Schon wieder nichts dabei. Wer derzeit nach einer Immobilie zum Kauf sucht, hat kaum Auswahl. Und das, was angeboten wird, ist meist sehr teuer. Oder die Immobilie ist an einem Ort, an den man eigentlich nie ziehen wollte. Trotzdem kaufen die Deutschen weiter fleißig Immobilien.
Lohnen sich die eigenen vier Wände also noch, weil die niedrigen Zinsen für Kredite es nach wie vor möglich machen, über Eigentum nachzudenken – trotz der hohen Kaufpreise? Oder bleibt man besser zur Miete wohnen – gerade in Zeiten, in denen der Job nicht selten einen Umzug erfordert? Experten erklären, welche Punkte man bei der Entscheidung für oder gegen Eigentum bedenken sollte.
Die Lebensplanung
„Immobilien machen immobil“, sagt Ulrich Ropertz vom deutschen Mieterbund. Natürlich kann man sie jederzeit wieder verkaufen, auch während man sie noch finanziert. Allerdings sind die Nebenkosten beim Immobilienkauf in Deutschland vergleichsweise hoch. „Und die kriegt man beim Verkauf nicht wieder zurück, die hat man dann in den Sand gesetzt“, sagt Ralf Scherfing, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Wer also einen Job hat, bei dem er davon ausgehen kann, dass er alle paar Jahre umziehen muss oder dies wegen der Karriere möchte, wohnt günstiger zur Miete.
Denn: „Wohneigentum kann im beruflichen Bereich Chancen verhindern“, sagt Tobias Just, Professor für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg. Das Gegenbeispiel ist ein Lehrerehepaar, das bis zur Rente an der gleichen Schule arbeiten kann, sich nicht trennt und im eigenen Haus wohnen bleibt, bis es ins Altenheim umzieht. Für ein solches Paar lohnt sich der Immobilienkauf. „Zumindest 15 bis 20 Jahre sollte man sich schon vorstellen können, in der eigenen Immobilie wohnen zu bleiben, damit sich die Kauf-Nebenkosten rechnen“, sagt Verbraucherschützer Ralf Scherfing.
Emotionale Gründe
Wer seine Immobilie selbst bewohnt, sieht sie selten als reines Investitionsgut. Das bedeutet: Es geht nicht allein darum, ob sich ein Kauf finanziell wirklich eher rechnet als die Mietwohnung. „Es geht hier auch um die Freude am Wohnen, um Gestaltungsmöglichkeiten“, sagt Tobias Just. Ähnlich sieht es Ralf Scherfing: „Wenn die finanziellen Rahmenbedingungen es erlauben, sollte man sich den Wunsch nach den eigenen vier Wänden auch erfüllen.“
Die Lage
Die Preise von Immobilien haben vor allem in den Innenstädten der deutschen Großstädte und in den beliebten Unistädten wie Konstanz angezogen. „Das führt dazu, dass wieder mehr Menschen aus den Städten rausziehen und dann zur Arbeit pendeln. Das muss man wissen und das muss man mögen“, sagt Tobias Just. Wer sich trotzdem für eine sehr begehrte Lage bei der Immobilie entscheidet, bekommt weniger Platz für sein Geld – oder muss entsprechend mehr ausgeben. „Wir beobachten in den Städten bereits, dass der Wohnflächenverbrauch pro Kopf zurückgeht“, sagt Just. Träumt man von einer großen Wohnung oder einem Haus mit großem Garten, muss man bei der Lage vielleicht Abstriche machen können. Und sich dann im Gegenzug auch wieder überlegen, ob es dort auch einen passenden Arbeitsplatz gibt.
Die finanzielle Situation
Auch wenn die Zinsen historisch niedrig sind und es Banken gibt, die ohne Eigenkapital finanzieren: ratsam ist das nicht. Experten empfehlen, mindestens zwanzig Prozent des Kaufpreises als Eigenkapital einzubringen und zusätzlich die Kauf-Nebenkosten selbst bezahlen zu können – was weitere zehn bis fünfzehn Prozent des Kaufpreises bedeuten. Dann sollte man sich darüber klarwerden, wie viel Geld monatlich für die Kreditraten zur Verfügung steht – über die gesamte Dauer der Finanzierung, auch dann, wenn ein Partner mal arbeitslos sein sollte oder zwei Kinder mehr als ursprünglich geplant zur Familie gehören.
Die nächste Frage ist die nach der Zinsbindungsfrist. Weil die Zinsen so niedrig sind, raten viele Experten, sie sich mindestens für 15, besser 20 Jahre zu sichern. Finanzexperte Ralf Scherfing rät zudem: „Man sollte auf keinen Fall den Fehler machen, wegen der niedrigen Zinsen eine niedrige monatliche Tilgungsrate anzusetzen, sondern den Spielraum für eine höhere Tilgung nutzen.“ Denn bis zum Ruhestand sollte eine Immobilie schuldenfrei sein.
Mieten als Alternative
Es gibt verschiedene Rechenmodelle, die den Kauf einer Immobilie den Mietkosten gegenüberstellen. „In den letzten rund 50 Jahren war mieten kombiniert mit einer einfachen Kapitalmarktanlage in Deutschland in den meisten Zeitfenstern rentabler als kaufen“, sagt Gerd Kommer, Investmentbanker und Autor des Ratgebers „Kaufen oder Mieten?“. Blickt man dagegen nur auf die letzten zehn Jahre, so hat sich die Lage zugunsten des Immobilienkaufs gedreht. Aussagekräftig sind solche Modelle jedoch nur für die Vergangenheit. Ganz wichtig für die Rechenmodelle ist auch folgende Frage: Was tut ein Mieter mit dem Geld, das er mehr in der Tasche hat als ein Immobilienkäufer? Gibt er es einfach aus? Spart er es? Und wenn ja, wie?
