Die Fußball-Nationalspieler hat die Auswärtsatmosphäre beim 2:3 gegen die Türkei in Berlin laut Thomas Müller „gewurmt“. Da denke „man sich schon, denen wollen wir zeigen, dass wir trotzdem gewinnen, oder die Genugtuung nicht geben, dass am Ende die Türkei in Berlin gewinnt“, sagte Müller am Samstagabend. Die DFB-Auswahl habe den Zehntausenden Fans der Gäste, die deutlich lauter waren als die deutschen Anhänger, zeigen wollen, „dass sie für die falsche Flagge singen und pfeifen“.
Die deutschen Spieler waren im mit 72.592 Zuschauern ausverkauften Olympiastadion schon beim Aufwärmen lautstark ausgepfiffen worden. Nach dem früheren deutschen Führungstor durch Kai Havertz (5.) war es kurzzeitig etwas leiser – nach dem 1:1-Ausgleich durch Ferdi Kadioglu (38.) wurden die türkischen Fans wieder euphorischer. Das Siegtor durch Yusuf Sari (70./Handelfmeter) feierten sie ausgiebig. Wie Gastgeber Deutschland ist die Türkei für die EM 2024 qualifiziert.
„Wir wollten eigentlich zeigen: „Hey, so nicht!“ Aber klar, der Sport und das Leben laufen nicht immer so, wie man sich das wünscht“, sagte Müller, der nicht zum Einsatz gekommen war. „Wir wollen es nicht totanalysieren. Wir lassen uns jetzt nicht unterkriegen, das ist unser Job, dass wir weitermachen.“
Nagelsmann kritisiert Einstellung der DFB-Auswahl
Bundestrainer Julian Nagelsmann kritisierte derweil nach seinem Heimdebüt die Einstellung der Fußball-Nationalmannschaft. „Die Emotionalität hatten wir nicht auf allen Positionen. Ein paar haben es sehr gut gemacht, aber einige haben nicht das Emotionalitätsniveau erreicht, um an ihre Grenzen zu gehen“, sagte der DFB-Chefcoach am Samstagabend nach der ersten Niederlage in seiner jungen Amtszeit bei RTL.
Vor allem die schwache Phase von der 25. Minute bis zur Pause missfiel dem Bundestrainer sehr. „In der zweiten Halbzeit haben wir es besser gemacht“, sagte Nagelsmann. Der 36-Jährige bedauerte, dass sein Team nach dem frühen 1:0 durch Kai Havertz weitere Chancen ungenutzt ließ. „Wir müssen das Spiel früher zumachen“, sagte Nagelsmann.
Sein überraschendes taktisches Experiment mit Havertz als linker Verteidiger sah der Bundestrainer nicht als Ursache für die Schlappe im Berliner Olympiastadion. „Kai Havertz hat ein herausragendes Spiel gemacht. Die einzige Personalie, die heute überraschend war, war mit unser bester Mann“, versicherte Nagelsmann.
DFB-Präsident: Dürfen nicht alles infrage stellen
DFB-Präsident Bernd Neuendorf kritisierte die generelle Einstellung rund um die Fußball-Nationalmannschaft. „Wir gefallen uns oft darin, in eine toxische Situation zu kommen, alles schlechtzureden, und das war es nicht“, sagte Neuendorf am Sonntagmorgen beim TV-Sender Bild. „Es kommt jetzt in der Situation darauf an, das rauszusuchen, worauf wir aufbauen können.“
Am Samstagabend im Berliner Olympiastadion habe die DFB-Auswahl „in der Tat in Phasen nicht so gut gespielt“, sagte Neuendorf. Deshalb solle aber nicht „alles“ infrage gestellt werden: „Immer dieses himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt.“
Bundestrainer Nagelsmann genieße das volle Vertrauen, sagte Neuendorf. „Wir dürfen nicht wieder in den Flow kommen, dass wir sagen, alles war schlecht. Wir haben gute Phasen erlebt.“ Am Fahrplan des DFB, mit Nagelsmann zunächst in die Heim-EM 2024 zu gehen und dann über eine Verlängerung des im direkten Anschluss an das Turnier auslaufenden Vertrags zu sprechen, habe sich nichts geändert. „Eine Trainerdebatte jetzt loszutreten, ist völlig verkehrt“, sagte Neuendorf. (dpa)