Tengen – Architekt Werner Bäuerle aus Konstanz hatte wohl die kürzeste Anfahrt zum Treffen im Landratsamt. Den weitesten Weg musste Marian Schreier, Tengens ehemaliger Bürgermeister, der jetzt in Berlin lebt und arbeitet, auf sich nehmen. Der Aufwand hat sich gelohnt: „Wir durften gemeinsam die Auszeichnung für ‚Beispielhaftes Bauen‘ im Landkreis Konstanz für die Jahre 2018 bis 2024 entgegennehmen“, erläuterte Bauamtsleiterin Petra Fritsch, die die Stadt Tengen vertrat.

Die Architektenkammer Baden-Württemberg (AKBW) prämiert im Rahmen des Auszeichnungsverfahrens „Beispielhaftes Bauen“ seit dem Jahr 1983 gute Architektur im Ländle. In dieser Runde zeichnete die AKBW im Kreis Konstanz insgesamt 24¦Objekte aus – darunter die neue Ortsmitte von Tengen mit dem Bürgersaal sowie dem Ärztehaus mit Kinderkrippe und Tagespflege. Fritsch erklärte weiter: „Die monatlichen Belegungszahl des Bürgersaals von acht bis zehn öffentlichen und privaten Veranstaltungen zeigt, dass der Bau die richtige Entscheidung war. Auch konnte im letzten Sommer schon beobachtet werden, wie Groß und Klein, Touristen und Einheimische die vorhandenen Bänke und den Bachlauf für Pausen, zum Spielen und zu Gesprächen nutzen.“

Marian Schreier, ehemaliger Bürgermeister, sagte als Vertreter der Genossenschaft Ärztehaus Stadt Tengen: „Mit der neuen Ortsmitte rund um Bürgersaal und genossenschaftlichem Ärztehaus ist ein öffentlicher Raum für alle Generationen und ein zentraler Anlaufpunkt für viele Dinge des täglichen Lebens entstanden: Ob Arztbesuch, Vereinsversammlung oder Abholung der Kinder aus der Kinderkrippe – all das findet unter den Kastanien statt. Und das zeigt, was entstehen kann, wenn Stadtentwicklung in Ko-Produktion von Bürgerschaft und Stadt gestaltet wird.“ Architekt Werner Bäuerle erklärte: „Die Jury hat gespürt – und das ist das beste Kompliment an alle Beteiligten – dass die Bevölkerung die atmosphärisch wohltuenden Räume sowohl außen wie in den Gebäuden unmittelbar und sehr positiv angenommen hat.“

Die Jury der Architektenkammer Baden-Württemberg schreibt über die im Jahr 2022 fertiggestellte Tengener Stadtmitte, es sei beeindruckend, was entsteht, wenn sich gesellschaftliches Engagement und die Investitionsbereitschaft einer Bürgergenossenschaft mit dem Mut von Gemeinderat und Verwaltung verbinden. Es zeige die Kraft kleiner Kommunen. Die Neubauten würden sich schlüssig in die grüne Mitte mit altem Kastanienbestand einfügen. Die neue Bürgermitte in Tengen sei authentisch und identitätsstiftend. Das durchdachte Beleuchtungskonzept mache die Raumqualität auch abends deutlich. Weiter beschreibt die Jury, wie ein lang gezogenes Straßendorf zu einer Stadtmitte kam: Damit die neue Ortsmitte ein lebendiger Ort wird, war die Einbindung der Bürgerschaft von Beginn an entscheidend. So sollte sichergestellt werden, dass die Planung und Umsetzung an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger orientiert ist und von Anfang ein lebendiger Ort entsteht. Im Vorfeld des Planungswettbewerbs wurde deshalb eine Online-Bürgerbeteiligung durchgeführt, um Ideen für die künftige Gestaltung des Platzes zu sammeln. Das Beteiligungsangebot wurde rege genutzt, und die Ergebnisse der Beteiligung wurden Bestandteil der Wettbewerbsauslobung.

Das Herzstück des bürgerschaftlichen Engagements bildet aber die Realisierung des Ärztehauses durch eine Genossenschaft. Mit der Gründung der Ärztehaus Stadt Tengen¦eG wurde ein neuer Weg entwickelt, wie sich Daseinsvorsorge – hier im Gesundheitsbereich – organisieren lässt. Die Idee: Eine Genossenschaft, an der neben vielen gesellschaftlichen Akteuren wie der Stadt, Ärzten, Banken und Kirchen inzwischen 400 Bürgerinnen und Bürger beteiligt sind, baut und vermietet ein Ärztehaus.

Im Ideenteil des städtebaulichen Wettbewerbes war neben der Feuerwehr und dem Bürgersaal die richtige Lage sowie die Frage zur Realisierbarkeit eines Ärztehauses beinhaltet. Durch die Setzung der neuen Gebäude auf fast nur bereits versiegelte Flächen (Straßen, Parken, Gebäudeabriss.) entstanden neue Stadträume um die altehrwürdigen Kastanien. Insgesamt entstand durch die Stellung der Gebäude und die dazugehörigen Freiräume eine klare Zuordnung. Das öffentliche Leben findet, mit Ausnahme von großen Veranstaltungen wie dem Schätzele-Markt, nun entlang des neuen Stadt-Boulevards zwischen Rathaus und Bürgersaal statt.