Wie geht es Ihnen?

Gut. Im Gegensatz zum Konzert in Einhalden, wo es richtig regnete, hatten wir jetzt in Wien ein tolles Open-Air-Konzert im Theater im Park. Und gestern Abend einen wunderbaren Abend auf der Burg Finkenstein.

Sie waren, meines Wissens, schon zum dritten Mal beim Einhalden Festival – was ist das Besondere an diesem Festival?

Tatsächlich war ich schon vier Mal in Einhalden. Zu den Veranstaltern, zwei großartigen Jazz-Musikern, hat sich im Lauf der Jahre eine besondere Beziehung entwickelt. Es ist eine besondere Atmosphäre und ich bewundere mein Publikum, das trotz Regens den ganzen Auftritt mitgemacht hat.

Kennen Sie unsere Region näher?

In den letzten 60 Jahren war ich soviel unterwegs. Fahrten, Soundcheck und Konzerte fordern viel Zeit. Aber natürlich kennen wir die Gegend, beispielsweise von Konzerten in Überlingen, Isny, Kempten und in Pfullendorf.

Ihre Texte aus den 70er und 80er Jahren über Wettrüsten, Kriegsangst etc. scheinen aktueller denn je – wie erleben Sie die Veränderungen in der deutschen Gesellschaft hin zu Aufrüstung, Stärkung des Militärs etc.

Es ist unglaublich erschreckend. Wobei es sich um ein weltweites Phänomen handelt. Schauen Sie in die USA, wo der eigentlich lupenreine Faschist Donald Trump das Sagen hat. Wir erleben eine Welt, in der einige Milliardäre die Welt und die Politik beherrschen. Das sind die Konsequenzen eines Kapitalismus, den ich mein Leben lang bekämpft habe.

Die Welt geht also finsteren Zeiten entgegen?

Ich habe die Hoffnung, dass wir das letzte Aufbäumen des Patriarchats erleben. Schauen Sie sich diese Herrscher an – alles alte, klägliche Machos. Was wir brauchen, ist eine weibliche feministische Revolution, auch eine spirituelle Revolution, eine liebevolle herrschaftsfreie Gesellschaft.

Und die Kunst kann hier helfen?

Sicher. Was machen Faschisten als Erstes? Sie schränken die Freiheit der Kunst ein. Und ich merke, wie ich meinem Publikum immer noch Mut machen kann.

Die AfD wird in Deutschland immer stärker. Das Land scheint von einem Rechtsruck erfasst – wie erklären Sie sich das Erstarken dieser Kräfte?

Die Menschen sind wahnsinnig verunsichert, weil sie zeitgleich mit vielen Problemen konfrontiert werden. Dass viele junge Leute die AfD wählen, hat auch damit zu tun, dass für diese Generation die Zeit der Nazi-Verbrechen unglaublich weit entfernt ist. So wie bei meiner Generation der 30-jährige Krieg keine Rolle gespielt hat. Umso wichtiger ist, dass wir die Erinnerung an die unglaublichen Nazi-Verbrechen aufrechterhalten. Ich hatte das Glück Holocaust-Überlebende kennenzulernen und mit ihnen auf der Bühne zu stehen. In meinen Konzerten gibt es immer einen antifaschistischen Block.

Und das Publikum versteht die Antifa-Lieder?

Vor ein paar Tagen hatten wir ein Konzert in Graz, das bekanntlich von einer kommunistischen Bürgermeisterin regiert wird. Und Österreich droht mit dem FPÖ-Vorsitzenden Herbert Kickl für die Demokratie die gleiche Gefahr wie bei uns mit der AfD. Wir haben 1,5 Stunden nur Antifa-Lieder gespielt. Ich habe so viele Lieder im Repertoire, die ich auch vermehrt spielen werde. Aber prinzipiell gilt, dass jeder schauen muss, was er in seinem Bereich gegen die rechte Gefahr tun kann.

Haben wir in Deutschland genügend Künstler, die sich gegen „Rechts“ positionieren?

Im deutschen Hip-Hop kenne ich mich nicht aus. Schade ist, dass mein alter Mitstreiter Hannes Wader nicht mehr auftritt.

Liedermacher Konstantin Wecker mit dem Höchsten-Wirt Hans-Peter Kleemann, bei dem der Star bei seinen Auftritten in der Region übernachtet.
Liedermacher Konstantin Wecker mit dem Höchsten-Wirt Hans-Peter Kleemann, bei dem der Star bei seinen Auftritten in der Region übernachtet. | Bild: Hotel Höchsten

Sie sind unglaublich vielseitig – Liedermacher, Komponist, Buchautor und sind immer wieder als Schauspieler zu sehen!?

Ich wurde reich beschenkt mit Versen und Melodien. Aber Schauspieler war ich nie, das habe ich nie gelernt. Ich hatte nur das Glück mit guten Regisseuren zusammenzuarbeiten. Mein größtes Glück ist die Poesie. Ich habe schon mit elf Jahren die ersten Gedichte geschrieben und war hingerissen von der Poesie von Rilke oder auch Goethe. Und meine Lieder waren klüger als ich.

Wie ist das zu verstehen?

Ich hatte ganz früh „Ich singe, weil ich ein Lied habe“ im Repertoire. Und das ist das Wichtigste, was ich auch jungen Kollegen vermittle: Sing dein Lied, weil es in Dir ist. Lass die Worte heraus.

Fragen: Siegfried Volk