Ein schwarzes Etwas wird – beleuchtet von einer gigantischen Lasershow – auf die Bühne gefahren. Die Menge in Berlin tobt – und bei Jutta Wolf in der Reichenauer Waldsiedlung gehen direkt die ersten Bestellungen für den neuen Thermomix TM7 ein. An der popkonzertähnlichen Produktpräsentation hat die Thermomix-Verkäuferin dieses Mal nicht teilgenommen – den Trubel bekommt Jutta Wolf aber auch zu Hause mit.

Kunden müssen sich mit langen Lieferzeiten abfinden

Ihre Kunden überweisen Anfang März flugs 1549 Euro für ein Küchengerät, das sie nur kurz im Video gesehen haben. Bis es bei ihnen in der Küche steht und dort Pesto, Pizzateig oder Eis zaubert, werden sie noch Monate warten müssen, die Lieferzeiten sind lang. Wer kauft auf diese Weise ein durchaus hochpreisiges Gerät – das keiner zwingend braucht?

„Ich habe wirklich schon viele Bestellungen und das hauptsächlich von bestehenden Kunden“, sagt Jutta Wolf. Kunden also, die bereits einen Thermomix haben – jetzt aber das neue Modell wollen. Denn das Wuppertaler Unternehmen Vorwerk präsentiert den TM7 mit seinem neuen, elegant-schwarzen Design mehr denn je auch als Statussymbol. Natürlich bleibt er ein vielseitiger Küchenhelfer. Er eignet sich aber eben auch dazu, in der modernen Küche einfach nur gut auszusehen und Besuchern zu zeigen: Schau, wir haben einen Thermomix – und zwar den neuen.

Neues Design soll Kunden locken

„Kluge Unternehmen wissen, wie sie den Konsumwert ihrer Produkte erhöhen und damit das Kaufverhalten ihrer Kunden beeinflussen können“, sagt Peter Kenning, Marketing-Forscher an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Will man nun beispielsweise einen Thermomix-Besitzer davon überzeugen, dass er das neue Modell braucht, kann man den emotionalen Wert des Geräts über ein schöneres Design erhöhen.

„Es gibt aber auch Menschen, für die hat das Neue an sich einen Wert. Deshalb reist man beispielsweise immer mal wieder an ein neues Urlaubsziel, obwohl man mit dem letzten Urlaubsziel zufrieden gewesen ist“, sagt Peter Kenning.

Leicht rückläufige Verkaufszahlen

Schätzungen zufolge haben allerdings nur etwa fünf Prozent aller Haushalte in Deutschland überhaupt einen Thermomix. Und die letzten zwei Jahre waren die Verkaufszahlen für den Küchenhelfer leicht rückläufig – weshalb der Hersteller Vorwerk mit dem TM7 vor allem auch darauf setzen muss, neue Kunden zu gewinnen.

Denn der Thermomix ist bei dem Wuppertaler Haushaltsgeräteunternehmen Hauptumsatzbringer mit einem Anteil von etwa 50 Prozent am Gesamtumsatz der Gruppe, neben dem Kobold-Staubsauger. Zu schaffen macht Vorwerk die stetig wachsende Thermomix-Konkurrenz – zumal viele Nachahmer-Geräte wie beispielsweise „Monsieur Cuisine“ vom Discounter Lidl für knappe 500 Euro deutlich günstiger erhältlich sind.

Direktvertrieb bietet Vorteile

Der vergleichsweise hohe Preis beim Thermomix aber ist auch Teil der Verkaufsstrategie – vermittelt er doch eine gewisse Wertigkeit. Um diesen Preis auch am Markt durchzusetzen, bleibt Vorwerk seinem Verkaufskonzept über den Direktvertrieb auch beim TM7 treu. „Hersteller, die ihre Produkte über den Handel verkaufen, geben ihre Preishoheit an der Rampe ab. Sie können den Verkaufspreis im Handel nicht mehr bestimmen, sondern lediglich eine unverbindliche Preisempfehlung abgeben“, sagt Peter Kenning.

Wer aber direkt im Online-Shop von Vorwerk bestellt oder bei einer Repräsentantin wie Jutta Wolf, muss eben 1549 Euro für den TM7 bezahlen, günstiger gibt es ihn nirgendwo. „Der persönliche Direktvertrieb bietet zudem die Möglichkeit, den Kunden die oft umfangreichen Funktionen des Gerätes zu erklären“, sagt Peter Kenning. Denn gerade für Neukunden spiele der funktionale Wert einer Anschaffung eine durchaus große Rolle. Sie wollen wissen, wozu das Gerät taugt und Hinweise erhalten, was man damit machen kann: „Manchmal werden dadurch erst Funktionen entdeckt, die man sonst gar nicht bemerkt hätte.“

Thermomix als Statussymbol

Sobald Jutta Wolf Anfang April ihren neuen Thermomix TM7 erhält, wird sie ihn deshalb beim Erlebniskochen in vielen privaten Küchen und auch bei sich zu Hause vorstellen. Sie zeigt dann, wie der Küchenhelfer viele andere Geräte wie Herd, Mixer, Waage, Reibe oder Pürierstab überflüssig macht, den Alltag erleichtert, im Handumdrehen ein gesundes, leckeres Essen zaubert – und deshalb sein Geld durchaus wert ist.

Nutzen können die Direktvertriebler bei ihren Koch-Events auch die situative Komponente. Sie erklärt, warum wir im Urlaub Souvenirs kaufen, die man zu Hause nie angeschaut hätte. Oder eben nach einem gelungenen, gemeinsamen Koch-Abend einen Thermomix bestellt, den man zuvor noch mit Argwohn betrachtet hat. Erst recht dann, wenn an diesem Abend alle anderen sich für den Kauf entscheiden, ja vielleicht sogar noch Freunde daran teilgenommen haben. „Das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung kann ebenfalls ein wichtiges Kaufmotiv sein. Mit dem richtigen Produkt oder mit der richtigen Marke wird man Teil einer Gruppe und kann mitreden“, sagt Peter Kenning. Das sei nichts anders als bei bestimmten Handymodellen oder Grills bekannter Marken. Statussymbole eben.

Neuer Thermomix sorgt für mehr Gebrauchtgeräte

Wem es dagegen vor allem um die Hilfe beim Kochen geht, der profitiert ebenfalls davon, dass jetzt so mancher alte Thermomix durch einen neuen ersetzt werden wird. „Es wird jetzt sicher wieder sehr viele Gebrauchtgeräte auf den Kleinanzeigenportalen geben“, sagt Jutta Wolf. Denn rein von der Technik her ist es für ein hochwertiges Küchengerät kein Problem, 15 Jahre und länger im Einsatz zu sein.

Neu am aktuellen Modell ist unter anderem, dass es bei vielen Kochvorgängen möglich sein soll, auch offen zu kochen, zu probieren und nachzuwürzen. Ab Sommer soll die Möglichkeit dazu kommen, über das Handy von unterwegs schauen zu können, wie weit der Thermomix mit der Zubereitung des Essens ist. Weitere KI-Features und eine Sprachsteuerung sollen ebenfalls nachgeliefert werden. Der TM7 soll zudem deutlich leiser sein als seine Vorgänger.