„Landleben – Der Bauer im Bild“: Sieht so die zaghafte Öffnung Richtung zeitgenössischer Kunst auf dem Hohenkarpfen aus? Der Titel der aktuellen Ausstellung hört sich recht altbacken an, doch tatsächlich erwartet den Besucher der Kunststiftung ein überaus gut recherchiertes und kuratiertes Bild des Landlebens zwischen Romantik und Gegenwart, in dem das Bild des Bauern nur einen der vielen Aspekten ausmacht.
Auch wenn der deutsche Südwesten eines der Zentren der Industrie in Deutschland ist, dominiert noch heute in weiten Teilen der ländliche Raum das Landschaftsbild. Ein Landschaftsbild, das gemäß dem Stiftungsprogramm in den Ausstellungen im Kunstmuseum Hohenkarpfen regelmäßig thematisiert wird und damit an einem idyllisch abgelegenen Ort, wo man das Kunstschöne direkt vor der Museumstür mit dem Naturschönen abgleichen kann.
Das Verschwinden der dörflichen Welt
Zum Landleben gehört, zumindest in der Erinnnerung, auch ein Dorfladen. So ein Relikt aus früheren Jahren hat der Mixed-Media-Künstler Reinhold Adt an seinem Wohnort Gunningen unterhalb des Hohenkarpfens zum Thema gemacht. Wie in einem Brennspiegel zeigt Adt in seiner fotografischen Collage das langsame Verschwinden der dörflichen Welt. Mit seinem zersplitterten Bild reflektiert der Künstler den Verlust der Heimat an sich. Denn nur was erinnert wird, bleibt lebendig – so lebendig wie „Theresia Schorpps Dorfladen in Gunningen“, den es übrigens unter anderem Namen immer noch gibt.
Rund um den Hohenkarpfen scheinen die Uhren doch noch etwas anders zu ticken. So wurde in Hausen ob Verena (Kreis Tuttlingen) bis heute kein Flurbereinigungsverfahren durchgeführt. Ein Luftbild zeigt das weitgehend unveränderte Landschaftsbild, wie es Jahrzehnte zuvor auf den Gemälden Felix Hollenbergs und Johanna Sulzmanns zu finden ist. Zu sehen ist auf den Gemälden eine kleinteilige Felderwirtschaft, wie sie immer noch rund um den Hohenkarpfen anzutreffen ist. An vielen Orten wie auch in Böblingen wird derzeit das 500-jährige Jubiläum des Bauernkriegs von 1524/25, einer der bedeutenden Freiheitsbewegungen der deutschen Geschichte, gefeiert.
Bauernkriege und Bauernproteste
Auch Mark R. Hesslinger, der Kurator der Ausstellung, nimmt dieses Ereignis zum willkommenen Anlass, das facettenreiche Bild des Bauern in der bildenden Kunst anhand exemplarischer Werke der vergangenen 200 Jahre epochenübergreifend zu veranschaulichen. Marc Siebenhüner, der 1989 in Bad Frankenhausen geborene und somit der jüngste Künstler der Ausstellung, greift in seinem Gemälde „Bundschuh“ nicht, wie man vermuten könnte, die historischen Bauernproteste seiner Heimatgemeinde auf, sondern die europaweiten Protestaktionen, die sich von Dezember 2023 bis März 2024 unter anderem gegen die Kürzung von Agrarsubventionen richteten.
Siebenhüner zeigt in seinem fragmentierten Bild ein zeitgenössisches und durchaus zeitkritisches Bild der Landwirtschaft und der Bauern – einer Zunft, die sich von der Mehrheit der Gesellschaft und von den politischen Entscheidungsträgern nicht richtig wertgeschätzt fühlt. Die gewaltige Explosion auf rosa Grund kann aber auch als mediale Reizüberflutung gesehen werden. Siebenhüner knüpft in seinem All-Over-Bild zumindest farblich an ein Highlight der Ausstellung an.

Traditionsgemäß – und die Ausstellungen auf dem Hohenkarpfen leben trotz vorsichtiger Öffnung Richtung aktueller Kunst von der Tradition – hängt ein solcher Glanzpunkt zentral gut von außen einsehbar. So dient Ernst Ludwig Kirchners 1924–1926 entstandenes expressionistisches Gemälde „Landschaft mit Gras rechenden Bauern“ als Türöffner für eine abwechslungsreiche Ausstellung, in deren Vielfalt so mancher Favorit zu finden ist.
Ein Meistwerk ist sicherlich auch Ida Kerkovius „Hirte“ (1916), nicht nur dann, wenn direkt vor dem Museum eine Schafherde grast. Wer es impressionistisch mag, wird bei Christian Landenbergers „Erdbeerbüble“ (1894) fündig, und wem der Sinn nach typisch schwäbischer Genremalerei des 19. Jahrhunderts steht, stößt auf Johann Baptist Pflugs adrett gekleidete Bauernfamilie und den nicht minder sauber herausgeputzten Kindern des Malers Jakob Grünenwald.
In dem breiten Spektrum, in dem das Landleben mal beschönigend wie auf Johann Georg Sauters Oberschwäbischer Jahrmarktszene (1836) daher kommt oder als Ausdruck harter, körperlicher Arbeit wie in Karl Caspars Bild „Waldarbeiter“ (1933) erscheint, fallen die Arbeiten des Böblinger Künstlers Fritz Steisslinger besonders auf. Auf den Wandteppichen und Gemälden, die zu Beginn der 1950er-Jahre in Brasilien entstanden sind, setzen sich die Protagonisten, die Hirten, Reiter und Gärtner gleichberechtigt auf Augenhöhe mit dem Künstler und dem Betrachter in Szene.
„Landleben – Der Bauer im Bild“ im Kunstmuseum Hohenkarpfen, Hausen ob Verena, bis 9. November, Mi-So Fe, 13.30 Uhr bis 18.30 Uhr. Kunsthistorische Führungen: Jeden Mittwoch um 17 Uhr und am 1. Sonntag des Monats um 16 Uhr.