Seit 1994 gibt es in Konstanz ein närrisches Tribunal. Mehr als 1000 Zuschauer verfolgen seither auf dem Obermarkt, wie ein in Stadt oder sogar Land bekannter Angeklagter abgeurteilt wird. Das ist eine Gaudi, hat aber auch historische Wurzeln. Nicht nur, weil der Obermarkt in Konstanz im Mittelalter tatsächlich der Richtplatz war. Hier gibt es noch weitere Fakten zum Tribunal und seinen Organisatoren.
Jakobinertribunal: Was steckt eigentlich hinter der Idee?
Die Jakobiner waren einer der radikalsten politischen Klubs bei der Französischen Revolution (1789-1794). Sie vertraten Positionen, die man heute als links einstufen würde, und forderten unter anderem die Abschaffung der Monarchie. Ihren Namen hatten sie von ihrem Versammlungsort, einem früheren Kloster in Paris. Jakob wurde für sie auch deshalb zur Leitfigur, weil der biblische Jakob nach der Überlieferung im Alten Testament seinem Bruder Esau die Macht abringen konnte. Das „Liberté, Egalité, Fraternité“ (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) der Revolution haben die Jakobiner e.V. als Konstanzer Narrenvereinigung unter Anspielung auf eine bekannte Weinsorte in „Liberté, Fraternité, Boscholee“ ins Spöttische gekehrt.
Unter dem als Markenzeichen geschützten Namen „Jakobiner von 1970 – das Original aus Konstanz“ gibt es eine weitere Gruppe im Sinne dieser Tradition. Sie nimmt laut ihrer eigenen Internetseite am Butzenlauf, am Vorabend des Schmotzigen Dunschtig, teil, hat aber für den Schmotzigen Dunschtig selbst in der Stadt keine Termine geplant.
2012 stand die Zukunft des Tribunals ersthaft in Frage
Zu den wesentlichen Ideengebern und Akteuren für das Konstanzer Tribunal gehörten Anfang der 1990er-Jahre der damalige Schweizer Nationalrat Ernst Mühlemann und der spätere SÜDKURIER-Chefredakteur Werner Schwarzwälder, beide sind in der Zwischenzeit verstorben. Der Musiker Wolfgang Mettler und heutige Museumschef Tobias Engelsing (der unvergessliche Auftritte aus Überraschungszeuge hatte und unter anderem Papst Benedikt oder Edmund Stoiber imitierte) haben sich aus dem Tribunal in der Folge zurückgezogen. Heute ist Ekkehard Greis der Präsident des Vereins Jakobiner e.V. und übernimmt zugleich seit einigen Jahren die Rolle des Richters.

Wer von den Jakobinern angeklagt wird, hat kaum eine Chance
In 24 Verhandlungen gab es laut Jakobiner-Präsident Ekkehard Greis nur einen einzigen Freispruch – für den Fasnachter Helmut Faßnacht, dessen Abschied von der närrischen Bühne damit besonders gewürdigt wurde.
Seit 1994 waren angeklagt (jeweils in der damaligen Funktion):
- 1994 Bildhauer Peter Lenk
- 1995 Alt-Landrat Robert Maus
- 1996 Alt-Oberbürgermeister Horst Eickmeyer
- 1997 Oberbürgermeister Horst Frank
- 1998 Mainau-Chefin Sonja Bernadotte
- 1999 Fasnachter Helmut Faßnacht
- 2000 CDU-Politiker Hans-Peter Repnik
- 2001 Priester Emanuel Frey
- 2002 CDU-Landespolitiker Ulrich Müller
- 2003 Schriftstellerin Gaby Hauptmann
- 2004 das Einkaufzentrum Lago
- 2005 die beiden Bürgermeister Volker Fouquet und Horst Maas
- 2006 CDU-Landespolitiker Andreas Renner
- 2007 Museumschef Tobias Engelsing
- 2008 Philharmonie-Intendant Christian Lorenz
- 2009 Erzbischof Robert Zollitisch
- 2010 von der Mainau Björn und Bettina Bernadotte
- 2011 FDP-Landespolitiker Ulrich Goll
2012 gab es ein Gedenkjahr mit Tribunal-Pause.
- 2013 Architekt Johannes Kumm
- 2014 SÜDKURIER-Geschäftsführer Rainer Wiesner
- 2015 Oktoberfest-Wirt Hans Fetscher
- 2016 Metzgerei-Chefin Katharina Müller
- 2017 IHK-Hauptgeschäftsführer Claudius Marx
- 2018 Verkehrsminister Winfried Hermann
