Seine Handschrift begegnet einem in Überlingen längst auf Schritt und Tritt. In leuchtenden Farben, einprägsamen Bildern und oft mit einem sympathischen Augenzwinkern, wie bei den fleißigen Waschfrauen und der Haiflosse an Einrichtungen des Stadtwerks am Burgberg. Wie es sich für einen ordentlichen Sprayer gehört, hat auch Graf von Itty überall seine Identität hinterlassen, sogar guten Gewissens in Form seiner Internetadresse.

Denn was illegale Sprayer zum Leidwesen mancher Menschen und Kommunen in Nacht-und-Nebel-Aktion an Zeichen und Farben hinterlassen, erledigt David Sorms unter seinem pfiffigen Pseudonym am helllichten Tag und als Auftragsarbeiten – meist mit der Unterstützung des einen oder anderen kompetenten Kollegen.
Hier, um große trostlose Betonflächen attraktiver zu machen, dort, um notwendigen Funktionsgebäuden ein Gesicht zu geben. Bisweilen auch, um den weniger beliebten Kollegen die Lust an unkontrollierten Taten zu nehmen. Wie mit der quicklebendigen Unterwasserwelt am Mehrfamilienhaus in der Mühlenstraße beim Bahnübergang, wo der Eigentümer damit schon vor neun Jahren illegalen Sprayern erfolgreich das Vergnügen raubte. Denn die Graffitikunst anderer zu malträtieren, ist in der Regel in der ganzen Szene tabu.
Teilweise sind es kleine Kunstwerke mit comicartigen Figuren nach eigenen Entwürfen, bei denen dem Graffity-Grafen vom Auftraggeber freie Hand gelassen wird. "Doch wir sprechen die Motive stets ab", betont David Sorms ausdrücklich. Oft sind es auch fotorealistische Darstellungen von gewünschten Motiven, die die Künstler bei größeren Formaten inzwischen per Beamer auf die Fläche projizieren, um ihnen dann mit ihren Spraydosen den richtigen Glanz zu verleihen. Wie bei der jüngsten Auftragsarbeit, die Graf von Itty für die Überlinger Firma Pulsfog zum 50. Jubiläum der Firma an das Betriebsgebäude in der Weierhalde zauberte: Einen großen Jeep an Palmen, der seine Umgebung unter Nebel setzt.

"Wir haben gemeinsam Bilder durchforstet und dann gemeinsam ein Motiv ausgewählt", sagt Sorms. Die Palmen werden frei Hand gesprüht, bei dem Fahrzeug hilft die Projektion auf die Wand, "dass die Proportionen stimmen und das Bild aus der Distanz auch realistisch wirkt". Ähnliche Dimension haben auch ein Zeppelin und der historische Schaufelraddampfer Hohentwiel, die ein Funktionsgebäude des Stadtwerks am See im Kuchelmannweg zieren und damit zugleich ein Werbeträger für den kommunalen Versorger sind. Ob digitale Visionen oder ein Gasverteiler, beim Stadtwerk gehören die Graffiti des Überlingers inzwischen schon zum Markenzeichen.

Einige Aufträge hat Graf von Itty auch in der Landeshauptstadt schon ausgeführt, als er längere Zeit in Stuttgart lebte. Doch dort ist die Konkurrenz groß. "Es gibt mehrere hauptberufliche Graffiti-Sprayer, die von ihren Aufträgen leben", sagt Sorms. Begonnen hatte die "Karriere" von David Sorms, der hauptberuflich in der Verwaltung der Ziegelei Ott in Deisendorf tätig ist und inzwischen eine Familie mit drei Kindern hat, als er vor zehn Jahren dem Protest der Bauern beim Milchstreik mit der Spraydose Ausdruck verlieh. "Auf dem Rengo hatte ich schon als Schüler eine Fläche, auf der ich üben konnte", erinnert er sich. Doch den ersten Auftrag bekam Sorms 2008 von der Firma Schappeler für einen Bauwagen. "Ich stand auf dem Kreisel und sprühte ein Plakat für den Milchstreik." Das schien dem Unternehmer zu gefallen und er beauftragte ihn. Es folgten der Getränkemarkt Allweyer und die Stadtwerke. "Da hat es dann richtig angefangen."
Plädoyer für legale Graffitiwand im Skatepark
- Die Idee ist nicht neu. David Sorms hatte schon vor vielen Jahren angeregt, an einem geeigneten Platz in der Stadt eine Möglichkeit zu schaffen, wo junge Sprayer ihrer Kreativität freien Lauf lassen könnten. Doch die Polizei hatte sich damals skeptisch gezeigt und dadurch eher ein Beflügeln auch illegaler Dosenkünstler befürchtet.
- "Wir wissen auch, dass es in der Stadt eine negative Stimmung gegen Graffiti gibt", erklärte Juan Diabuno vom Jugendreferat der Stadt vor Kurzem in seinem Bericht vor dem Ausschuss für Bildung und Kultur des Gemeinderats. "Doch Studien zeigen, dass illegale Graffiti weniger werden, wenn es eine legale Graffitiwand gibt." Deshalb gebe es Überlegungen, im Skatepark eine solche Wand einzurichten, sagte Diabuno. Diese Wand solle 2,40 Meter hoch werden und gut 20 Meter lang, am besten "so groß wie möglich, je größer desto besser". Darüber sei man unter anderem auch im Austausch mit "Graf von Itty". Über das Material habe man sich noch nicht verständigt. Sollte es konkretere Pläne geben, erklärte Abteilungsleiterin Adelheid Hug in dieser Sitzung, werde man dazu eine Beschlussvorlage zur Beratung erstellen. Eine Kosten-Nutzen-Analyse wünschte sich Oberbürgermeister Jan Zeitler bei diesem Vorhaben im Vorfeld.
- "In anderen Städten wie Konstanz oder Weingarten hat sich das sehr gut bewährt", sagt indessen der ungekrönte Überlinger Sprayerkönig David Sorms. In Konstanz wurde so die Bären-Unterführung an der alten Rheinbrücke aufgewertet, in Weingarten wurde das Projekt "Art Attack" am Charlottenplatz nach Angaben der Stadt sogar über das Projekt "Demokratie leben" finanziert.
- Es liefen derzeit noch Gespräche mit dem Jugendereferat, wie und wo eine solche Graffitiwand eingerichtet werden könnte. "Im Moment liegt es auch an mir, dass es noch nicht weiter gediehen ist", räumt Sorms offen ein. Aufgrund seines Vollzeitjobs und der fünfköpfigen Familie sei die Zeit stets knapp bemessen. Dennoch will er das Vorhaben gerne vorantreiben, sagt "Graf von Itty". Es muss ja nicht unbedingt Beton sein. "Eine Ziegelwand ist genauso geeignet", erklärt Sorms und eine Firma habe ihm schon signalisiert, das erforderliche Baumaterial zur Verfügung zu stellen.