Guildo, herzlichen Glückwunsch zur deutschen Meisterschaft.

Guildo Horn: Vielen Dank. Ja, ich bekenne: Ich bin Bayern-München-Fan.

Schlägt Ihr Herz schon immer für den
FC Bayern?

Horn: Ja, das fing schon in jungen Jahren an. Nach der sehr durchwachsenen Saison im vergangenen Jahr habe ich beschlossen, mich zu outen.

Ist es einfacher, einen Verein zu lieben, wenn der auch mal verliert?

Horn: Na ja, einfacher ist es, wenn deine Mannschaft immer gewinnt. Aber so eine kleine Krise macht dich irgendwie sympathischer. Wenn du deine Ansprüche so hochschraubst wie die Bayern, wirkt ja alles unterhalb der souveränen Meisterschaft wie ein Scheitern.

Wie hoch sind denn Ihre Ansprüche an ein Guildo-Horn-Konzert?

Horn: Mein Anspruch ist es, dass die Menschen mit einem Lächeln nach Hause gehen. Das gilt auch für mich selbst. Ich will jeden Moment genießen, mit meiner Band Freude haben und Freude im Publikum verbreiten. Heutzutage kommt ja jeder mit einer gewissen Anspannung des Alltags ins Konzert. Die Aufgabe der Orthopädischen Strümpfe ist es, den Leuten das Gemüt zu massieren, sie locker zu machen. Damit sie auch morgen wieder kraftvoll zubeißen können, wie es früher in der Werbung für dritte Zähne hieß. (lacht)

Sie selbst sind 62, scheinen aber mit den Unannehmlichkeiten des Alters noch nicht viel am Hut zu haben.

Horn: Ich mache mir im Optimalfall wenig Gedanken darum, wie alt oder wie vergänglich ich bin. Mein Leben ist im Alltag so prallgefüllt mit der Familie und meinem Beruf, die ich – so wie alle anderen auch – so gut es geht zu verbinden versuche, dass ich schlicht keine Zeit habe, mich auch noch mit meinem Alter zu befassen.

Sport machen Sie aber schon, oder?

Horn: Ja. Ich bin in einem Fitnessclub, wo ich nach Möglichkeit zweimal die Woche hingehe. Ansonsten fahre ich gern Mountainbike und lebe auf einem alten Bauernhof, wo es immer was zu tun gibt. Und natürlich ist auch mein Beruf sehr körperlich, was ich liebe. Im Urlaub vermisse ich eher das körperliche Auspowern als die Musik.

Sie leben mit Ihrer Frau und den zwei
Töchtern in Much im Rhein-Sieg-Kreis, also fernab der Metropolen.

Horn: Die Stadt ist nichts für mich. Ich komme ja gebürtig aus Trier und bin 1997 aus beruflichen Gründen nach Köln gezogen. Klar, man ist dort am Puls der Zeit, aber nach zwei Jahren musste ich da raus. Ich brauche den Horizont, ich brauche Ruhe, ich mag keine Straßengeräusche. Bei uns im Dorf leben 150 Leute. Im Optimalfall höre ich den Wind rascheln, die Vögel zwitschern und die Füchse bellen. Und wenn es sein muss, sind wir in etwas mehr als einer halben Stunde in Köln.

Sie berichten in Ihrem Hörbuch „Die
Guildomacher“, wie Sie 1998 vom ESC aus Birmingham heimgekommen sind und eine CD von einer Behindertenband der Lebenshilfe Nordhorn in der Post
gefunden haben. Das hat Sie mehr
gefreut als Platz sieben beim ESC, oder?

Horn: In Birmingham ging es mir nicht ums Gewinnen, sondern um den Spaß, trotz all dem Stress. Diese Tabuwta-CD hat mich damals daran erinnert, was ich in dem ganzen Trubel um mich schmerzlich vermisst habe. Nach vielen wundervollen Jahren Arbeit als Musiklehrer bei der Lebenshilfe Trier musste ich 1996 leider dort aufhören, weil der Guildo in mir so viel Zeit benötigte. Ich weiß noch heute, wie ich mich damals gefühlt habe, als ich die CD angehört habe. Ich habe jedenfalls sofort zum Telefon gegriffen und die Musikanten angerufen. Das alte Fieber hatte mich wieder gepackt.

Was ist das Besondere im Umgang mit behinderten Menschen?

Horn: Menschen, die komplett unkonventionell durchs Leben gehen, machen etwas mit mir. Diese unendliche Leichtigkeit des Seins lockt mich an! Vielleicht, weil sie nicht den Intellekt haben, um sich permanent zu reflektieren und zu hinterfragen. Aber gerade weil sie so direkt und so unverstellt sind, inspirieren mich diese Menschen bis heute und haben mich zu dem gemacht, der ich bin. Deshalb heißen sie in meinem Buch „Die Guildomacher“.

Auch musikalisch haben Ihre behinderten Freunde Sie positiv beeinflusst.

Horn: Ich war ja Schlagzeuger damals und wollte immer ganze sauber klingende Musik machen. So wie die amerikanischen Studiomusiker. Und dann musizierst du zum ersten Mal mit geistig Behinderten und merkst, dass das zwar nicht unbedingt groovt, aber viel mehr Herz hat als dein eigenes Zeug.

Es ist 27 Jahre her, dass Sie beim ESC Siebter wurden. Sie haben sich seitdem äußerlich kaum verändert.

Horn: Das liegt daran, dass man mich so mit zwei, drei Strichen zeichnen kann. (lacht) Die Haare und das Gesicht sind ziemlich markant.

Interessiert Sie der ESC heute noch?

Horn: Wenn ich ehrlich bin: nein. 2023 habe ich die Show mit meiner 13-jährigen Tochter geguckt. Fand ich ganz gut. Letztes Jahr aber hat sie mir überhaupt nicht gefallen. Ich habe gedacht, ich bin wohl doch zu alt dafür, das waren mir zu viele Effekte, zu viel Krach.

Was denken Sie über den deutschen
Beitrag von Abor & Tynna?

Horn: Die beiden finde ich klasse, die kommen überzeugend und sympathisch rüber. Ich stehe allerdings eher auf handgemachte Lieder, von daher ist der Song „Baller“ nicht so meins. Aber ich drücke den beiden die Daumen und wünsche ihnen, dass sie sich von dem Druck nicht beeindrucken lassen und aus der Zeit das Schöne mitnehmen.

Interview: Steffen Rüth