An diesem regnerischen Morgen ist wenig Betrieb im Kreuzlinger Hafen. An Land sind kaum Menschen zu sehen. Auf dem Motorschiff (MS) „Delphin“ sind jedoch zwei Personen zu entdecken: Erika und Roland Neuenschwander. Am Vortag machten sie bei deutlich besserem Wetter drei Ausflugsfahrten über den See. Jetzt müssen sie aufräumen – „klar Schiff machen“, einkaufen und Büroarbeit erledigen.

Man merkt den beiden an, dass sie den Wunsch nach einem ruhigeren Lebensabschnitt haben. Vor allem der über 80-jährige Kapitän Roland Neuenschwander droht, den Spaß – nach 40 Jahren auf dem Bodensee – zu verlieren. Er darf und kann zwar noch fahren, führt aber selbst nur noch einige wenige leichte Fahrten durch. Erika Neuenschwander und ein Aushilfskapitän übernehmen den Rest.

Theaterschiff nicht erwünscht

Seit Beginn dieser Saison versucht das Ehepaar deshalb, sein Ausflugs-, Gastro- und Eventschiff, auf dem 120 Passagiere Platz finden, zu verkaufen. Die beiden möchten sich zur Ruhe setzen. Einen Käufer konnten die Neuenschwanders bisher aber nicht finden.

Erika und Roland Neuenschwander im Steuerhaus ihres Ausflugs-, Gastro- und Eventschiffs.
Erika und Roland Neuenschwander im Steuerhaus ihres Ausflugs-, Gastro- und Eventschiffs. | Bild: Joshua Tress

Es gab mehrere Interessenten, die meisten aus dem Thurgau, aber auch Deutsche. Nach erstem Kontakt verloren die Ersten das Interesse. Andere kamen nach Kreuzlingen, um sich das Schiff anzusehen. Auf die Frage, warum es mit keinem funktioniert habe, antwortet Roland Neuenschwander, dass einige falsche Vorstellungen gehabt hätten.

Ein potenzieller Käufer wollte ein Theaterschiff aus dem MS „Delphin“ machen. Das kollidiert sowohl mit den Vorschriften der Stadt Kreuzlingen als auch den Ansichten der Neuenschwanders: „Für uns ist es wichtig, dass das jemand im gleichen Rahmen macht. Für die breite Öffentlichkeit“, so Erika Neuenschwander.

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Die größte Schwierigkeit? „Das Kapitänspatent“

Das ist nicht das einzige Problem. „Die große Knacknuss ist das Kapitänspatent“, meint Roland Neuenschwander. Keiner der Interessenten hatte das für gewerbliche Schifffahrt auf Binnengewässern mit bis zu 300 Passagieren benötigte Kapitänspatent „Kapitän BII/I“.

Eine Ausbildung mit entsprechenden Fahrtstunden würde in der Schweiz zwei Jahre dauern. Dafür haben die Neuenschwanders keine Kraft. Sie schaffen es nicht mehr, einen angehenden Seefahrer von seinen ersten Schritten in die Schifffahrt, dem Kennenlernen von Gewässer und Schiff, bis hin zum Patent zu begleiten.

Ein gewohnter Anblick auf dem Bodensee: Das Motorschiff „Delphin“ fährt hier an Konstanz vorbei zurück nach Kreuzlingen.
Ein gewohnter Anblick auf dem Bodensee: Das Motorschiff „Delphin“ fährt hier an Konstanz vorbei zurück nach Kreuzlingen. | Bild: Joshua Tress

Um Touren mit der „Delphin“ zu fahren, braucht es zwei Schiffsführer – davon muss einer dieses Kapitänspatents haben. Als kleinere Hürde erscheint das Wirtepatent. Es ist Voraussetzung für das Betreiben einer eigenen Gastronomie auf dem Schiff. Alternativ kann hier aber auch ein Catering zum Einsatz kommen.

Auf einen Käufer aus Deutschland kämen noch andere Hürden zu. Laut Hauptzollamt Singen würden bei einem Kauf die Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent und gegebenenfalls Zoll fällig. Insgesamt ist also eine Erhöhung des Kaufpreises um bis zu 20 Prozent möglich.

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Das Schiff könnte Kreuzlingen verlassen

In Anbetracht dieser Herausforderungen auf der Suche nach einem Käufer sagt Roland Neuenschwander: „Wir geben‘s dem, der‘s kauft.“ Das bedeutet, das MS „Delphin“ könnte – anders als ursprünglich vom Ehepaar erwünscht – den Kreuzlinger Hafen verlassen. Erika Neuenschwander ergänzt ihren Mann mit den Worten „Mir täte es schon weh, wenn es weg wäre.“ Das Motorschiff war seit seinem Bau in Oberwinter bei Remagen und seiner Fertigstellung in Basel auf keinem anderen Gewässer als dem Bodensee unterwegs.

Seit 1996 ist Kreuzlingen die Heimat der „Delphin“. Als größtes privates Schiff auf der Schweizer Seite des Sees befördert es jedes Wochenende bei gutem Wetter zahlreiche Passagiere. Zusätzlich fährt das Schiff Touren für private Gesellschaften. Beides würde der Stadt fehlen, meint die gebürtige Kreuzlingerin Patrizia Punzi: „Wir würden die ‚Delphin‘ vermissen, wenn sie weg wäre.“ Sie selbst fuhr mehrfach mit dem Schiff, zuletzt mit ihrem Arbeitgeber Thurgau Tourismus.

Das Ausflugsschiff hat einen Anlegeplatz im Kreuzlinger Hafen. Einheimische sagen: „Wir würden die ‚Delphin‘ vermissen, wenn sie weg wäre.“
Das Ausflugsschiff hat einen Anlegeplatz im Kreuzlinger Hafen. Einheimische sagen: „Wir würden die ‚Delphin‘ vermissen, wenn sie weg wäre.“ | Bild: Joshua Tress

Der mit den Neuenschwanders befreundete Hafenmeister Max Näf hofft hingegen, dass das Schiff einen neuen Eigentümer findet. Er wünscht dem Ehepaar den wohlverdienten Ruhestand. Doch auch er ist der Ansicht, dass das Schiff eine Aufwertung für Kreuzlingen ist. „Es wäre wunderbar, wenn es bliebe“, so Näf. Es würde ihn – und seine Kollegen – freuen, wenn das MS „Delphin“ unter gleichem Konzept weitergeführt würde.

Was passiert, wenn sich kein Käufer findet?

Auf einen neuen Eigentümer warte ein Schiff im „Top-Zustand“. Das Ehepaar habe immer viel am Schiff gemacht – es habe quasi neue Motoren. Im Januar kommt die „Delphin“ wieder in die Werft, um kleinere Erneuerungen vorzunehmen.

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Sollte sich bis zum Beginn der nächsten Saison kein neuer Besitzer finden, wird das Ehepaar weitermachen. Erika und Roland Neuenschwander würden sich freuen, wenn es einen passenden Käufer gäbe, verspüren aber auch keinen Zwang, das Schiff schnellstmöglich loszuwerden: „Wir wollen die richtige Person.“