Seinen Namen kann man sich nicht aussuchen – und auch nicht beeinflussen, was Namensvetter so alles treiben. Doch im Alltag hat das alles große Auswirkungen. Welche, das erzählen Träger kurioser Namen.
Ein Besuch auf der Ananas-Plantage
Eigentlich gibt es nicht die eine Geschichte. Es ist vielmehr ein ständiges kleines Phänomen, das Anna Nass aus der Nähe von Bonn immer wieder erlebt. Ein leichtes Zögern, dann ein Grinsen, manchmal auch ein kurzer Lacher – ihr Name sorgt einfach für Aufmerksamkeit. Und für Gesprächsstoff. „Ich erlebe ständig das Schmunzeln meines Gegenübers“, erzählt sie. „Auch am Telefon. Und das hilft enorm – man wird einfach nicht vergessen.“ Wenn sie ein zweites Mal anruft, müsse sie nie mehr erklären, worum es beim letzten Gespräch ging. „Man erinnert sich sofort. Und es entsteht schnell ein persönlicher Draht.“
Der praktische Nutzen ihres Namens ist also nicht zu unterschätzen. Und auch nicht der unterhaltsame. „Das Geschenkepotenzial ist unerschöpflich“, erzählt sie mit einem leicht ironischen Unterton. Manchmal führt der Name sogar zu unerwarteten Extras – wie im letzten Urlaub auf den Azoren. Sie und ihr Mann hatten sich einen Fahrer gebucht, der sie über die Insel führen sollte. „Ich habe ihm auf Englisch meinen Namen erklärt – Anna Nass“, erzählt sie. Am Ende der Tour hatte der Fahrer noch eine Überraschung parat: einen Abstecher zu einer Ananas-Plantage. Die war eigentlich gar nicht für Besucher geöffnet. „Aber wegen meines Namens hat er das für uns eingefädelt. Das hat richtig Spaß gemacht.“
Friedrich Merz und sein Bruder

Sein Name ist wohl allen bekannt, aber er selbst ist nicht der, für den ihn viele zunächst halten. Friedrich Merz aus Berlin ist kein Bundeskanzler, sondern Fachjournalist. Er lebt schon lange mit den komischen Blicken und den Kommentaren seiner Gegenüber, aber ist mittlerweile daran gewöhnt. Ans Telefon geht er mit einem fröhlichen „Ja? Friedrich Merz am Apparat“ und fängt an, die Geschichten um seinen Namen zu erzählen. Wenn Friedrich Merz einen Raum betritt und jemand seinen Namen sagt, geht ein leises Raunen durch die Reihen. Kein Scherz. „Es ist wie ein Reflex“, sagt er. „Mein Name löst ein Zucken bei den Menschen aus“.
Dabei ist Friedrich Merz gar kein Politiker. Er arbeitet als Fachjournalist für physio.de, ein Informationsdienst speziell für Physiotherapeutinnen und -therapeuten. Als Journalist ist sein Name nicht von Vorteil. „Ich bekomme oft keinen Zugang zu Bundespressekonferenzen“, erzählt er auch ein wenig belustigt. „Dann heißt es: nein, Friedrich Merz hat keinen Eintritt.“ Ihm werde nie neutral begegnet, sein Name sorgt für Gespräche. „Ich habe mich längst daran gewöhnt, dass mein Name Reaktionen auslöst. Meistens keine neutralen“, sagt Merz am Telefon. „Manche ältere Herren bekommen leuchtende Augen, als hätten sie den CDU-Fraktionschef persönlich vor sich. Andere verdrehen sofort die Augen.“
Die Verwechslungen ziehen sich durch sein Leben – oder besser gesagt: durch das Leben seines Bruders. „Der sieht nämlich aus wie Markus Söder und spricht auch so“, sagt Merz und lacht. Er und sein Bruder seien aus Franken, der Dialekt seines Bruders plus das Aussehen sorgten oft für Verwirrung. Und wenn ihn jemand fragt: „Entschuldigen Sie, sind Sie Markus Söder?“, dann antworte der Bruder trocken: „Nein, aber mein Bruder ist Friedrich Merz.“
Oberbillig wie Unterteuer

