Hinter dem Donaueschinger Jägerbataillon 292 liegen herausfordernde Zeiten: 13 Monate waren Einsatzkräfte aus der Fürstenberg-Kaserne im Kosovo im Rahmen eines KFOR-Einsatzes stationiert. Am 17. Juni wurden die Truppen bei einem Rückkehr-Appell vor dem Donaueschinger Schloss begrüßt. Was die Donaueschinger Truppe im Balkan erlebten, erzählen die beiden Kompanieführer Hauptmann Hagen Fetzer und Major Vadim Lorenz und Presseoffizier Kevin Lahr im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Weshalb ist das Bataillon so kurzfristig bei diesem Einsatz eingesprungen?

Kevin Lahr: Viel Zeit für Vorplanung blieb nicht, da die Österreicher sich kurzfristig aus dem Auftrag zurückgezogen haben. Dann hat sich Deutschland politisch bereit erklärt, einzuspringen. Im Oktober 2023 hat dann das Jägerbataillon 292 den Auftrag bekommen. Innerhalb weniger Monate und in Windeseile wurde eine einsatzbereite Truppe des Jägerbataillons aufgestellt – eine Wahnsinnsleistung.

Wie sind Sie mit Ihrer Truppe damals, im April 2024, im Kosovo angekommen, wie haben Sie das erlebt?

Hagen Fetzer: Über den Einsatz hinweg waren wir mit zwei rotierenden, rund 200-köpfigen Kompanien in der Nähe von Ferizaj, ich war der Anführer der ersten Kompanie. Wir sind in ein Feldlager gekommen, das unter US-amerikanischer Führung ist, das Camp Bondsteel. Es gab dort bis dato keine deutsche Kompanie vor Ort, heißt: es gab kein deutsches Internet, keine Unterkünfte oder Büros, keine Infrastruktur, keine Instandhaltungszelte, keine Panzer, keine Waffen. Wir mussten aus dem Nichts ein deutsches Lager stampfen, deshalb war da sehr viel Ungewissheit mit im Spiel, bevor wir mit dem eigentlichen Auftrag starten konnten.

Wie hat die Aufbauarbeit genau ausgesehen?

Vadim Lorenz: Das US-amerikanische Camp Bondsteel wurde 1998 gebaut und war für 7500 Mann ausgelegt. Die Unterkünfte waren Holzhütten, in der vier bis sechs Mann gelebt haben. Die Amerikaner haben dann gesagt: Wir brauchen den Platz selbst für unsere Männer. Uns wurde dann ein abfallender Hang zugewiesen, wo letztendlich das deutsche Camp aufgebaut wurde.

Hagen Fetzer: Wir haben nach und nach die benötigten Materialien in das Land geschafft. Wir hatten Spezial-Pionierkräfte dabei – sozusagen Handwerker in Uniform – die uns Zelte gestellt haben, die Container aufgebaut haben, Kabel gelegt haben und Stromaggregate installiert haben. Für die Baumaßnahmen wurden sogar deutsche Baumaschinen eingeflogen. Wir haben innerhalb weniger Wochen ein Camp im Camp gebaut.

Wie ging es weiter, als das deutsche Lager dann stand?

Fetzer: Wir waren einem amerikanischen Bataillonsstab unterstellt. Nachdem das deutsche Camp – die German Town, wie das Lager inoffiziell hieß – stand, mussten wir uns Orientierung bezüglich der Auftragslage verschaffen. Wir mussten uns Kartenmaterial besorgen, uns organisieren und als die Fahrzeuge aus Deutschland ankamen, sind wir auf Erkundungsfahrten losgezogen.

Major Vadim Lorenz (links) und Hauptmann Hagen Fetzer, Kompanieführer des Kosovo-Einsatzes.
Major Vadim Lorenz (links) und Hauptmann Hagen Fetzer, Kompanieführer des Kosovo-Einsatzes. | Bild: Denise Kley

Lorenz: Ich habe dann mit meiner Kompanie im November 2024 die Truppe von Hauptmann Fetzer abgelöst. Uns wurde ein großes Areal um Pristina herum und bis an die serbische Grenze zugewiesen, welches wir kontrollierten. Wir sind Patrouille gefahren und haben 65 Kilometer der Grenze zu Serbien überwacht.

