40 Jahre Bandgeschichte, fast 30 veröffentlichte Alben, die knapp 6 Millionen Abnehmer gefunden haben – und dazu nahezu 4000 Fans auf der Burg in Singen. Zwischen Sonnenunter- und Mondaufgang haben Wolfgang Niedecken und BAP über drei Stunden Rabatz gemacht – und auch wenn Niedecken schon zu Beginn angedroht hatte, nicht die Musikbox geben zu wollen, kam dennoch nahezu jeder auf seine Kosten. Pünktlich um 19 Uhr hat er bei strahlendem Sonnenschein zum Hohentwielfestival die Bühne auf der nahezu ausverkauften Karlsbastion betreten – und schlagartig das Publikum erobert. Lebenslänglich heißt das Programm zum 40-jährigen Bandbestehen – und Niedecken hat schon zum Konzertbeginn tief in die Kiste der Bandgeschichte gegriffen: "Frau ich freu mich" schmetterte er den Fans im Schatten der Burg zu Begrüßung entgegen. Und die haben sich gefreut.
Perfektes Festival-Wetter hat die Stimmung ebenso angeheizt, wie die vielen Klassiker aus dem schier unerschöpflichen Repertoire des 65-Jährigen. Fortsetzung folgt war da nur einer von vielen und dem Kölner auf der Bühne ist schnell aufgefallen, dass seine Mundart auch tief im Süden ankommt. "Wie sprecht ihr so fantastisch Koelsch", wollte er von den Massen auf der Burg wissen und gab die Antwort gleich selber: "Klaro, das hier is' ja auch rechtsrheinisch!"
Die prall gefüllte Sentimentalitätskiste für Erinnerungen aus vier Jahrzehnten zieht noch immer die Fans an. "Es sind keine 100 Karten übrig geblieben", bilanzierte Veranstalter Dieter Bös vom Konstanzer Konzertbüro KoKo ein ausverkauftes Konzert mit generationenübergreifendem Publikum. Nicht nur Vollkasko-Desperados und einstige Müslis stehen vor der Bühne und genießen Rock'n'Roll und Folkmusik, sondern durchaus auch Fans der jüngeren Generation. Und auch die Band um Bassist Werner Kopal, der bereits seit zwanzig Jahren dabei ist, wird immer jünger. "Inzwischen haben wir einen Schlagzeuger, der jünger als die selbst Band ist", stellte Niedecken den 33-jährigen Schlagzeuger Sönke Reich vor. Gitarrist Ulrich Rode, Michael Nass an den Tasten und Anne de Wolff, die das restliche Instrumentarium bravourös bediente, sorgten für Rhythmus und Melodie. Den Takt gab das Publikum vor. "Singen macht mit, das ist perfekte Handarbeit", applaudierte Niedecken mehrfach seinen Fans und wanderte "Jraduss" durch die Zeit, servierte die Klassiker immer wieder auch mit ganz neuen Ecken und Kanten, und plauderte aus seinem ereignisreichen Leben – zum Beispiel von Crosby, Stills und Nash, die sechs Jahre zuvor auf derselben Bühne standen und ihn in den 70ern inspirierten, den ersten kölschen Song zu schreiben: "Helfe kann dir keiner".
Während die Sonne immer tiefer sank, stieg die Stimmung: Kurz vor 21 Uhr gab es die Kristallnaach, kurz danach "Verdamp lang her" – und für etliche auf der Burg dürfte es in der Tat verdammt lang her gewesen sein, dass sie das Lied erstmals mitgesungen haben. Textsicher waren die Besucher aber auch über 30 Jahre später. Die wussten ebenso wie Niedecken, wo sie an diesem Abend hingewollt haben: Auf den Hohentwiel. Und sie wussten, dass das Konzert auch nach dem ersten Abgang gegen 21.15 Uhr gewiss noch lange nicht zu Ende war. Zugabe um Zugabe gewährte der Altmeister – heute nicht anders als vor 40 Jahren.