An dieser Insel ist etwas Besonderes, das man in ganz Deutschland sonst nicht findet. Sie kann sich sowohl Kloster- als auch Gemüseinsel nennen und hat es zum Unesco-Weltkulturerbe gebracht. Zudem ist sie ist die einzige Insel Deutschlands, auf der ein Geldinstitut seinen Hauptsitz hat – die Bezirkssparkasse Reichenau.
Diese hat ihre Besonderheiten, die sich auf Tradition zurückführen lassen. So ist sie die einzige Sparkasse in Deutschland, die noch an ihrem historischen Zusatz „Bezirks-“ festhält. Andere Institute haben sich von solchen Relikten getrennt. Die Reichenauer nicht. Sie schauen nach hinten und vorn – aber auch das eben anders als manch andere.
Wie das kleine gallische Dorf
Während sich bekannte Häuser der Region unter steigendem Kostendruck zusammengeschlossen haben und etwa zur Sparkasse Bodensee oder zur Sparkasse Hegau-Bodensee vereinigt worden sind, behauptet sich das Insel-Institut gegen alle Fusionswellen wie das berühmte gallische Dorf von Asterix und Obelix.
Das zeigt sich auf einer bunten Landkarte des Sparkassenverbands Baden-Württemberg. Sie verzeichnet alle 50 Geldinstitute im Land. Wer genau hinschaut, stellt fest: Die Bezirkssparkasse Reichenau ist von der Fläche her die weitaus kleinste. Wie kann das gutgehen?
Den beiden Chefs macht diese Überschaubarkeit nichts aus. Sie sitzen entspannt an einem großen Tisch und nennen dem Besucher die vielen Gründe, die helfen, so viel Geld von ihren Kunden einzusammeln und als Kredite wieder zu verleihen, dass ihnen um die Zukunft nicht bange wird.
Stetigkeit statt Fluktuation
„Ein kleines Haus mit schlanken Hierarchien findet schneller zu Entscheidungen als ein großes“, sagt Vorstandschef Günter Weber. Er stammt, wie die allermeisten der Mitarbeiter, aus der Region. In Meßkirch betrieb sein Vater eine Landwirtschaft.
Seit 21 Jahren leitet er den Vorstand. Das gilt auch für den stellvertretenden Vorstandschef Alexander Bertram, der vor 28 Jahren im Haus seine Ausbildung begann. Die Bodenständigkeit der Mönche, die die Insel einst besiedelten, könnte ein Vorbild sein.

So wächst das Vertrauen der Kunden. „Wir müssen nicht viel Geld in Werbung investieren“, sagt Co-Vorstand Bertram. Es spricht sich herum, wenn die Konditionen günstig sind und das Service-Netzwerk mit weiteren vier Geschäftsstellen im Dreieck Reichenau, Hegne und Allensbach eng geknüpft ist. In den Rankings zur Kundenzufriedenheit erreicht die Bezirkssparkasse Höchstwerte.
Dazu kommt eine solide Anlagepolitik. „Wir machen nur Geschäfte mit Objekten, deren Wert wir vor Ort einschätzen können“, sagt Vorstand Bertram. „Keine Experimente“, zitiert Günter Weber den Wahlspruch der Adenauer-CDU von 1957.
Mit 1,7 Milliarden Euro auf Rang 259
Der Erfolg misst sich auch nicht allein an der Bilanzsumme. Die lag 2023 auf der Reichenau bei fast 1,7 Milliarden Euro. Damit liegt man unter den 353 deutschen Sparkassen auf Rang 259.
Dass klein auch anderswo funktioniert, beweisen die flächenmäßig ebenfalls kleinen Sparkassen Engen-Gottmadingen oder Pfullendorf-Meßkirch. Auch bei den Volks- und Raiffeisenbanken halten sich kleine Häuser tapfer, wie etwa die Hagnauer Volksbank oder die Volksbank Pfullendorf.
Wie es mit der Bezirkssparkasse aufwärts ging, zeigt ein Rundblick dort, wo sich illustre Straßennamen begegnen – die nach den Klostergründer benannte Pirmin- und die Abt-Benno-Straße. Linker Hand liegt der von der Sparkasse vermietete historische Stammsitz, in dem das Geldhaus bis 1961 seine Schalter hatte.

Gegenüber beherbergt der frühere Hauptsitz mit einem sparfreudigen Bodenseefischer-Ehepaar als Wandfresko die Touristen-Information. Vis-a-vis kündet die neueste Repräsentanz hinter hohen Fahnenmasten vom Erfolg. Man sieht ihr nicht an, dass sie vor 25 Jahren eröffnet wurde.

Die Kunden betreten eine dreigeschossige Halle, die man auf einer Gemüse-Insel so nicht vermutet. Büros für die Kunden- und Kreditberatung reihen sich aneinander. Ein Lichthof schließt sich an, an dem ein Ahornbaum grün und mächtig aufgeschossen ist.
Mit seinen Geschäften, betonen die beiden Vorstände, konzentriert sich die Sparkasse auf das nähere Umland. Doch der alte Werbespruch „Bringen Sie Ihren Schatz auf die Insel“ gilt noch immer.
Kunden kommen aus Konstanz auf die Reichenau
Angesprochen fühlt sich auch Publikum, das nicht auf der Reichenau, in der Waldsiedlung, in Hegne oder in Allensbach wohnt. Gut unterrichtete Leute sagen, so mancher frühere Konstanzer Sparkassenkunde habe sich nach der großen Bodensee-Fusion enttäuscht abgewendet und sein Konto auf der Reichenau eröffnet.
Reichenau und Allensbach sind die Trägergemeinden der Bezirkssparkasse. Sie halten Fusionsfantasien fern. Diese mag mancher Entscheidungsträger einmal gehabt haben, als man in Konstanz und Singen vor vielen Jahren darüber sinnierte, zwei große Sparkassen zu einer einzigen zu machen – woraus dann nichts wurde. Ein Zusammengehen mit einer anderen Sparkasse – sei es nach Osten oder Westen – ist auf der Vorstandsetage in Mittelzell kein Thema.
Und es soll, glaubt man Günter Weber und Alexander Bertram, auch keines werden. Weber geht Ende des Jahres in den Ruhestand, dann rückt sein Stellvertreter als Vorstandschef nach. Neuer Stellvertreter wird Matthias Speiermann, auch ein Kollege mit Reichenau-Prägung.
Derweil schütten die Insel-Banker regelmäßig ein Spenden-Füllhorn über die Vereine aus. Zum 1300-Jahr-Jubiläum der Klostergründung waren es 130.000 Euro. Solide Arbeit bringt Ernte und Segen – das wussten schon die Benediktinermönche der Reichenau.