Ihre Strenge war bei eingefleischten Vierteleschlotzern gefürchtet: Wer im Lokal zu laut wurde, am Tresen schlüpfrige Witze erzählte oder nicht wusste, wann der individuelle Pegel erreicht ist, bekam es mit der Chefin zu tun: Ingrid Brunner, die langjährige Wirtin im Pfohl und in der Altstadt-Weinstube in der Schreibergasse, legte auch in gehobener Weinstimmung Wert auf gute Umgangsformen – auch unter den Gästen.

Dieser Tage ist die bekannte frühere Weinstubenwirtin nach einem Routineeingriff am Herzen 82-jährig überraschend gestorben. Sie hinterlässt ihren Ehemann Adi, mit dem sie 53 Jahre verheiratet war und der in den Jahrzehnten des Wirte-Daseins ihr Partner im Gastrobetrieb war.

Adi Brunners Eltern „Schnäuzle“ und „Klärle“ Brunner betrieben für die Familie Bernadotte seit den 1950er-Jahren den Comturey-Keller auf der Mainau. Das war die Zeit, als die Blumeninsel zu einem bundesweit bekannten Touristenziel wurde. Nach seiner Lehre als Heizungsbauer arbeitete auch Adi Brunner im Betrieb seiner Eltern. Bald darauf lernte er in dem damals angesagten neuen Lokal Hexenküche Ingrid kennen, 1972 heiratete das Paar.

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Wenige Jahre später machten sich die Brunners selbständig und pachteten die Weinstube Zum Küfer Fritz in der Salmannsweilergasse, die wegen ihres dicken Eichenbalkens in der Mitte der Gaststube im Volksmund nur „Pfohl“ genannt wird. Mit badischen Weinen, kleinen Vesperplatten und viel Atmosphäre machten die Brunners aus dem Lokal einen Treffpunkt von Einheimischen und Gästen.

Die Theke war meist den Stammgästen vorbehalten: Handwerker, Postler, Anwälte, SÜDKURIER-Mitarbeitende vom Fischmarkt, Kaufleute der Innenstadt und jede Menge Fasnachter bevölkerten den kleinen Gastraum.

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Nach etlichen Jahren erfüllten sich die Brunners einen Traum und bauten in der Schreibergasse ein spätmittelalterliches Haus zur urgemütlichen Altstadt-Weinstube aus. Auch dort versammelte sich ein buntes Gästevolk: jahrzehntelange treue Stammkundschaft und neugierige Gäste.

Ingrid war die resolute Kapitänin des Weindampfers, Adi der gemütvolle Erste Offizier. An Fasnacht verwandelten die Brunners ihre Weinstube in eine erstklassige Schnurrstation, wo durchziehende Narrengruppen ihre Spontanstücke aufführen konnten und dann mit einem Achtele belohnt wurden.

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Ein schwerer Krach mit der Hausbank beendete 2005 die Existenz der Brunners jäh. Sie verloren Lokal und Haus, Adi Brunner suchte sich daraufhin neue Arbeit als Taxifahrer und Hausmeister im Tertianum. Den Lebensabend verbrachten beide im Kreis der Narrengesellschaft Elefanten AG, beim Skifahren in Vorarlberg und in ihrem großen Freundeskreis. Nun musste der 85-jährige Adi Brunner von seinem „Lebensglück“ Ingrid Abschied nehmen.