Truppen für den Papst. Das ist lange her, könnte man meinen. Weit gefehlt! Jahr für Jahr werden neue Soldaten der berühmten Schweizergarde vereidigt. So war es auch am vergangenem Samstag wieder. Der 6. Mai ist der heilige Tag der Schweizergarde.

Für den Vatikan, dem die jungen Männer aus der katholischen Schweiz mit ihren farbenfrohen Uniformen dienen, ist das ein großer Tag, tief beladen mit Symbolik. Und ein noch größerer Tag für die Familien, deren Söhne für zwei Jahre nach Rom ziehen, um dort die wohl interessanteste Aufgabe wahrzunehmen, die man in Uniform verrichten kann: dem Papst dienen, ihn schützen und den Kirchenstaat markensicher repräsentieren.

Ein Rekrut der Schweizer Garde schwört bei der Vereidigungs-Zeremonie im Vatikan. Die Vereidigung neuer Rekruten findet traditionell am ...
Ein Rekrut der Schweizer Garde schwört bei der Vereidigungs-Zeremonie im Vatikan. Die Vereidigung neuer Rekruten findet traditionell am 6. Mai statt. | Bild: dpa

Der Tag der Vereidigung hat mit Blut zu tun. Am 6. Mai 1527 wurde Rom von den Söldnern des Kaiser Karl V. überfallen. Die katholischen Söldner plünderten erst die Stadt, dann den Sitz von Papst und Kurie in der Vatikanstadt – dass der Papst ebenfalls katholisch war, hinderte sie nicht. Unter Lebensgefahr brachten die Gardisten aus der Schweiz den Papst in Sicherheit. Von den 189 Leibwächtern überlebten nur 42. Die anderen hatten ihr Leben für Papst Klemens VII. gegeben.

„Treu, redlich und ehrenhaft“

Der Verweis auf diese Vergangenheit ist wichtig, um die Bedeutung der Eidleistung zu verstehen. Wochenlang haben die jungen Männer aus Glarus, Luzern oder Graubünden geübt und exerziert. Wer einen Blick in den Innenhof der Kaserne innerhalb des Vatikan tun konnte, sah schnell: Die Vereidigung ist eine ernsthafte Sache. Jeder Gardist schwört, dass er „treu, redlich und ehrenhaft dem regierenden Papst und seinen rechtmäßigen Nachfolgern“ dienen werde.

So kennt man sie: Die Gardisten stehen alleine oder zu zweit vor den Eingängen in die Vatikanstadt.
So kennt man sie: Die Gardisten stehen alleine oder zu zweit vor den Eingängen in die Vatikanstadt. | Bild: Ulrich Fricker

Die Arbeit in Rom ist vielfältig. Die Schweizergardisten bewachen den Vatikanstaat, an jedem Eingang stehen mindestens zwei Mann. An wichtigen Türen im Inneren sind sie ebenfalls postiert, damit Besucher nicht versehentlich im Wohnzimmer des Papstes stehen. Zudem sind sie Leibwächter: Bei großen Audienzen oder bei Auslandsreisen assistieren die Gardisten aus den Bergen.

Auch Anzüge mit Krawatte

Diesmal tragen sie klassisch dunkelgraue Anzüge mit Krawatte und statt der malerischen Hellebarde auch eine Schusswaffe. Wie gefährdet das Leben des katholischen Oberhauptes ist, zeigen Übergriffe von Touristen und Pilgern. Für den Leibwächter sind das Schreckmomente. Ebenso die gelegentlich überraschenden Aktionen von Papst Franziskus, der die Nähe von Menschen regelrecht sucht.

Christoph Graf gehört zu den erfahrenen Offizieren, der die Bewegungen seiner Männer, ihre Handgriffe und Schritt genau verfolgt. Graf stammt aus dem Kanton Luzern, er sagt: „Viele Kommandanten kamen aus diesem Kanton.“ Schnell wird er emotional, wenn er über die Bedeutung der Schweizergarde spricht, ihre Verflochtenheit mit den Päpsten der Neuzeit.