Nicht ganz so politisch, aber trotzdem auffällig lebt Sybille Oberbillig. Mit ihrem Namen bringt sie viele Menschen zum Lachen. „Seit 2021 arbeite ich bei Mode Zinser in Singen an der Kasse, da könne Sie sich sicher bildlich vorstellen, wie es ist, wenn Kunden mein Namensschild lesen“, erzählt sie. Der Name sorgt auch am Telefon immer wieder für Stimmung. „Wenn der Angerufene noch einmal nachfragt, wie ich heiße, sage ich meist Oberbillig wie Unterteuer ... dann gibt es wieder ein freundliches Lachen ... meistens...“. Auf ihren Namen ist sie stolz. Nach der Scheidung mit ihrem Mann hat sie ihn behalten.
Gebürtig heiße sie eigentlich Wicherts, wie „Die Wicherts von nebenan“, eine ZDF-Serie aus den 80ern. Doch Frau Oberbillig gefällt ihr wohl besser. Der Name Oberbillig sei schon sehr alt und komme aus dem Römischen, erklärt Sybille. Die Geschichte, die sie dazu aus dem Ärmel schüttelt, klingt wie ein Kapitel aus einem Heimatkundebuch: Ein römischer Feldherr bekam einst Land geschenkt – ein Ort namens Platz des Billinius. Daraus wurde Billing, dann teilte sich das Dorf. Heute gibt es tatsächlich zwei Orte: Oberbillig und Wasserbillig, idyllisch gelegen an der Mosel nahe Trier. „Ich habe also nicht nur einen alten Namen, sondern quasi auch eine eingebaute Postleitzahl“, betont Sybille.
Olaf Scholz am Telefon

„Ich dachte, das wäre jetzt vorbei“, schreibt Olaf Scholz – leicht amüsiert. Schon 2021 war er Teil einer Mediengeschichte – damals als einer von vielen Menschen mit prominenten Namen. Seitdem hat sich nicht viel geändert. Er heißt immer noch Olaf Scholz. Und nein, er ist nicht der ehemalige Bundeskanzler. Eine spektakuläre Geschichte hat er nicht zu erzählen. Aber vielleicht ist genau das der Clou: dass der Name eher beiläufig für kleine Irritationen, Lacher oder Erstaunen sorgt – im Alltag, bei der Arbeit, am Telefon.
„Manchmal hat mein Name das Eis gebrochen“, erzählt er. Etwa, wenn es um ärztliche Termine ging. Oder wenn Kolleginnen und Kollegen seinen Anruf dazu nutzten, um sich bei Familie oder Freunden wichtig zu machen. „Schau mal, wer mich gerade anruft“ – das sorgt dann doch kurz für große Augen. Besondere Anekdoten? Eher nicht. Olaf Scholz bleibt da bescheiden. Kein Rummel, keine Show – aber ein Name, der garantiert hängen bleibt.
Die wohl älteste Bürgermeisterin in Stockach

Seit 88 Jahren lebt Elisabeth Bürgermeister in Stockach. „Ich bin eine richtige Altstockacherin“, erzählt sie stolz. Ihr Name hat sie ebenfalls seit 88 Jahren und vertritt diesen auch mit der nötigen Ausstrahlung. Ihr stattliches Aussehen und ihre selbstbewusste Art in Kombination mit ihrem Nachnamen haben schon oft zu Missverständnissen geführt. Lange Zeit war sie Stadträtin in Stockach und war viel auf Terminen unterwegs. „Wenn ich mich vorgestellt habe, standen viele mit Ehrfurcht vor mir und fragten: Sind sie die Bürgermeisterin?“, erinnert sich Bürgermeister. Nicht zuletzt war wohl auch ihr Aussehen – groß, elegant und ansehnlich – dafür verantwortlich. „Ich musste dann immer erklären: Nein, ich bin nicht die Bürgermeisterin. Bürgermeister ist nur mein Nachname“.
Aber auch der ehemalige Bürgermeister Franz Ziwey erlaubte sich immer wieder einen kleinen Scherz mit Frau Bürgermeister. „Bei Veranstaltungen stellte er mich immer mit den Worten vor: Das ist Frau Bürgermeister, wir sind nämlich eine so reiche Gemeinde, wir können uns sogar zwei Bürgermeister leisten“, erzählt sie lachend. Kleine Momente an die sie sich gern erinnert. Stolz ist sie allemal auf ihren Namen. „Ich bin wohl die älteste Bürgermeisterin in Stockach“, sagt sie lachend. Ob einer ihrer Vorfahren mal Bürgermeister war, weiß sie leider nicht, aber schon in der Grundschule habe sie diese Theorie aufgestellt.