Der geübte Pendler weiß: Der Weg zur Arbeit ist keine Frage der Navigation, sondern der Routine. Ob auf Gleisen oder auf Asphalt – wer täglich pendelt, kennt seine Schleifen, sein Zeitfenster, sogar die Eigenheiten der Baustellenampel bei Kilometer 13. Wer jedoch als Neuling unterwegs ist, erlebt die Strecke wie ein Überraschungsei: Man weiß nie, was man bekommt – und meistens ist es nicht das Spielzeug.
Bahnfahrer brauchen Vertrauen. In Fahrpläne. In Anschlusszüge. In das Wunder, dass beides gleichzeitig klappt. Autofahrer dagegen haben Technik. Sie fragen einfach das Navi. Google Maps zum Beispiel. Denn das weiß ja angeblich alles. Eigentlich.
Umleitung mit Systemfehler
Zwischen Winterthur und Waldshut gibt es derzeit ein besonders schönes Beispiel für digitales Vertrauen – und dessen Grenzen. Die Baustelle rund um den Kreisel Chrüzstrass bei Bülach ist groß, prominent und vor allem: schon länger da. Die offizielle Umfahrung? Direkt um die Baustelle herum, praktisch maßgeschneidert.
Nur hat das offenbar keiner Google Maps gesagt.
Denn wer zum ersten Mal die Strecke fährt und ohne Ortskenntnis auf das digitale Orakel vertraut, wird von der App mit feierlicher Selbstverständlichkeit auf eine 20 Kilometer lange Ehrenrunde geschickt. Rund um die Baustelle. Statt drumherum. Schneller wird man davon nicht, nur verwirrter. Und gestauter. Denn offenbar sind viele demselben unsinnigen Vorschlag gefolgt. Willkommen im Google-Pendler-Cluster.

Warum das so ist? Unklar. Schließlich existiert eine Umfahrung – 19 Kilometer kürzer, bestens ausgeschildert, extra eingerichtet. Aber vielleicht war gerade der Praktikant im Kartenteam auf Mittagspause. Noch absurder wird es, wenn einem am nächsten Morgen plötzlich doch die kurze Strecke angezeigt wird. Offenbar war die Gnade der Internet-Götter zurückgekehrt.
Da fragt man sich unweigerlich: Hat man gestern versehentlich bei der Navi-App den heiligen Algorithmus verärgert? Oder war es einfach Montag?
Vertrauen oder Zufall
Natürlich stellt sich die größere Frage: Wie sehr kann man sich auf Online-Karten noch verlassen? Sicher, sie sind aktueller als jeder zerfledderte Weltatlas aus dem Familienkombi von 1997. Und im ordnungsliebenden Schweizer Tiefbau sind Baustellen eigentlich zuverlässig eingetragen. Nur scheint das Google nicht zu interessieren – oder nur gelegentlich. Vielleicht nach Wetterlage. Oder Mondphase.
Aber wie gesagt: Man gewöhnt sich an alles. Auch an eigenwillige Umwege. Und eines Tages kennt man seine Route. Nur das Vertrauen in die digitale Wegweisung – das bleibt angeschlagen. Doch wer will schon mit der Papierkarte bis zum Atlantik? Eben.
Bis 2026 bleibt die Baustelle bei Bülach noch. Genug Zeit, damit Google Maps noch ein paar Mal den Kreisverkehr umkreist – oder irgendwann doch den direkten Weg findet.