Müssen Senioren künftig alle paar Jahre um ihren Führerschein zittern? Und verbietet die EU jungen Autofahrern und Fahranfängern bald die nächtliche Heimfahrt? Ein Entwurf aus Brüssel sorgt derzeit für Furore.

Im Zuge der Überarbeitung der alten EU-Führerscheinrichtlinie präsentierte die zuständige Berichterstatterin Karima Delli Anfang dieser Woche ihre Vorschläge im Verkehrsausschuss im Europäischen Parlament. Die Pläne sollen der französischen Grünen-Politikerin zufolge eigentlich für weniger Tote im Straßenverkehr sorgen.

CDU kündigt Widerstand an

Doch der CDU-Europaabgeordnete Jens Gieseke sprach von einem „einzigen Verbotsprogramm“ und kündigte „massiven Widerstand “ gegen den „autofeindlichen“ Entwurf an. „Das ist ein Jahr vor der Europawahl ein verheerendes Signal an die Bürger“, sagt er. Tatsächlich würden die Maßnahmen insbesondere die jüngsten und ältesten Autofahrer in der Gemeinschaft treffen.

So soll es auf Wunsch von Delli den Mitgliedstaaten etwa ermöglicht werden, „besondere Vorschriften für Fahranfänger“ festzulegen, „um das Fahren in der Nacht, und zwar von Mitternacht bis sechs Uhr, zu beschränken“, wie es in dem 122 Seiten langen Papier heißt. In diesem Fall würden die EU-Länder Sanktionen bestimmen und „alle erforderlichen Maßnahmen“ treffen, um deren Durchsetzung sicherzustellen. Wie das in der Praxis funktionieren soll, blieb zunächst unklar.

Ärztliche Kontrollen und Auffrischungskurse für ältere Autofahrer – auch das sieht der Entwurf aus Brüssel vor.
Ärztliche Kontrollen und Auffrischungskurse für ältere Autofahrer – auch das sieht der Entwurf aus Brüssel vor. | Bild: Felix Kästle/dpa

„Als CDU und CSU tragen wir einen solchen Unsinn nicht mit“, schimpft deren verkehrspolitischer Sprecher Gieseke. Es zeichnet sich ab, dass der Richtlinien-Entwurf noch abgeändert wird, bis er Anfang 2023 im Hohen Haus Europas final zur Abstimmung steht.

Denn strengere Regelungen als ursprünglich von der EU-Kommission vorgeschlagen fordert die Französin Delli auch für Senioren. So sollen häufiger ärztliche Kontrollen oder Maßnahmen wie Auffrischungskurse vorgeschrieben werden können. Um solche Schritte durchzusetzen, würde der Führerschein für Menschen ab 60 Jahren nur noch sieben Jahre gültig sein, ab 70 höchstens fünf Jahre – und ab 80 würde er nach zwei Jahren ablaufen.

Auffrischungskurse für Ältere?

Kommen auf Rentner deutlich höhere Kosten zu, falls sie ihren Lappen behalten wollen? In dem Papier heißt es, die Mitgliedstaaten könnten „als Voraussetzung für den Abschluss des Erneuerungsverfahrens eine verpflichtende Kontrollfahrt oder einen Auffrischungskurs mit einem Fahrlehrer“ vorsehen.

Als besonderer Aufreger dürfte für einen Teil der Deutschen das alte Reizthema Geschwindigkeitsbegrenzung gelten. Denn der Entwurf verlangt nach Altersklassen gestaffelte Tempolimits. Demnach wären für Fahranfänger 90 Kilometer pro Stunde als Grenze vorgesehen. Praktisch hieße das, dass junge Menschen, die auf der Autobahn unterwegs sind, kaum noch Lastwagen überholen könnten.

Bereits ausgestellte Führerscheine, heißt es, seien von den möglichen neuen Regeln nicht berührt. Das sorgt für Verwirrung.
Bereits ausgestellte Führerscheine, heißt es, seien von den möglichen neuen Regeln nicht berührt. Das sorgt für Verwirrung. | Bild: Marijan Murat/dpa

Während der SPD-Europaparlamentarier Thomas Rudner solche Begrenzungen als „komplett realitätsfern und in der Praxis schwer umsetzbar“ bewertet, kritisiert Jan-Christoph Oetjen, der verkehrspolitische Sprecher der FDP im EU-Parlament, den Vorstoß als „Tempolimit durch die Hintertür“ und spricht von „unsinnigen“ Plänen. Unter dem Deckmantel der Verkehrssicherheit würden die Grünen „weit über das Ziel hinausschießen“, so der Liberale.

Einer der vielen umstrittenen Punkte: die Einführung eines gesonderten Führerscheins für schwere PKW. Für alle Führerscheine der Klasse B soll künftig eine Gewichtsgrenze von 1800 Kilogramm gelten. Wer größere Autos bis zu 4250 Kilogramm fahren will, etwa SUVs oder Familienvans, müsste dafür einen zusätzlichen Führerschein machen – Name: B+. Die Fahrerlaubnis für die schweren PKW dürften die Bürger außerdem erst ab einem Alter von 21 Jahren erwerben.

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Es sei paradox, moniert CDU-Politiker Gieseke. „Während wir alle künftig elektrisch fahren sollen und dafür schwere Batterien in die Autos bauen, schafft die Berichterstatterin neue Gewichtsgrenzen.“ Er plädiert für das Gegenteil, also eine Ausweitung der Führerscheinklasse B auf 4,25 Tonnen. Bisher sind 3500 Kilogramm erlaubt.

In dem Papier ist vermerkt, dass bisherige Führerscheine von den neuen Regeln nicht berührt wären, was wiederum Verwirrung stiftet. Was genau soll mit bereits ausgegebenen Führerscheinen passieren? Die Frage der Umschreibung in das angedachte System B/B+ würde sich spätestens stellen, sobald ein derzeitig gültiger Führerschein erneuert werden muss.