Überlingen – Was für ein grandioses Konzert, das den vielen Besuchern am Sonntagabend in der Franziskanerkirche im Rahmen der Überlinger Musiktage geboten wurde, präsentierte sich das Kammerorchester der Städtischen Musikschule Überlingen doch in bestechender Form. Unter Leitung von Musikdirektor Ralf Ochs überzeugte das Ensemble mit Ausdrucksstärke, Dynamik und beeindruckender Virtuosität. Lang anhaltender Applaus, für den sich ein Gros der Gäste von ihren Sitzbänken erhob, war für die Aufführenden der schönste Dank für zeit- und nervenaufreibende Vorbereitungen, die mit diesem Konzert reiche musikalische Früchte trugen.

Nicht nur die Bläser der Musikschule und der Stadtkapelle prägen seit Langem die musikalische Landschaft Überlingens, sondern auch die Streicher der städtischen Musikschule sind unzweifelhaft im Aufschwung. Dieser Fortschritt war in jedem Moment des Konzerts spür- und hörbar. Von tiefen Registern bis zu höchsten Tönen musizierten die Aufführenden harmonisch und mit großer Präzision. Besonders hervorzuheben sind die Solisten Anna Miskutenok, Anvar Turdyev und Frank Westphal, deren technische Brillanz und emotionale Tiefe das Publikum begeisterten.

Ralf Ochs schwang nicht nur den Taktstock, sondern informierte auch über die Komponisten und deren Werke. Im Namen aller Musikliebhaber dankte er Kulturreferent Michael Brunner, dessen Engagement und Leidenschaft es möglich gemacht hätten, dass die Musiktage in neuem Glanz erstrahlten. „Mit deinem Einsatz und deiner Vision hast du nicht nur ein Stück Tradition zurückgebracht, sondern auch unserer Stadt einen kulturellen Höhepunkt geschenkt, der Menschen verbindet und inspiriert“, sagte Ochs. Die Musiktage seien mittels Brunner „wieder zu einem lebendigen Teil unserer Gemeinschaft geworden“.

Hatte das Kammerorchester Anfang Oktober im Kursaal ein Solistenkonzert geboten, gab es nun mit bekannten Werken der Barockmusik ein völlig anderes Programm. Mit 15 Variationen über die Sarabande „Aria della Folia“ des italienischen Violinisten und Komponisten Arcangelo Corelli (1653 bis 1713) startete der Konzertabend. „Im langsamen Dreiertakt erklingt der Rhythmus einer Sarabande. In dieser Zeit gewinnt das Harmonieschema, also die Basslinie, eine größere Bedeutung als die Melodie“, machte Ochs die Merkmale der typischen Folliamelodie deutlich.

Das Stück „L‘ Estro Armonico“ (Die harmonische Eingebung), das dem Konzert seinen Namen gab, ist der Titel eines Zyklus von zwölf Konzerten für Violinen und Streichorchester, den Antonio Vivaldi (1678 bis 1741) im Jahr 1711 als sein Opus 3 veröffentlichte. Das Orchester präsentierte mit dem „Concert für zwei Violinen, op. 3 Nr. 11“ das bekannteste Konzert des Zyklus. Der erste Satz begann mit zwei Soloviolinen, die sich gegenseitig mit der leeren D-Saite begleiteten; es folgte ein virtuoses Cellosolo, das vom ganzen Orchester mit wuchtigen Akkorden beantwortet wurde, um dann in eine vierstimmige Fuge mit ausgedehnten Solopartien überzugehen, wie Ochs erläuterte. Der zweite Satz, ein Siciliano, war charakterisiert durch ein begleitetes Solo der Ersten Violine, während im Schlusssatz dann wieder das Trio in den Solopassagen einsetzte.

Mit dem dreiteilig angelegten Adagio in g-Moll für Streichorchester und Orgel von Tomaso Albinoni (1671 bis 1751) folgte eines der populärsten Werke der Barockmusik, ja vielleicht einer der bekanntesten Melodien. Das machte auch Ralf Ochs klar: „Vielleicht kennen einige den Titel nicht, aber nach den ersten 16  Takten bin ich mir sicher, hat jeder hier diese Musik schon einmal gehört.“ Allerdings ist das berühmte Werk in seiner heutigen romantisierenden Fassung wesentlich von einer modernen Neubearbeitung durch Remo Giazotto von 1958 geprägt, wie dem Flyer der Musiktage zu entnehmen war.

Den Abschluss bildete das dritte Brandenburgische Konzert BWV 1048 von Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750), in dem drei Instrumentengruppen (Geigen, Bratschen, Celli) mit je dreifacher Besetzung gleichberechtigt in nur zwei Sätzen aufspielten. Nach dem ersten Satz leiteten lediglich zwei schlichte Adagio-Akkorde zum Finale über. Ochs: „Dieses Allegro im 12/8-Takt ist ein einziger Rausch aus Sechzehntel-Läufen und Achteldreiklängen, in denen Bach ein Thema aus seiner Orgelpastorale BWV 590 in pure streicherische Virtuosität verwandelte.“

Mit diesem Konzert haben die Aufführenden dem Publikum fraglos ein nicht alltägliches Geschenk auf den vorweihnachtlichen Gabentisch gelegt. Ein Konzert, das in Erinnerung bleibt und die musikalische Qualität dieser Stadt wieder einmal unterstrich. Davon zeugte ein nicht enden wollender Applaus. „Was für eine schöne Stunde“, urteilte dann auch Annette Stoll-Zeitler mit Dank in Richtung Ralf Ochs.