Günther Thalhammer geht es nicht um sich, ihm geht es um das große Ganze. Der 88-jährige Rentner aus Mönchweiler war beim Blick auf seinen Rentenbescheid des Monats Juli stutzig geworden. Fälschlicherweise habe sich der Beitrag zur Pflegeversicherung für die Monate Januar bis Juli aus seiner neuen, seit Juli erhöhten Rente berechnet.

Zwar mache das nur einen geringen Betrag aus, aber: „Wenn dieser Fehler bei allen Bescheiden gemacht wurde, ergibt sich ein Millionenbetrag, der zu viel an die Pflegeversicherung gegangen ist“, sagt Thalhammer.

Rentner ist sich sicher: „Die Berechnung der DRV ist falsch.“

Thalhammer ist nicht der Einzige, dem dieser scheinbare Rechenfehler aufgefallen ist. Denn die Deutsche Rentenversicherung (DRV) veröffentlichte eine Stellungnahme, in der sie klarstellt, dass die Berechnung der Renten korrekt und rechtskonform erfolgt sei. Ist das Thema damit erledigt? Nicht für Günther Thalhammer. Er ist sich weiterhin sicher: „Die Berechnung der DRV ist schlicht falsch. Damit ist auch die Stellungnahme gelogen.“

Thalhammers Rechnung erscheint stimmig. Am 20. Dezember des vergangenen Jahres beschloss die Bundesregierung die Erhöhung des Beitrags zur Pflegeversicherung um 0,2 Prozentpunkte von 3,4 auf 3,6 Prozent. Diese sollte ab dem 1. Januar gelten. Aufgrund der kurzfristigen Umsetzung wurde allerdings entschieden, dass die Erhöhung erst im Juli auf dem Rentenbescheid auftaucht. Zusätzlich werden die zusammengerechnet 1,2 Prozent aus den Monaten Januar bis Juni abgerechnet, woraus sich ein einmaliger Beitrag von 4,8 Prozent ergibt.

Gleichzeitig wurde im Juli die Rente um 3,74 Prozent erhöht. Günther Thalhammer erscheint es logisch, dass die 1,2 Prozent der Vormonate sich noch aus dem alten Rentensatz berechnen, schließlich beziehen sich doch eigentlich auf die Monate Januar bis Juni. Erst ab Juli sollten der erhöhte Pflegeversicherungsbeitrag vom neuen Rentensatz abgezogen werden.

Mehreinnahme in Millionenhöhe für DRV

Für die Rentner selbst ergibt sich durch die Abrechnung über die erhöhte Rente keine große Änderung. Laut Rentenatlas liegt die Durchschnittsrente bei ungefähr 1100 Euro brutto monatlich. Wie die DRV in ihrer Stellungnahme selbst schreibt, läge die Abweichung bei einer monatlichen Rente von 1000 Euro bei zusammengerechnet 45 Cent. Hochgerechnet auf die rund 22 Millionen Rentner in Deutschland ergibt sich so aber ein Betrag von knapp 10 Millionen Euro mehr für die Pflegeversicherung.

Die „Verordnung zur Anpassung des Beitragssatzes in der sozialen Pflegeversicherung 2025“ erschien am 30. Dezember des vergangenen Jahres im Bundesgesetzblatt, was die Kurzfristigkeit des Beschlusses verdeutlicht. Dort steht der entscheidende Satz geschrieben, „dass der Beitrag im Monat Juli 2025 einmalig 4,8 Prozent der im Juli 2025 beitragspflichtigen Rente des Rentenbeziehers beziehungsweise der Rentenbezieherin beträgt.“

Vorgehen rechtens – aber nicht transparent

Also alles rechtens. Trotzdem bleibt ein Geschmäckle. Andreas Irion vom Bundesverband der Rentenberater bemängelt insbesondere die fehlende Transparenz des Gesetzgebers. Dass die Umsetzung des erhöhten Pflegebeitrags Zeit brauche, verstehe er.

Die Erhöhung des Zusatzbeitrags zur Krankenversicherung wirkt sich auch zwei Monate zeitversetzt aus – in diesem Fall zugunsten der Rentner. Wäre die Abrechnung des Pflegebeitrags ebenfalls zwei Monate zeitversetzt abgelaufen, hätte es die Möglichkeit gegeben, das mit Hinweis auf den Zusatzbeitrag zu kommunizieren. „Dass nun aber sechs Monate dazwischen liegen und die Rentner damit nicht zuvor kommunizierte Zwangszinsen bezahlen müssen, das ist nicht ok“, sagt Irion.

Andreas Irion ist im Vorstand des Bundesverbands der Rentenberater.
Andreas Irion ist im Vorstand des Bundesverbands der Rentenberater. | Bild: Bundesverband der Rentenberater

Er erklärt weiter: „Man hätte sich auf zwei Monate Umsetzungszeit beschränken können. Bei der Dauer von sechs Monaten kommen wir auf über 13 Prozent Zwangszinsen.“ Das passe nicht zusammen mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs, bei dem solch ein Vorgehen bei Banken für unzulässig erklärt wurde. Stattdessen erwecke das den Eindruck, man habe versucht, den Vorgang durch die Hintertür abzuwickeln.

Ein weiteres Problem dieses Vorgehens: „Der einmalige Abzug von 1,2 Prozent für die Monate Januar bis Juni gilt auch für Menschen, die erst später in Rente gegangen sind“, sagt Irion. Bedeutet, auch Personen, die etwa erst im April in Rente gegangen sind, mussten einen Beitrag zahlen für Monate, in denen sie noch gearbeitet haben und so ohnehin schon in die Pflegeversicherung einzahlten.

Die Erfolgschancen bei einem Einspruch sieht er aber als gering an. Für Günther Thalhammer war ein Einspruch ohnehin nie eine Option, er wollte auf die Zusatzeinnahmen der Pflegeversicherung aufmerksam machen. Immerhin: Falls dieser Vorgang, wie auch von Irion vermutet, durch die Hintertür hätte ablaufen sollen, ist dieses Vorhaben gescheitert.