Es war nicht ganz so gut wie zu Hause. Mit Kakao, Zuckerplätzchen, Hühnchen, Maissuppe und Orangensaft feierten die Astronauten Frank Borman (40), James „Jim“ Lovell (40) und William Anders (35) am 24. Dezember 1968 als erste Menschen Weihnachten im Weltraum. „Ich hoffe, ihr hattet alle bessere Weihnachtsessen heute als unseres“, gab Anders zur Erde ins Kontrollzentrum nach Houston (Texas) durch.
Das magere Festmahl hatte die Astronauten nicht begeistert. Kein Wunder, denn die Crew hatte zwei aufreibende Tage hinter sich und vielleicht stand den drei Männern nicht der Sinn nach Essen. Grund: Etwa 20 Stunden nach dem Start in Kap Canaveral wurde Frank Borman übel und er musste sich zweimal übergeben. Unangenehm in der Schwerelosigkeit.
Den Flug zum Mond abbrechen?
Der frühere Luftwaffenpilot Borman hatte kurz zuvor eine Schlaftablette eingeworfen, weil er in der Schwerelosigkeit nicht einschlafen konnte. Zunächst hatte man in Houston befürchtet, er habe sich vor dem Start eine Magen-Darm-Entzündung eingefangen oder sei durch Weltraumstrahlung erkrankt. Als sich der Zustand des Kommandanten einige Stunden später besserte, konnte man bei der Nasa durchatmen. Denn bei Mission-Control hatte man bereits darüber diskutiert, den Flug zum Mond abzubrechen und die Crew zur Erde umkehren zu lassen.

Was heute immer noch etwas Besonderes ist, nämlich eine Live-Schalte etwa mit „Astro-Alex“ Alexander Gerst in der Internationalen Raumstation ISS, war auch vor 50 Jahren schon machbar. Aus einer Entfernung von 221 940 Kilometern zur Erde wurde die erste von sechs geplanten TV-Übertragungen gestartet: Anders filmte Borman und Lovell, die Gegenstände durch die Schwerelosigkeit schubsten, ein Gag, der noch heute bei den Zuschauern ankommt.
Am dritten Tag des Flugs, am 24. Dezember um 2 Uhr morgens, steuerte die Crew auf den Höhepunkt der Reise zu, den Einschuss in die Mondumlaufbahn. Um einzuschwenken, musste ein Triebwerk gezündet werden. Dabei sahen die Männer vom Mond nichts, weil das Raumschiff auf die Erde ausgerichtet war. Jetzt wurde es auch für Mission Control spannend, denn die Funksignale von Apollo 8 rissen auf der Rückseite des Mondes ab – und das für eine halbe Stunde. Erstmals sahen Menschen die Kraterlandschaft auf der Rückseite des Mondes. Sie ist von der Erde aus nicht zu sehen, weil der synchron mitdrehende Mond der Erde immer die gleiche Schauseite zeigt.
Zweimal hatte das Raumschiff den Mond umkreist und war kurz davor, wieder Funkkontakt zur Erde zu bekommen, da bahnte sich an, was kurz darauf zu einem der spektakulärsten Momente der Weltraumgeschichte werden sollte. Die Spitze des Raumschiffs wies Richtung Mond, und Borman ließ das Raumschiff um seine Längsachse rotieren, als die Erde plötzlich im Seitenfenster auftauchte.
Borman war begeistert: „Oh, mein Gott! Seht euch dieses Bild da an! Hier geht die Erde auf. Mann, ist das schön!“ Er machte ein erstes Schwarz-Weiß-Bild der aufgehenden Erde, die sich noch knapp über dem Mondhorizont befand. William Anders griff nach einer schwedischen Hasselblad-Kamera, schraubte das längste deutsche Zeiss-Objektiv drauf, das er finden konnte, legte einen Farbfilm ein und knipste los. „Ich habe einfach klick-klick-klick-klick-klick gemacht“, erinnerte sich Anders später. Heraus kam eines der wohl bekanntesten Fotos der Welt: „Earthrise“ – Erdaufgang. Anders nahm das Foto mit dem Mondhorizont in der Vertikalen auf. Aber weil es imposanter wirkt, wurde das Bild meistens um 90 Grad gedreht gezeigt.
Von der Nasa unter der Nummer „AS08-14-2383“ veröffentlicht, veränderte das Earthrise die Sicht der Menschheit auf unseren Planeten. Es wurde zum Symbol für die Fragilität und Isolation der Erde und wird von vielen sogar als Auslöser für die Umweltbewegung angesehen. Earthrise, aufgenommen lange vor der Erfindung von Digitalkameras, inspiriert auch bis heute Astronauten wie Alexander Gerst, der von seinen beiden Ausflügen zur ISS viele Fotos im Internet geteilt hat.



Ein unbedeutender Planet
„Earthrise“-Fotograf Anders findet sein Foto dagegen eigentlich nur „schlecht“. Es sei einfach nicht ganz scharf, sagte er jüngst. Aber der Anblick der kleinen blauen Erdkugel halb im Schatten hinter dem Horizont des grauen Mondes habe auch ihn verändert. „Hier sind wir, auf einem unbedeutenden Planeten, der um einen nicht besonders bedeutenden Stern herumfliegt, in einer Galaxie von Millionen Sternen, die nicht bedeutend ist, wo es doch Millionen und Abermillionen von Galaxien gibt im Universum – sind wir also wirklich so bedeutend? Ich glaube kaum.“
Das berühmteste Souvenir der Apollo-8-Mission war nicht geplant: Fotos von der Erde sollten die Astronauten eigentlich nicht machen, sondern Bilder und Videos vom Mond. Die Mission gilt bis heute als großer Erfolg und Beweis dafür, dass Menschen zum Mond geschickt werden können. Daran will die Nasa etwa 2021 anknüpfen und erneut eine Crew um den Mond schicken – als Pioniere für eine erneute Landung.
Die Informationen, die die drei Männer von Apollo 8 sammelten, wurden für die Mondlandungen der späteren fünf Apollo-Missionen benutzt. William Anders zieht heute Bilanz: „Wir flogen hin, um den Mond zu entdecken. Aber was wir wirklich entdeckt haben, ist die Erde.“