Manfred Dinort

Angespannte Erwartung herrschte auch beim zweiten Vortrag zur nationalsozialistischen Vergangenheit der Städte Waldshut und Tiengen, der im voll besetzten Schwurgerichtssaal des Landgerichts Waldshut stattfand, ein Ort, der in der Zeit von 1942 bis 1945 zum „Tatort“ wurde. Diesmal ging es um den damaligen Landgerichtspräsidenten Oskar Schmoll, der als berüchtigter „Blutrichter von Baden“ mit den Mitteln der Justiz und rücksichtsloser Härte die Nazi-Ideologie durchsetzte.

Referent war Wolf-Ingo Seidelmann, Volkswirt und Historiker aus dem fränkischen Coburg, dem es auch wesentlich um „die Zeit danach“ ging, um die Langlebigkeit rechtsextremer Weltbilder über 1945 hinaus darzustellen. Seidelmann ist auch einer der Autoren der Buchreihe „Täter Helfer Trittbrettfahrer“. Herausgeber Wolfgang Proske erklärte: „Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, NS-Belastete aus der Region vorzustellen.“

In einem Einführungsvortrag schilderte Stadtarchivar Ingo Donnhauser die damalige Zeit: Im Unterschied zu Tiengen gelang es der NSDAP lange Zeit nicht, in Waldshut Fuß zu fassen. Die wirklich führenden Kräfte kamen von außerhalb. Erst ab 1933 kam es in Waldshut zu einem Aufschwung der Nazi-Partei, der Druck auf Juden und Regimegegner wurde nun auch hier immer größer.

Die NS-Funktionäre suchten auch die Schweiz mit ins Boot zu nehmen, indem sie die gemeinsame alemannische Vergangenheit betonten und die Heimat- und Sportfeste für ihre Propagandazwecke missbrauchten. Anders als in Tiengen, hinterließ diese Zeit in der Stadtentwicklung keine nennenswerten Spuren, abgesehen von der Umbenennung der Straßennamen und der Erschließung der Schmittenau.

Eine zunehmende Rolle, so Referent Seidelmann, spielte die Justiz. Sie wurde unter der NS-Herrschaft zum Werkzeug der Unterdrückung und Vernichtung politischer Gegner. Diesen Stil repräsentierte auch Oskar Schmoll, der es in seiner Laufbahn auf vier Todesurteile brachte und der im April 1942 zum Landgerichtspräsidenten und zum Vorsitzenden des Sondergerichts Waldshut ernannt wurde. In dieser Zeit führte er den Vorsitz bei Dutzenden von Strafverfahren, in denen die Angeklagten meist wegen staatsfeindlicher Äußerungen und Abhören von Auslandssendern mit drakonischen Strafen belegt wurden.

So erhielt die 70-jährige Elsa Escher 1944 eine Haftstrafe von 15 Monaten, weil sie die Niederlage Deutschlands prophezeit hatte. Wegen Wehrkraftzersetzung wurde Otto Blüny zu 18 Monaten Zuchthaus verurteilt, weil er einem russischen Kriegsgefangenen ein Glas Bier überlassen hatte und dabei den Endsieg anzweifelte. Zum spektakulärsten Fall wurde der Prozess gegen den Waldshuter Metzgermeister Eugen Mülhaupt, der angeklagt wurde, der deutschen Kriegswirtschaft 35 Tonnen Fleisch entzogen zu haben. Er wurde von Schmoll zum Tode verurteilt und am 25. Juli in Bruchsal von Scharfrichter Johann Reichhart hingerichtet.

 

Zur Person

Oskar Schmoll wurde 1894 in Karlsruhe geboren. Er war verheiratet und hatte vier Kinder. Nach dem Abitur studierte er in Heidelberg Jura. Nach der Staatsprüfung trat er in den badischen Justizdienst. Er war Staatsanwalt in Konstanz und Richter in Donaueschingen. 1931 trat er der NSDAP bei und gewann zunehmend an Macht und Einfluss. Er war Staatsanwalt in Freiburg und leitete das Rechtsamt innerhalb der NSDAP-Kreisleitung. Ab 1938 war er Landgerichtsdirektor in Mannheim, bevor er 1942 nach Waldshut versetzt wurde. Nach Kriegsende wurde sein Fall in einer Reihe von Verhandlungen aufgearbeitet. Aber erst 1950 kam es zu einem definitiven Schuldspruch, der zum Verlust seiner Pensionsansprüche und dem Verbleib im Justizdienst führte. 1969 wird sein Tod im Karlsruher Sterberegister vermerkt. Das Stadtarchiv Karlsruhe weist jedoch darauf hin, dass auch ein Irrtum vorliegen könnte, denn es fehle die Sterbeurkunde.