„Müllblindheit“ – dieses Schlagwort hört Radovan Rábl (51) 2019 in einem Fernsehinterview. Von da an lässt es ihn nicht mehr los.
„Das Wort beschreibt die Tendenz von uns allen, Weggeworfenes in unserer Umwelt einfach zu ignorieren“, sagt der Klettgauer. „Bei mir war es, als wäre ein Schalter umgelegt worden: Bei jedem Spaziergang und jeder Autofahrt habe ich seit diesem Moment überall Müll gesehen!“
Weil ihn Verpackungsabfälle und Zigarettenkippen plötzlich stören, wie ein spitzer Stein im Schuh, legt er los: „Ich habe mir Säcke geschnappt und bin alleine durch den Wald gezogen, um alles, was da nicht hingehört, einzusammeln“, erinnert sich der Gitarrenlehrer.
Auszeichnung macht Mut
Weil ihn ein Förster dabei beobachtet, erfährt Klettgaus Bürgermeister Ozan Topcuogullari davon und würdigt sein Engagement am Neujahrsempfang 2020 mit einer Urkunde. „Während der Rede habe ich den Entschluss gefasst, eine Initiative ins Leben zu rufen“, so Rábl. Die Initiative „Klettgau Cleaners“ hat seither fast zwölf Tonnen Müll in der Gemeinde eingesammelt.

Entsorgen dürfen die Ehrenamtlichen den Unrat über den Gemeinde-Betriebshof. Zangen, Eimer, Schutzwesten und Handschuhe hat der Putz-Hersteller Sto gestiftet.
Über WhatsApp, Soziale Medien und im Gemeindeblatt macht Rábl auf sechs Sammelaktionen pro Jahr aufmerksam. „Im Schnitt kommen etwa 20 Freiwillige pro Einsatz und sammeln in zwei Stunden etwa fünf Kilo Müll pro Person!“
Die nächste Generation sensibilisieren
Ob Mikrowellen, Reifen, Hausmülltüten oder to-Go-Verpackungen und Glasflaschen – die Straßenränder, Wälder und Wiesen halten bei jedem Einsatz neue hässliche Überraschungen bereit. „Manche vergraben den Müll sogar unter Laub und Erde, um ihre Schandtaten zu vertuschen“, sagt er.

Mit Aktionen in Grundschulklassen möchte er weiter Aufklärungsarbeit leisten und die nächste Generation sensibilisieren: „Dass unsere Wildtiere Plastikmüll fressen können und Mikroplastik sowie Giftstoffe in unseren Grundwässern, Böden und damit auch in unserer Nahrung landen – das sorgt bei den Kindern jedes Mal für Aha-Momente.“
Erste Privatinitiative im Landkreis
Bei einem Sammeleinsatz habe ein Mädchen geweint und gesagt: „Der ganze Müll tut der Natur doch weh und macht unsere Tiere krank!“
Die Klettgau Cleaners waren die erste Privatinitiative im Landkreis Waldshut. Mittlerweile haben sich auch Gruppen in Tiengen, Wutöschingen, Küssaberg und Hohentengen gebildet.
„Dass diese Idee in Zukunft weiterwächst und von neuen Gemeinden aufgegriffen wird – das wünsche ich mir“, sagt Radovan Rábl. Gerne unterstützt er dabei und gibt die Erfahrungen weiter, was Gespräche mit der Gemeinde, die Organisation von Events und die Suche von Sponsoren betrifft.
Bundesweiter Aktionstag
Seit 2022 ist Rábl auch zweiter Vorsitzender des Vereins „Let‘s Do It! Germany e.V.“, der den UN-Aktionstag „World Cleanup Day“ immer am 20.¦September bundesweit organisiert. Das Motto: „Die Welt räumt auf. Deutschland macht mit.“ Das langfristige Ziel: Fünf Prozent der Weltbevölkerung an diesem Tag zum Aufräumen bewegen.
Rábl will mit einer Botschaft Mut machen: „Jeder kann bei Spaziergängen Bonbon-Verpackungen mitnehmen, genauer hinschauen und nicht mehr müllblind durch die Heimat laufen.“
Seine Vision ist, mindestens einmal mit 500 Helfern durch den Klettgau zu schwärmen und aufräumen. „Um ein Statement zu setzen“, sagt er. „Wir alle produzieren Müll, wir alle essen aus der Natur und Landwirtschaft – deshalb geht dieses Thema uns alle an!“