Christoph Graf, Kommandeur der Schweizergarde, stammt aus dem Kanton Luzern. Er hat den Rang eines Obersten.
Christoph Graf, Kommandeur der Schweizergarde, stammt aus dem Kanton Luzern. Er hat den Rang eines Obersten. | Bild: Ulrich Fricker

Graf diente bisher drei Päpsten: Unter Johannes Paul II. wurde er ausgebildet. Schnell nahm er höhere Stellungen ein. Papst Franziskus berief ihn 2015 zum Kommandanten. Inzwischen wird der 61-Jährige aus Pfaffnau (Gemeinde Willisau) als Oberst angesprochen. „Das ist der höchste Rang bei der Schweizergarde“, erläutert er im Gespräch; der Rang eines Generals ist bei der 136 Mann starken Truppe nicht vorgesehen.

„Wir suchen Nachwuchs“

In diesem Punkt legt sich die Stirn des Chefs leicht in Falten. 136 Mann markieren die Sollgröße. Momentan dienen exakt 126 Männer (Frauen sind nicht zugelassen). „Wir suchen Nachwuchs“, sagt der Kommandeur. Die Gründe für die leicht rückgängige Zahl seien vielfältig, so Graf.

Wozu gibt es die Schweizergarde?

Einmal hatte die Coronazeit das Anwerben von jungen Männern und damit das Reisen nach Italien erschwert. Ein weiterer Grund, der auch Außenstehenden einleuchtet: Die Lage in einigen katholischen Kantonen in der Schweiz stellt sich als prekär dar. Und das Katholische, ergänzt Christoph Graf, sei so wichtig wie das rein Militärische. Der Dienst in der Garde habe auch eine spirituelle Seite. Die Kaserne gleich hinter dem prächtigen Anna-Tor gehört nicht nur völkerrechtlich zum Vatikan – man lebe dort auch „fast wie in einem Kloster“, erwähnt der Kommandeur.

Familien sind auch in der Kaserne

Aber nur fast. Denn die länger dienenden Kader leben mit Familie hinter der hohen Mauer des Vatikan in der Kaserne. Durch diese Räume will Oberst Graf seine Gäste freilich nicht führen, da sie in die Jahre gekommen seien. Hinter der historischen Fassade steckt viel alte Technik. Eine neue Kaserne soll gebaut werden – von der Kantine bis zu den Schlafstuben. Die Schweiz hat die Gelder bereits zugesagt. Nun bedarf es noch der Feinplanung, was in dem multinationalen Konglomerat namens Vatikanstaat nicht auf die Schnelle geht.

In der historischen Waffenkammer stellt die päpstliche Garde ihre alten Uniformen und Waffen aus. Auch Schusswaffen werden gezeigt, ...
In der historischen Waffenkammer stellt die päpstliche Garde ihre alten Uniformen und Waffen aus. Auch Schusswaffen werden gezeigt, ihren Gebrauch üben die Soldaten. | Bild: Ulrich Fricker

Die Schweizergarde ist eines der prägenden Merkmale des Vatikan – seine bunte und zugleich Respekt einflößende Schauseite, jenseits der Arbeit der Dikasterien (Ämter). Der Petersplatz ohne die Wächter mit den gelb-blauen Gamaschen wäre gleichsam leer. Umgekehrt profitiert auch die Eidgenossenschaft von ihren 126 „Botschaftern“ in Italien. Sie werben für die Schweiz, sie verkörpern Treue und Zuverlässigkeit, zeigen die positive Seite des kleinen Landes, das eben nicht nur auf seine Tresore und Banken stolz sein will.

„Meine Mutter ist stolz auf mich“

Eliah Cenotti, Korporal der Garde, sagt es so: „Meine Mutter ist stolz auf mich.“ Dafür nehmen diese Männer einen Lohn hin, der im Vergleich zum Schweizer Durchschnitt geringer ausfällt: 1360 Franken erhält ein einfacher Gardist im Monat, netto.

Dafür winkt dem gewöhnlichen Soldaten ein unbezahlbares Plus, wenn er nach 24 Monaten Dienst in seinen Kanton zurückkehrt: Bei einer Bewerbung ist die Station „Schweizergarde“ unbedingt ein Pluspunkt. In der eidgenössischen Wirtschaft würde jemand, der zuvor dem Papst gedient hat, hoch respektiert. Dieser Vermerk in der Vita mache einen Kandidaten bei jedem Personalchef interessant. „In der Wirtschaft weiß jeder: Das sind gute Leute.“