In Wien, so heißt es, besitzt jeder Taxifahrer so viel Mutterwitz wie ein Kabarettist. Nirgends werden Spitznamen so passend vergeben wie in der alten Kaiserstadt. Gelangt ein Politiker in ein gehobenes Amt, erhält er über Nacht einen Übernamen, der sich gewaschen hat.
Der Schotter der Schotter-Mitzi
Eine ÖVP-Frau traf es besonders: Maria Theresia Fekter hieß vom ersten Ministerinnentag an schlicht Schotter-Marie, wahlweise auch Schotter-Mitzi. Das würde sich bei uns nicht einmal die Bild-Zeitung trauen. Der Spitzname haut den Nagel gleich doppelt auf den Kopf: Familie Fekter betreibt ein Kieswerk – und die Schotter-Mitzi amtierte als Finanzministerin, wo sie umgangssprachlich mit Schotter zu tun hatte.

Der Landesvater rügt sie als Insektenfriedhöfe
In Baden-Württemberg ist man nicht so freundlich, wenn es um gehackte Steine und Splitt geht. Winfried Kretschmann will die Schottergärten aus dem Land vertreiben. Der grüne Landesvater raunt von Insektenfriedhöfen. Da wird ihm jeder Biologe sagen: Auch Wüsten leben, man sieht‘s nur nicht.

Ob der Gartenfreund da richtig liegt? Wenn es heilige Bäume gibt, dann erst recht heilige Steine. Sind sie nicht die ältesten Bewohner der Erde, deren Querschnitt mehr erzählen kann als manches Buch? Tote Steine gibt es nicht, allenfalls steinerne Herzen.
Naturrasen klingt gut. Doch was tun die Rasenmäher?
Und dann wäre noch die Sache mit der Ökologie. Die schlichte Gleichung Grün = Gesund geht nicht auf. Da wird ein Rasen auf Dichte und Kürze getrimmt, aber alles mit größtem Aufwand. Der Motorrasenmäher – womöglich einer zum Sitzen – ist von Haus aus nicht der klassische Naturfreund. Nach dem Mähen erfolgt die Vernichtung so genannter Schädlinge. Dann schwingt die Rasenfreundin freudig die Chemiekeule. Der Steinfreund ist da weiter: Was gesund aussieht, ist es nicht.

Der gepflegte und dem Nachbarn imponierende Kleingarten ist ein Kunstdüngerprodukt, veredelt und gepäppelt wie der Park vor Schloss Windsor, in dem Prinz Philip spazieren geht. Insekten trauen sich beim erhöhten Aufkommen der Hobbygärtner nicht mehr aufs Gelände. Das Freigelände, einst ein Ort der Ruhe oder der Küchenkräuter, dient längst als verlängerte Werkbank, auf der sich übermotivierte Feierabendmenschen mächtig ins Grünzeug legen.

Helft den armen Fliegen!
Natürlich lieben Insekten einen bunten Garten, den sie ansteuern wie einen Flugzeugträger, um dort ihr Tagwerk zu verrichten. Aber was zieht die Wildbiene in eine monokulturell ruinierte Grünanlage, deren Besitzer pausenlos mähen, wässern, zupfen, düngen – und abends noch altes Bier über den akkurat gestutzten Halmen verschütten? Das vertreibt noch die einfältigste Fliege.

Eine Wüste namens Gewerbegebiet
Echte Steinwüsten gibt es, doch liegen sie nicht vor den Häusern, sondern vor den Gemeinden. Sie heißen Gewerbegebiet und vernichten Grünland hektarweise. In den Baumärkten dort werden jene Samentüten verkauft, die später im Garten vergraben werden. Der Kreis schließt sich. Der Zitronenbaum kommt aus dem Gartenzentrum, für dessen Bau fruchtbare Scholle versiegelt wurde. Versiegelt? Auch so ein falscher Fuffziger im Wörterbuch. Versiegelt bedeutet betoniert. Was geschieht mit den Insekten, die vormals summten und brummten? Still und unheimlich siedeln sie in den Kernort um. Dort wird es nämlich immer ruhiger und leerer. Schon fast unheimlich.