Nach der langen Trockenzeit entspannt sich der Bodenseepegel allmählich, sodass die Segelboote endlich ins Wasser gelassen werden können. Die „Seglerinnen“, ein Netzwerk segelnder Frauen, möchten die Segel setzen und mit voller Kraft voraus in die neue Saison starten. Im Zentrum ihres Netzwerks steht die gemeinsame Leidenschaft fürs Segeln – und der Wunsch, diese unter Frauen zu leben und zu fördern.
„Segeln ist nach wie vor eine Männerdomäne, vor allem im Hobbybereich“, sagt Petra Weber, Vorstandsmitglied der Seglerinnen. Sabine Witte fand bei den Seglerinnen genau das, was sie gesucht hatte: „Die Einstiegshürden sind niedriger, und genau das macht unser Netzwerk so wertvoll.“ Auch Michaela Brachat-Thum ist Teil des Netzwerks und erzählt: „Ich wollte schon lange auf einem größeren Boot segeln als meiner kleinen Jolle. Aber mit Männern hätte ich mir das nicht zugetraut.“ Durch den Austausch unter Frauen habe sie Mut gefasst.
Gerade für Frauen ohne eigenes Boot oder Vereinsanschluss ist der Weg in den Segelsport oft schwierig. „Wir bieten selbst zwar keine Segelkurse an, unterstützen aber alle, die ins Segeln einsteigen möchten“, erklärt Weber. Jede segelbegeisterte Frau könne sich melden und mitmachen. Petra Weber selbst fand ihre Liebe zum Segeln erst vor einigen Jahren. Damals habe sie sich auf der Suche nach einem Urlaub für Alleinreisende für eine Segelreise entschieden und bekommt seither gar nicht mehr genug davon. Inzwischen segelt Weber fast ausschließlich mit Frauen – und das ganz bewusst. Was daran anders ist? „Es ist einfach eine andere Art des Miteinanders – respektvoller, offener“, sagt sie.
Männer am Steuer
Ein Blick auf die Regattalisten auf einer Internetseite offenbart noch immer das Ungleichgewicht: Steuerfrauen wie Petra Weber erscheinen oft noch in der Rubrik „Steuermann“. In vielen Segelmannschaften haben die Männer weiterhin das letzte Wort. Die Ironie dahinter: „Gerade die körperlich anstrengende Arbeit einer Segelcrew ist nicht am Steuer“, erklärt sie. Doch viele Männer würden den Frauen die Verantwortung am Steuer absprechen. Da brauche es viel Selbstvertrauen, um diesen Platz einzunehmen. „Männer können oft nicht zulassen, dass man es auch anders machen kann“, erzählt Weber aus ihrer Erfahrung.
Besonders groß ist die Kluft zwischen den Geschlechtern in Ländern wie Italien, wo traditionelle Rollenbilder den Zugang für Frauen noch stärker erschweren. Deshalb gründeten die Seglerinnen gemeinsam mit Partnerorganisationen aus Italien und Frankreich das Projekt „SeaSters“. Gefördert durch das EU-Programm Erasmus mit 60.000 Euro läuft das Projekt über knapp zwei Jahre. Ziel ist es, kulturelle, soziale und wirtschaftliche Barrieren zu überwinden und neue inklusive Räume zu schaffen.
SeaSters will dabei nicht nur das Bewusstsein für Gleichstellung im Segelsport schärfen, sondern Frauen auch konkret unterstützen: etwa durch Erfahrungsaustausch und Vernetzung in ganz Europa. Geplant sind in diesem Jahr vier internationale Veranstaltungen – in Rom, Marseille und im Juli in Überlingen. Dort lernen 20 Frauen aus verschiedenen Ländern bei einer Segel-Rallye Manöver, Technik und Teamarbeit auf dem Bodensee.
Neben ihrem Engagement, sich für andere Frauen einzusetzen, haben die drei Seglerinnen der Regionalgruppe Bodensee dieses Jahr ein weiteres Ziel: Im Juli treten sie beim Helga Cup in Hamburg an – eine reine Frauenregatta. In drei Tagen stehen bis zu fünfzehn Wettfahrten auf dem Programm. Und sie wissen: Mit jedem gesetzten Segel wächst die Gemeinschaft – und mit ihr die Freude und das Selbstvertrauen, als Frauen den Kurs selbst zu bestimmen.