Locarno ist eine schöne Stadt. Gelegen am Lago Maggiore im Kanton Tessin, gilt es wegen des mediterranen Klimas mit über 2000 Sonnenstunden im Jahr als wärmste Stadt der Schweiz. Etwas aus dem historischen Blickfeld verloren gegangen ist die Konferenz von Locarno, auch Locarno-Pakt genannt, in der im Oktober 1925 sieben völkerrechtliche Verträge verhandelt wurden. Im selben Jahr gründeten 18 Männer im Hotzenwald den Musikverein Niederwihl.

Das Eine mit dem Anderen zusammengebracht hat der Görwihler Bürgermeister Mike Biehler vor zwei Wochen in einer bemerkenswerten Rede am Festbankett zum 100-jährigen Bestehen des heute Trachtenkapelle Niederwihl heißenden Vereins. 1925 sei eine Zeit des Umbruchs und der Hoffnung gewesen, erzählte Biehler mit dem Hinweis auf den Locarno-Pakt. Dieser sei nach dem Ersten Weltkrieg „ein diplomatischer Versuch gewesen, den Frieden in Europa zu festigen“. Deutschland habe sich in der Weimarer Republik befunden, so Biehler, „ein politisch fragiles Gebilde, wirtschaftlich noch von der Inflation gezeichnet, aber auch von kulturellem Aufbruch geprägt“.

Musiker rechnen gern in Biereinheiten

In Niederwihl habe man die Währungsreform von 1924 abgewartet und danach den Musikverein gegründet. „Vielleicht auch deshalb, weil Musiker gern in Biereinheiten rechnen“, sagte Biehler möglicherweise aufgrund seines Insiderwissens, ist er doch Mitglied der Hotzenwald-Bauernkapelle Görwihl.

Dann listete er auf: „Im Jahr 1910 kostete auf dem Oktoberfest ein Bier noch 38 Pfennig. Im Jahr 1922 dann schon 50 Mark und erreichte 1923 den Höchststand von 21 Millionen Mark. Nach der Währungsreform im Jahr 1924 kostete das Bier wieder eine Reichsmark, was heute ungefähr 4,30 Euro entspricht.“ Sein Fazit: „Es war alles wieder beim Alten und so konnte man sich der Vereinsgründung widmen.“

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Was sonst noch 1925 geschah: Louis Armstrong veröffentlichte seine ersten Aufnahmen mit den Hot Five, was aus Sicht von Mike Biehler „die Geburt des Jazz markierte – ein Stil, der bald auch Europa erobern sollte“. Ebenfalls 1925 wurden in Niederhof und Schachen zwei weitere Musikvereine gegründet. Sie gibt es heute noch, anders als die Verträge von Locarno, die elf Jahre später ausgehebelt wurden.

Zurück zum Bier: Das kostet in Locarno in einer gastronomischen Lokalität zwischen 6 und 8 Franken, bei uns etwa 4 Euro, was 8 Mark entspricht. Am Festbankett vor zwei Wochen aber gab es Freibier. Das Bier kostete also weder 21 Millionen Mark noch 15 Euro oder 8 Franken, sondern gar nichts. Wenn das kein Fortschritt ist.