Andere Geldanlagen
Die Arbeitslosigkeit in Baden-Württemberg ist derzeit sehr gering, die Löhne sind gut, die meisten Menschen verdienen mehr Geld, als sie ausgeben. Die Frage ist nur: Was macht man mit dem Geld? „Wer es einfach auf einem Tagesgeldkonto lässt, betreibt Kapitalvernichtung“, sagt Tobias Just. Denn bei einer Inflation von zwei Prozent und Zinsen von teilweise null Prozent rutscht man ins Minus. Staatsanleihen sind kaum lohnend und bei Aktien sollte man sich auskennen. „Da die meisten Menschen aber kein großes Interesse daran haben, sich hier nachhaltig fortzubilden, ist für sie die Geldanlage via Eigenheimkauf vermutlich besser, sofern sie sich eine Immobilie leisten können“, sagt Gerd Kommer.
Immobilien als Altersvorsorge
Eine Immobilie diszipliniert zum Sparen. Die Bank sorgt dafür, dass die Schulden zurückgezahlt werden und die Immobilie bis zum Eintritt in den Ruhestand schuldenfrei ist. „Hinzu kommt, dass die meisten Immobilienbesitzer auch sonst sparsamer leben, um das liebgewonnene Objekt in Schuss halten zu können. Und das wiederum ist gut für den Wert der Immobilie“, sagt Tobias Just. Mit anderen Geldanlagen lässt sich zwar rein von der Rendite her ähnlich gut oder sogar besser vorsorgen. Aber nicht mit derselben Disziplin. Scherfing gibt ein Beispiel: Wer mittels eines Aktienfonds fürs Alter vorsorgt, kann jederzeit auf das Geld zurückgreifen, wenn er plötzlich den Wunsch nach einer Weltreise verspürt. Wer eine Immobilie abbezahlt, kann dies nicht. „Diese Disziplin zum Sparen ist ein sehr gutes Argument für den Kauf einer Immobilie“, sagt Just.
"Immobilienblase sehe ich nicht"
Immobilienmakler Bernd Wackershauser, Geschäftsführer von Rewa Immobilien in Radolfzell und Konstanz, erklärt, warum er trotz der hohen Immobilienpreise in der Region den Wert der Immobilien weiter gesichert sieht.
Herr Wackershauser, wie lässt sich der Immobilienmarkt am Bodensee derzeit zusammenfassen?
Die Lage ist angespannt. In Seegemeinden wie Konstanz, Überlingen, Lindau oder Radolfzell gibt es kaum ein Angebot und das hat Einfluss auf die Preise. In Konstanz haben Immobilien in den letzten zehn Jahren teilweise 80 Prozent an Wert gewonnen, in Radolfzell sind es etwa 50 Prozent. Aber sobald man fünf, sechs Kilometer ins Hinterland geht, beispielsweise Richtung Stockach, Linzgau oder Deggenhausertal, ist der Markt deutlich ruhiger.
Steuern wir nicht auf eine Immobilienblase zu, die demnächst platzt?
Sicherlich kursieren für ein exklusives Penthouse mit See-Sicht teilweise Fantasie-Preise. Aber nicht alle Preise, die im Internet kursieren, werden am Ende auch gezahlt. Und wenn ein Objekt derzeit länger als drei Monate im Verkauf ist, dann stimmt im Verhältnis Preis und Angebot etwas nicht. Eine Immobilienblase sehe ich aber nicht. Die Deutschen finanzieren traditionell sehr solide. Und die niedrigen Zinsen ermöglichen es trotzdem, ein teures Objekt innerhalb der nächsten zwanzig Jahre abzubezahlen, weil man schneller tilgen kann. Früher hat man zwar einen deutlich geringeren Kaufpreis gezahlt, dafür waren die Zinsen bei sechs Prozent und mehr. Unterm Strich schenkt sich das nichts.
Man muss also keine Angst haben, heute eine Immobilie zu kaufen, die in zehn Jahren einen geringen Wert hat?
Wenn am Immobilienmarkt am Bodensee irgendwann mal nichts mehr geht, dann geht nirgendwo mehr was in Deutschland. Denn die Region hier ist ja nicht nur zum Arbeiten beliebt. Wenn hier mal aufgrund einer Wirtschaftskrise die Stellen wegbrechen würden, dann gibt es immer noch genug Leute, die sich hier eine Ferienimmobilie kaufen oder ihren Ruhestand am See verbringen möchten. Die Lebensqualität hier ist immens hoch und das wird immer so bleiben. Selbst wenn eine Immobilie in den nächsten zehn Jahren um 25 Prozent an Wert verlieren sollte, dann ist das die Summe, die Sie bis dahin auch an Miete bezahlt hätten.
Kaufen um jeden Preis kann man aber trotzdem nicht empfehlen, oder?
Nein, natürlich muss man sich insbesondere die Lage genau anschauen. Dann ist entscheidend, ob ich ein Objekt zur Kapitalanlage suche – da kann man derzeit fast nichts falsch machen, weil ich über die Mieteinahmen die geringen Zinsen direkt finanzieren kann. Oder ob ich selbst in einem Objekt wohnen möchte, denn dann muss es mir natürlich in erster Linie gefallen.
Fragen: Luisa Mayer