Lieber Christoph Kramer,

das ZDF hat ein wahnsinniges Talent dafür, entweder extrem gute EM-Übertragungs-Teams zu schüren (Urs Meier und Jürgen Klopp bei der EM 2008) oder legendär schräge (Oli Kahn und Katrin Müller-Hohenstein versanden auf Usedom, 2012). Nun ist wieder ein goldener Griff gelungen: Herrlich, wie Sie, Per Mertesacker und Jochen Breyer sich im EM-Studio ergänzen.

Wie gut konnte das jeder Fußballfreund nachfühlen, als Sie sich schon nach dem ersten Gruppenspiel der Engländer über deren ambitionsloses, ödes Spiel, über die totale Verschwendung des dort versammelten Könnens aufregten. Echte Emotionen, auf Basis von Ahnung und Fakten – besser geht‘s ja kaum. Beides zusammen ist gerade bei Fußballübertragungen im Öffentlich-Rechtlichen nur sehr selten anzutreffen. Und die Engländer haben die weiteren Spiele dann noch viel schlimmer gespielt, recht hatten Sie also komplett.

Ein Top-Trio

Sie hauen halt einfach mal was raus: Dass der Italiener Calafiori der beste Spieler der EM ist, zum Beispiel. Das ist natürlich ein bisschen gewagt, so früh im Turnier, das ist aber völlig egal, weil solche Wertungen eh immer nur begrenzte Haltbarkeit haben.

Alles ist dynamisch, auch bei Ihnen im Gespann mit dem betont trockenen Per Mertesacker und dem stets souveränen Jochen Breyer – aber was will man von ihm auch anderes erwarten, er ist ja immerhin ehemaliger SÜDKURIER-Mitarbeiter. Das ist alles viel angenehmer als das seltsam hakelige ARD-Paar Bastian Schweinsteiger und Esther Sedlaczek.

Sie kicken ja noch...

Was viele vergessen: dass Sie Solingens Sportler des Jahres 2014 und 2015 wurden. Ok, ja, darauf wollte ich aber nicht hinaus, sondern: dass Sie immer noch aktiver Fußballer sind. Vertrag bis 2025 bei Borussia Mönchengladbach, wahrscheinlich nicht so schlecht dotiert, nach einer allerdings sportlich recht überschaubaren Saison 2023/24 mit 239 Minuten Bundesligaspielzeit. Kommt da nochmal mehr? Gladbach will den Vertrag eigentlich auflösen, Sie lieber nochmal angreifen.

Anders gesagt: Sie wollen Spielermaterial bleiben. Diesen Begriff wollte Jochen Breyer Ihnen und Per Mertesacker ausreden, weil Spieler ja Menschen seien und sich mancher dran stören könne. Eine Steilvorlage, die Sie mit Ihrem Weltmeisterkollegen immer wieder aufgreifen: Und Kopfball-Koryphäe Niclas Füllkrug hat sie auch schon verwertet. Es darf auch gelacht werden beim Fußball – vergisst man in Deutschland gerne mal.

Fröhlich wird es also auch heute Abend, wenn Sie mit ihren Kollegen das deutsche Achtelfinale begleiten. Nach dem werden Sie sich hoffentlich nicht so sehr aufregen müssen, wie wenn die Engländer mal wieder ihren Lustlos-Fußball vor sich hinkicken...