Der Krieg im Kosovo ist 26 Jahre her. Wie ist die Lage heute im Kosovo und weshalb braucht es dort immer noch eine militärische NATO-Präsenz?

Lahr: Seit 2014 fokussiert sich die Bundeswehr immer mehr auf die Landes- und Bündnisverteidigung und Stabilisierungsoperationen. Dass es dann wieder hieß, wir gehen in den Kosovo zurück, war eine gedankliche Kehrtwende. Aber wir als Jägerbataillon zeichnen uns durch unsere Flexibilität aus – wir machen jeden Auftrag. Letztendlich soll die militärische Sichtbarkeit vor Ort dafür sorgen, dass es gar nicht erst zu Ausschreitungen oder Gewalt kommt. Wir schaffen ein friedliches Umfeld.

Für ihren Einsatz im Kosovo wird dem Jägerbataillon das Einsatzfahnenband verliehen.
Für ihren Einsatz im Kosovo wird dem Jägerbataillon das Einsatzfahnenband verliehen. | Bild: Denise Kley

Lorenz: Der Kosovo ist immer noch sehr fragil, ein Pulverfass. Bei Unruhen hätten wir schnell reagieren müssen, deshalb hatten wir über Jeeps und Wasserwerfern bis hin zu Panzern alles nach unten gebracht. Wir waren auf CRC-Maßnahmen spezialisiert, also auf die Überwachung und allfällige Reaktionen auf gewalttätige Ausschreitungen.

Kam es denn zu gefährlichen Vorfällen?

Fetzer: Es kam glücklicherweise zu keiner Gefährdungslage, wo KFOR die direkte Zielscheibe war. Im amerikanischen Patrouillengebiet ging mal eine Autobombe hoch, welche ein Einschüchterungsversuch gegen einen albanischen Geschäftsmann war. Einmal wurde eine Bar im Nordkosovo nachts mit einer Handgranate beworfen. Bei diesen Anschlägen ging es vermutlich nicht darum, Menschen zu verletzen, sondern ein Zeichen zu setzen und einzuschüchtern.

Lorenz: Unser Einsatz von November 2024 bis Mai 2025 war geprägt von den kosovarischen Parlamentswahlen in der ersten Februarwoche. Albin Kurti (derzeitiger Premierminister, Anm. der Redaktion) hat überall im Land Wahlkampfauftritte wahrgenommen. Wir standen immer auf Abruf bereit, um bei möglichen Ausschreitungen mit CRC-Maßnahmen einzugreifen, vorwiegend mit Wasserwerfern. Die Wasserwerfer zeichnete die deutsche Kompanie aus, denn sonst hatte keine andere Truppe solche Geräte in ihrem Arsenal.

Der kosovarische Premierminister Albin Kurti.
Der kosovarische Premierminister Albin Kurti. | Bild: ARMEND NIMANI/dpa

Lahr: Der Erfolg des Einsatzes misst sich nicht am Gewaltvorkommen und wie viel passiert. Die Sinnhaftigkeit des Einsatzes zeigt sich darin, dass nichts vorgefallen ist und das beweist wiederum, dass eine Militärpräsenz eine deeskalierende Wirkung hat.

Wie hat die Zivilbevölkerung auf sie reagiert – standen diese der Bundeswehr freundlich oder feindlich gesinnt gegenüber?

Fetzer: Beim Patrouille fahren haben uns die Einheimischen Getränke angeboten, wir kamen oft mit der Bevölkerung ins Gespräch. Die Lage war glücklicherweise überwiegend friedlich, deshalb war es manchmal surreal, dass wir mit schweren Geräten an Badeseen vorbeifuhren, wo Autos mit deutschem Kennzeichen standen und Landsleute dort ihren Sommerurlaub verbrachten.

