Die Serie von Problemen bei der Einführung der neuen Grundsteuer reißt nicht ab – und erneut werden sie die Konstanzerinnen und Konstanzer wohl auch sehr direkt betreffen. Viele von ihnen müssen sich auf höhere Nebenkosten einrichten.

Oberbürgermeister Uli Burchardt hat im SÜDKURIER-Sommerinterview bereits angekündigt, dass er dem Gemeinderat eine neuerliche Erhöhung empfehlen wird. Denn während viele Betroffene über höhere Steuern ächzen, nimmt die Stadt weniger ein als geplant. Bisher ist hier von 642.000 Euro die Rede, doch die Lücke könnte noch größer werden. Was ist da los und was sind die Folgen?

„Wir werden jetzt weniger Geld einnehmen als bisher und als geplant. Da wurde, aufs Ganze gerechnet, nicht in die Taschen gegriffen. Wir ...
„Wir werden jetzt weniger Geld einnehmen als bisher und als geplant. Da wurde, aufs Ganze gerechnet, nicht in die Taschen gegriffen. Wir schauen sie uns aber auch aus einem anderen Grund nochmals an. Die Grundsteuer ist die einzige, die alle Bürger trifft. Ich hätte sie stärker erhöht, der Gemeinderat wollte das seinerzeit nicht“, so Oberbürgermeister Uli Burchardt. | Bild: Hanser, Oliver

Was ist bei der Bewertung von Grundstücken schief gegangen?

Das Finanzamt Konstanz musste nach Angaben der Stadtverwaltung „viele“ Messbescheide für die Grundsteuer korrigieren. Sie sind die Berechnungsgrundlage dafür, wie viel für ein einzelnes Grundstück – gegebenenfalls aufgeteilt auf die dort vorhandenen Wohnungen – bezahlt werden muss. Wie Helge Kropat aus der Steuerabteilung der Stadtkämmerei Ende Juli in der öffentlichen Sitzung des Haupt-, Finanz- und Klimaausschusses sagte, gab es zu diesem Zeitpunkt schon „hunderte Widersprüche“. Inzwischen nennt die Stadt eine Zahl von 400.

Zum Beispiel wurden Teilflächen von Grundstücken, die in Naturschutzgebieten liegen, so gewertet, als handle es sich um normale Seeufergrundstücke. Auch in anderen Fällen, etwa bei mehreren Parteien auf einem Grundstück, gab es offenbar Unstimmigkeiten, worauf die Stadt nach eigener Darstellung des Finanzamt sogar hingewiesen hatte. Im Ergebnis fehlen der Stadt nun fest eingeplante Einnahmen. Sollten weitere Widersprüche erfolgreich sein, könnte das Finanzloch auch noch größer werden.

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Aber meine Grundsteuer ist doch schon gestiegen, warum jetzt bald wieder?

Tatsächlich hat die Umstellung der Grundsteuer vor allem zu einer Umverteilung geführt: In begehrten Wohnlagen sowie für Grundstücke mit Einfamilienhäusern ist die Grundsteuer teils deutlich gestiegen. Für viele Wohnanlagen ist sie aber auch gesunken. Die Stadtverwaltung rechnete im Jahr 2024 damit, dass für 63 Prozent der Grundstücke die Grundsteuer gleich bleibt oder sinkt. Für den Rest – das sind immerhin rund 12.800 von insgesamt knapp 35.000 Grundstücken – wurde eine Steigerung erwartet, für 15 Prozent der Grundstücke sogar auf das Doppelte oder noch mehr.

Die Zahlen zeigen also: Wenn der Satz der Grundsteuer steigt, werden sehr viele Grundstücke nochmals höher belastet – und mit ihnen die Menschen, die auf ihnen wohnen. Die Zahl der Betroffenen dürfte weit über 10.000 liegen.

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Welche konkreten Mehrkosten kommen ab wann auf mich zu?

Das lässt sich noch nicht genau sagen. Wie viel die Stadt Konstanz aus der Grundsteuer einnimmt, hängt vom Hebesatz ab. Diesen hat der Gemeinderat 2014 auf 168 Prozent festgelegt, in der Erwartung, dass dann wie im Vorjahr 18,1 Millionen Euro eingenommen werden. Nun sieht es so aus, dass nicht einmal 17,5 Millionen Euro zusammenkommen. Daraus lässt sich errechnen: Pro Prozent Hebesatz liegen die Einnahmen bei etwas über 100.000 Euro. Eine Steigerung des Hebesatzes um sechs Prozentpunkte würde also einen Ausgleich schaffen – wenn es nicht noch weitere Einnahmenlücken gibt oder die Verwaltung nicht die Steuereinnahmen generell anheben will.

Die Entscheidung darüber trifft der Gemeinderat – voraussichtlich noch in diesem Jahr. Erst wenn ein Vorschlag zum neuen Hebesatz im Raum steht, lässt sich seriös ausrechnen, wie viel einzelne Bürgerinnen und Bürger zusätzlich bezahlen müssen beziehungsweise wie stark ihre jüngst erst gesenkte Grundsteuer nun doch wieder steigt.

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Wer muss sich darauf einrichten, mehr zu bezahlen?

Im Prinzip alle. Nach den bisherigen Zahlen ist laut Stadtverwaltung zu erwarten, dass für knapp ein Drittel der Grundstücke (und ihre Bewohner) die Grundsteuer zum zweiten Mal in Folge real steigt. Für zwei Drittel der Grundstücke wird ein Teil der zum 1. Januar 2025 eingetretenen Steuerentlastung wieder aufgefressen.

Nur wer erfolgreich gegen die Bescheide geklagt hat, kann überhaupt mit einer Steuersenkung rechnen. Das bedeutet vereinfacht: Für fast alle wird es gegenüber der Steuerlast 2025 teurer, weil einige wenige geringere Steuern bezahlen müssen.

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Könnte die Stadt nicht einfach auf die Einnahmen verzichten?

Theoretisch: Ja. Wenn unerwartet Steuereinnahmen ausfallen, könnten Verwaltung und Gemeinderat auch mit einem rigorosen Sparprogramm reagieren. Das aber lehnten OB Burchardt und die Kämmerei bisher kategorisch ab. Jetzt mit aller Macht die Spar-Bremse reinzuhauen, richte mehr Schaden als Nutzen an, so das Argument.

Praktisch ist die Stadt gegenüber Mitarbeitenden, Auftragnehmern und anderen Partnern eine Verpflichtung eingegangen und kann gar nicht Philharmonie-Musiker, Sozialarbeiterinnen oder Theaterleute auf der Straße setzen, fest zugesagte Zuschüsse an Vereine zurückhalten oder Aufträge für Schulsanierungen stornieren.

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Was kann ich konkret tun, wenn ich meine Ausgaben senken möchte?

Wenn die vierwöchige Einspruchsfrist gegen den Grundsteuerbescheid der Stadt noch nicht abgelaufen ist, empfiehlt es sich, die Angaben dort genau zu prüfen und gegebenenfalls zu widersprechen. Falls es dafür zu spät ist, ist die einzige und auch eher theoretische Option ein Umzug: Dicht bebaute Grundstücke mit Mehrfamilienhäusern in weniger hochwertigen Lagen sind tendenziell geringer belastet als Immobilien mit viel Grün drumherum.

Dass sich ein Umzug aber wegen der Veränderung der Grundsteuer – im Moment geht es ja nur um einen Fehlbetrag von etwa drei Prozent – finanziell lohnt, dürfte aber nur in extremen Einzelfällen eintreten, und auch dann allenfalls auf lange Zeiträume gerechnet.