Die Bilanz des Hitzesommers 2003 war verheerend: Allein in Deutschland starben in der ersten Augusthälfte nach Berechnungen der Münchener Rückversicherungsgesellschaft rund 3500 Menschen an der Folge extrem hoher Temperaturen. Dazu kamen in Frankreich 14.800, in Italien 4000, in Spanien 2000, in Portugal 1300, in Großbritannien 900 und in den Niederlanden weitere 500 Todesopfer. Das französische Gesundheitsforschungsinstitut Inserm kam bereits 2007 auf deutlich höhere Zahlen mit insgesamt 70.000 Hitzetoten in Europa.
Weisen Klimaforscher darauf hin, dass solche Hitzewellen in unseren Breiten mit dem Klimawandel häufiger auftreten und extremer werden, liegt die Vermutung nahe, dass Klimaschutz Menschenleben retten kann. Wie viele das sein könnten, schätzen Eunice Lo von der University of Bristol in England und ihre Kollegen. Allein in der Stadt New York könnten während einer einzigen Hitzewelle etwa 2700 solcher Hitzetoten vermieden werden, sollte der Anstieg der durchschnittlichen Temperaturen auf der Erde von drei auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden.
Klimaschutz rettet Menschenleben
Sollten die Temperaturen um nicht mehr als 1,5 Grad Celsius steigen, berechnen die Forscher in ihren Modellen für alle 15 in den USA untersuchten Städte Tausende Tote weniger durch eine große Hitzewelle. Mit solchen Zahlen zeigen die Forscher klar, dass ein verstärkter Klimaschutz viele Menschenleben rettet. Denn bisher haben sich die Unterzeichner des Pariser Klimaabkommens nur zu Maßnahmen verpflichtet, die zu rund drei Grad höheren weltweiten Temperaturen führen würden.
Als im Juli 1995 eine solche alle 30 Jahre auftretende Hitzewelle die US-Großstadt Chicago traf, gab es dort 514 Hitzetote. Steigen die globalen Temperaturen um drei Grad Celsius dürften sich solche Hitzewellen nicht mehr nach durchschnittlich 30 Jahren, sondern bereits nach statistischen 1,4 Jahren wiederholen. Erreichen die Länder der Erde dagegen gemeinsam das 1,5-Grad-Ziel, würde diese Hitzewelle nur noch alle 4,7 Jahre 835 Menschen in Chicago das Leben kosten. So würden bereits in fünf Jahren allein in dieser US-Stadt weit mehr als 2500 Opfer vermieden. Ambitionierter Klimaschutz zahlt sich also viel stärker aus, als die Opferzahlen einer einzigen Hitzewelle vermuten lassen.
Allerdings wissen Experten wie Andreas Matzarakis, der beim Deutschen Wetterdienst das Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung in Freiburg leitet, dass sich eine Temperaturerhöhung unter 1,5 Grad Celsius bereits nur noch mit extremer Anstrengung erreichen lässt. „Allerdings wurde nach dem Sommer 2003 auch einiges in die Wege geleitet, um die Auswirkungen von Hitze auf Menschen zu verringern“, erklärt der Medizin-Meteorologe.
Regeln bei der Hitzewelle
Die wichtigste Maßnahme spielt sich dabei in den Köpfen ab: „Die Menschen müssen wissen, wie sie sich bei einer Hitzewelle verhalten sollen“, erklärt Andreas Matzarakis. Das sind oft ganz einfache Verhaltensmaßregeln wie nächtliches Lüften der Wohnung, während tagsüber geschlossene Fenster und Rollläden die Hitze aussperren. Anstrengungen sollten in kühlere Tageszeiten verlagert werden. Da der Körper bei hohen Temperaturen sich durch Schwitzen selbst kühlt, sollte man genug trinken, um den Flüssigkeits- und Salzverlust auszugleichen. Das gilt natürlich besonders für Ältere und geschwächte Menschen. Krankenhäuser sollten daher Klimaanlagen einbauen, um die Patienten zu schützen. „Besonders wichtig aber sind Warnungen vor einer starken oder extremen Hitzebe-lastung“, fasst Andreas Matzarakis zusammen.
Ein Blick auf ein Thermometer genügt allerdings nicht als Warnung, weil die Belastung nicht nur von der Temperatur abhängt. Je höher zum Beispiel die Luftfeuchtigkeit ist, umso schlechter verdunstet der Schweiß. Da nur dieses Verdunsten den Körper kühlt, droht also bei hoher Luftfeuchtigkeit viel eher eine Überhitzung. Besonders gefährlich wird die Hitze, wenn sie mehrere Tage anhält. „Dabei spielen die Temperaturen in der Nacht eine wichtige Rolle, weil sich der Organismus beim Schlafen erholt“, erklärt Matzarakis.
Die Warnungen treffen auf offene Ohren
In warmen Nächten mit hoher Luftfeuchtigkeit kann sich der Körper kaum regenerieren und erholt sich so deutlich schlechter. Folgen mehrere solcher Nächte aufeinander, verschlechtert sich der Zustand zunehmend. „Ab dem dritten Tag und vor allem ab der dritten Nacht mit extremer Hitze steigt daher die Sterblichkeit deutlich an“, erklärt Andreas Matzarakis. Nach dem achten Tag sinkt sie dagegen wieder, weil der Organismus sich an die Hitze gewöhnt hat. Wenn Hitzewellen im Frühjahr und Frühsommer auf nicht angepasste Menschen treffen, sind sie daher gefährlicher als im Frühherbst, weil der Organismus dann bereits Hitzeerfahrungen gemacht hat.
Alle diese Faktoren fließen in die Hitzewarnungen des Deutschen Wetterdienstes ein. Diese Warnungen scheinen auch anzukommen: Auch wenn noch keine genauen Zahlen vorliegen, scheint der sehr heiße Sommer 2018 erheblich weniger Todesopfer als 2003 gefordert zu haben. „Eine wichtige Rolle hat dabei allerdings auch der frühe Beginn hoher Temperaturen und die meist niedrige Luftfeuchtigkeit gespielt“, fasst Matzarakis zusammen.