Das könnte Sie auch interessieren

Lorenz: Viele Kosovaren verbinden mit der Bundeswehr viel Positives. Erstaunlich viele haben Deutsch geredet, da sie zeitweise in Deutschland lebten oder aufgrund des Kosovo-Krieges nach Deutschland geflüchtet sind. Ein Polizist, den ich bei einer Patrouillenfahrt kennengelernt habe, ist als Kind in München zur Schule gegangen und ist nach Kriegsende mit seinen Eltern zurück in den Kosovo. Nachdem das Eis gebrochen war, hat er fließend Deutsch mit uns gesprochen.

Sind der Kosovo-Krieg und die serbisch-kosovarischen Konflikte der Vergangenheit noch in der Zivilbevölkerung präsent?

Fetzer: Ja, durchaus, aber vor allem bei der älteren Generation. Bei den jüngeren weniger. Bei einer Patrouillenfahrt in Pristina sind wir an der Universität mit jungen Leuten ins Gespräch gekommen. Aus meiner Sicht wollen die Jungen die Konflikte hinter sich lassen. Die Jungen wollen eine gute schulische Ausbildung, einen Beruf ergreifen, streben nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Die Jungen wissen, wie es ist, in Frieden aufzuwachsen und zu leben. Und das möchten sie auch nicht mehr aufgeben. Die Spannungen werden eher von der älteren Generation aufrechterhalten.

Rückkehrappell des Jägerbataillons vor dem Donaueschinger Schloss am 17. Juni.
Rückkehrappell des Jägerbataillons vor dem Donaueschinger Schloss am 17. Juni. | Bild: Denise Kley

Wie darf man sich das Leben im Camp Bondsteel genau vorstellen?

Fetzer: Wir waren einem amerikanischen Bataillonsstab unterstellt. Nachdem das deutsche Camp – die „German Town“, wie das Lager inoffiziell hieß – stand, kamen auch die anderen multinationalen Truppen, die im Kosovo stationiert waren, oft bei uns vorbei. Weshalb? Wir hatten ein riesengroßes Zelt. Man saß dann gemeinsam am Tisch, hat sich untereinander ausgetauscht. Unser Zelt wurde zur Anlaufstelle für alle, das war toll zu erleben.

Wie war die Zusammenarbeit mit den US-Amerikanern – besonders hinsichtlich der aktuellen außenpolitischen Lage?

Lorenz: Die Zusammenarbeit war sehr gut. Ich hatte den Vorteil, dass ich den US-amerikanischen Kompaniechef und den Bataillonchef bereits im Vorfeld kennengelernt habe. Auf der Arbeitsebene versteht man sich gut. Ich habe auch mal ein paar meiner Leute zu den Amerikanern geschickt, damit auch die jungen Soldaten Berührungspunkte mit anderen Truppen bekommen. Die Multinationalität wurde im Kosovo sehr hoch geschrieben. Auch das Zwischenmenschliche hat gepasst: Wenn man mal eine Downphase hatte, kamen auch andere Kompanieführer auf einen zu. Man hat einander auf die Schulter geklopft, sich Tipps gegeben und ist sich zur Seite gestanden.

Was sind die Erkenntnisse aus diesem Einsatz?

Fetzer: Was alles in der Kürze der Zeit beim Aufbau des Camps von der gesamten Bundeswehr geleistet wurde, ist immens. Jedes Rädchen hat perfekt ineinander gegriffen. Wir wurden von den unterschiedlichsten Brigaden beim Aufbau unterstützt. Das hat gezeigt: Wenn die Bundeswehr darf und die Möglichkeiten gegeben sind, kann sie.

Lorenz: Ich bin überrascht gewesen, wie schnell wir uns auf die neuen Umstände eingestellt haben. Und was ich festgestellt habe: Auf die Partnernationen kann man sich verlassen – und sie sich auf uns.

Fetzer: Die Partnerschaft mit den anderen involvierten NATO-Einsatztruppen wurde durch diesen Einsatz gestärkt. Das gibt Hoffnung, auch hinsichtlich der aktuellen weltpolitischen Lage.