeplant sei etwa schon ein Kindertheaterfestival. Das fördere familienfreundliche Angebote in Handel und Gastronomie und locke so die Familien in die Stadt. Auch ein weiteres Motto-Festival hat er im Blick, will aber Genaueres noch nicht verraten, solange es nicht in den entscheidenden Gremien vorgestellt ist. Es habe aber mit dem „Markenkern“ von Markdorf zu tun. Was macht Markdorf stark? Die historische Bausubstanz und die „wunderbare Landschaft“, sagt App: „Der spitzige Kirchturm und dahinter der See und das Alpenpanorama, das ist Lebensqualität.“ Diese Verbindung des Historischen mit der Landschaft müsse man in Markdorf „inszenieren“, um im Wettbewerb der Städte erfolgreich zu sein.

Noch ein wenig kahl und häufig auch nicht so gut frequentiert, wie Händler und Gastronomen es sich wünschen würden: Die Altstadt rund um ...
Noch ein wenig kahl und häufig auch nicht so gut frequentiert, wie Händler und Gastronomen es sich wünschen würden: Die Altstadt rund um die Marktstraße. | Bild: Grupp, Helmar

Bürger sollen die Ideen einbringen

„Wir brauchen Ideen, an denen wir arbeiten können.“ Dies sei das Ausgangsmotiv. Denn: „Das Programm setzt voraus, dass es gelingt, Menschen zu aktivieren“, sagt App. Das ZIZ-Programm alleine könne nicht eine Stadt beleben und dies sei auch nicht das Ziel, das die Bundesregierung verfolge, um Innenstädte wieder aus der Corona-Starre zu befreien. Stattdessen solle das Programm eine Hilfe zur Selbsthilfe sein. Übertragen gesprochen: Die Gelder geben den Anstoß und bereiten den Weg. Was daraus letzten Endes gemacht wird, entscheiden und verantworten die Bürger selbst.

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Die sollen, geht es nach dem Berater, in den kommenden Wochen und Monaten intensiv von der Stadtverwaltung mitgenommen werden. Da ist also das Rathaus gefordert. Bürgerworkshops, Diskussionsrunden und, ganz wichtig, feste Initiativen, die sich dann daraus bilden und Ideen und Aktionen entwickeln. Darauf komme es nun an.

Das Bekleidungshaus Kappeler schließt, das Inhaber-Ehepaar Dietmar und Lisa Bitzenhofer kümmert sich selbst um eine passende Nachfolge. ...
Das Bekleidungshaus Kappeler schließt, das Inhaber-Ehepaar Dietmar und Lisa Bitzenhofer kümmert sich selbst um eine passende Nachfolge. Diese Aufgabe des Nachfolge-Managements müsse die Stadt künftig beim Verein Markdorf Marketing ansiedeln, sagt App. | Bild: Grupp, Helmar

App hofft auf das Bischofschloss

Flankiert werden soll das Ganze auch durch Wiederbelebung: Er setze große Hoffnungen auf die nun anstehenden Ausschreibungen fürs Bischofschloss und für das Postareal, sagt App. Dass diese zentralen Orte mit Leben erfüllt werden, sei elementar. Dort könne man dann zum Beispiel auch feste, regelmäßige Workshops für die Bürger anbieten. Auch das belebe dann die Innenstadt nachhaltig. Die könnte dann eine Art „Innovation Hub“ werden. Auf Deutsch: Eine Art Labor für Innovationen. So wiederum könne es gelingen, Gruppen in die Innenstadt zu bekommen, die noch nicht dort sind: junge Menschen, Unternehmer, Kreative, Künstler. Die zusammengeführt seien die Mixtur für eine künftige Belebung der Stadt.

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Die Zukunft soll dann idealerweise so sein, wie die Vergangenheit, die es nicht mehr gibt. „Früher waren die Innenstädte Orte der Begegnungen“, sagt App. Menschen hätten dort gewohnt, gelebt und gearbeitet. Dies sei heute nicht mehr so. Gearbeitet werde in Gewerbegebieten, eingekauft in den Großmärkten in der Peripherie und gewohnt in den Neubaugebieten an den Stadträndern. Zurück blieben der Einzelhandel und die Gastronomien, die nun dringend wieder gestärkt werden müssten.

Apps Erfahrung als Berater: „Die Innenstadt-Krise gibt es überall.“ Überwinden könnten sie nur die Bürger selbst, mit ihrem Engagement und ihrer Identifikation. Anfang Mai sei eine erste große Bürgerversammlung geplant. Dort sollen die ersten Schritte auf der langen Reise zu einer attraktiveren Innenstadt begangen werden.