Sabine Dobel, dpa

Mindestens 50 Kilo mehr. Sie hat ein bisschen zugelegt. Aber es geht ihr gut. Yvonne, die vor fünf Jahren als „Kuh, die ein Reh sein will“ Schlagzeilen machte, lebt bei gutem Futter auf dem Gnadenhof Gut Aiderbichl im bayerischen Deggendorf. Sie war 2011 vor der Schlachtbank geflohen und hatte sich fast 100 Tage in den Wäldern bei Mühldorf am Inn versteckt.

„Es geht ihr blendend“, berichtet Aiderbichl-Sprecherin Sonja Großmann. Yvonne, die im Juli elf Jahre alt wird, teile den Stall mit ihrer „Familie“: Das sind die Söhne Friesi und Orki, Schwester Waldtraut und deren Sohn Waldi. Viele Besucher kämen, um die berühmte Kuh zu sehen. Neben Gras, Äpfeln und Karotten schätzt Yvonne eine Art Müsliriegel: „Ein Müsli mag sie sehr gern“, sagt Hans Wintersteller, der seinerzeit für Yvonne wochenlang durch den Wald streifte und den Kontakt zu ihr sogar über ein Medium herzustellen versuchte. Das Müsli bestehe aus gepressten Haferflocken, Heu und Karotten. „Es ist ein Spezialmix für Rinder.“ Das leckere Fressen schlägt auf die Hüften. Yvonne wiege jetzt etwa 600 Kilo. „Für eine Kuh mit der Statur ist das gar nicht übergewichtig.“

Bei ihrer Flucht sei sie ständig in Bewegung und durchtrainiert gewesen. „Sie ist ja nur gelaufen, gelaufen, gelaufen.“ Yvonnes jetzige Weide ist 30 mal 30 Meter groß. Begrenzter Auslauf. Kühe, so heißt es freilich beim Deutschen Bauernverband, laufen nicht sehr viel und sind grundsätzlich ganz gern zu Hause im Stall. „Eine Kuh ist Herdentier und sucht Schutz. Sie fühlt sich in ihrem Stall wohl“, sagt Sprecherin Anni Neu. „Aber es gibt immer Ausnahmen.“ Die ehemalige Milchkuh „Yvonne“, die damals noch auf den Namen Angie hörte, war im Mai 2011 aus Kärnten nach Bayern verkauft worden. Und wollte nicht in den Stall. Dem neuen Besitzer, der sie angeblich irgendwann schlachten wollte, entkam sie gleich bei der Ankunft.

Yvonne lief jedoch schnurstracks in den Wald – und fiel dort wochenlang nicht besonders auf. Erst als sie beinahe in ein Polizeiauto rannte, wurden die Behörden aufmerksam. Yvonne war plötzlich ein Sicherheitsrisiko. Das Landratsamt Mühldorf erließ eine Anordnung zum Abschuss aus Sicherheitsgründen.

Die Verfügung sorgte weit über Deutschlands Grenzen für einen Aufschrei der Empörung. Helfer des Gnadenhofs Gut Aiderbichl strömten aus, die Kuh zu retten. Futter, der flotte Ex-Zuchtstier Ernst, Schwester Waldtraut, Pferde, Dackel Mirko, ein Spurensucher und das Medium: Mit immer neuen Mitteln versuchten die Aiderbichler, die Kuh mit der Ohrmarke 6403, für die sie nun die Verantwortung übernommen hatten, zu fangen. Doch Yvonne narrte die Verfolger, versteckte sich im Unterholz – und sorgte für Riesenrummel. Mit Helikopter, Wärmebildkamera und Geländewagen suchten Wintersteller und andere Helfer Yvonne, vergeblich. Immerhin fanden die Tierschützer frische Spuren: Einmal meldeten sie einen maximal einen Tag alten Kuhfladen, ein andermal einen umgerannten Zaun. Der örtliche Jagdpächter Erich Loserth, sprach von „Klamauk“.

Dabei wuchs die Yvonne-Fangemeinde im Internet, es gab T-Shirts mit der Forderung „Esst mehr Gemüse! Freiheit für Yvonne!“ Ihre Anhänger feierten sie als freiheitsliebend – wie Braunbär Bruno fünf Jahre zuvor. Bei Yvonne brachten die schon bei Bruno erwogenen Fangmethoden Erfolg: Am 2. September 2011 wurde sie von dem ehemaligen Münchner Tierparkdirektor Henning Wiesner und Aiderbichl-Mitarbeitern mithilfe von Betäubungspfeilen und Haltegurten eingefangen.

„Sie ist auch heute noch eine sehr selbstbewusste Kuh“, sagt Sonja Großmann von Gut Aiderbichl. „Sie ist sehr dominant.“ 2012 bewies Yvonne einmal mehr ihren Sinn für Anarchie. Bei der Fußball-EM als tierisches Orakel eingesetzt, drehte sie die Regeln um. Nach drei Spielen, die sie durch Wahl des Futtertrogs vermeintlich falsch tippte, fand man heraus: Sie orakelte statt des Siegers den Verlierer. So herum betrachtet erreichte sie bei fünf Spielen eine Trefferquote von 100 Prozent.

Auch diese Tiere waren in den Schlagzeilen

  • Kaiman Sammy: Der 80 Zentimeter lange Brillenkaiman wurde 1994 in der Boulevardpresse zur„Bestie vom Baggersee“. Er war bei einem Badeausflug mit seinem Besitzer bei Dormagen im Rheinland abgetaucht. Nach einemMedienspektakel mit einwöchiger Jagd landete Sammy im Zoo. Dort soll er 2013 gestorben sein.
  • Problembär Bruno: Das aus Tirol zugewanderte Tier stapfte 2006 durch Oberbayerns Wälder. Zum Verhängnis wurde dem Braunbär sein Appetit auf Schafe. Um sie zu erbeuten, kam er Siedlungen nahe. Er wurde deshalb von der bayerischen Regierung als gefährlich eingestuft und zum Abschuss freigegeben.
  • Känguru Skippy: Das exotische Beuteltier sorgte im Sommer 2015 im Sauerland für Aufregung. Es wurde immer wieder gesichtet, konnte aber nicht eingefangen werden. Schließlich saß Skippy auf einer umzäunten Wiese in Nordhessen wie in einer Falle fest und wurde zu einer Züchterfamilie gebracht. (dpa)