Wie können Dieselautos fit für die Zukunft gemacht werden und was kostet das? Und warum ist der Selbstzünder eigentlich in Mißkredit geraten, wo er doch gerade noch als Sparwunder galt? Eine Übersicht:
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Kann neue Motor-Software Dieselfahrzeuge sauber machen? Das Potenzial von Software-Updates, wie sie jetzt beim Diesel-Gipfel in Berlin beschlossen wurden, ist begrenzt. "Software-Lösungen sind ein erster und schneller Schritt, um den Ausstoß von Stickoxiden (NOx) etwas oder vielleicht auch mehr zu reduzieren", sagt Klaus Schreiner, Dekan der Faktultät für Maschinenbau an der Konstanzer Hochschule HTWG. Für "richtig große Reduzierungen" reichten sie aber nicht aus. Ähnlich sieht es der ADAC. Laut Technik-Chef Reinhard Kolke können Software-Updates maximal zu einer Verbesserung der NOx-Emissionen von 20 bis 25 Prozent bei Euro-5-Dieseln führen. Für die Luft in belasteten Städten brächte das keine nennenswerten Verbesserungen. Die Gesamtemissionen würden dadurch laut ADAC um weniger als zehn Prozent gemindert.
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Wie bekommt man die Luft in Städten dann sauber? Es gibt einen Richtwert, der besagt, dass sich die Lage in den Ballungsgebieten nur entspannt, wenn es gelingt, die NOx-Emissionen von Dieselfahrzeugen um mindestens 50 Prozent zu senken. Dafür gibt es mehrere Optionen, von denen als Einzelmaßnahme allerdings nur der sogenannte Harnstoff-Katalysator (Volksmund: Pipi-Kat) als zielführend eingestuft wird.
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Warum rüstet man dann nicht alle Autos mit Pipi-Kats aus? Es gibt mehrere Hindernisse. Erstens müsste für jeden einzelnen Modelltyp ein eigens modifiziertes Abgassystem konzipiert werden. Bis das erledigt ist, können Jahre vergehen. Zweitens sind SCR-Systeme teuer. Allein die Baugruppe schlägt mit rund 1500 Euro zu Buche, Einbau exklusive. Auf die Hersteller würden so Milliardenkosten für Umrüstungen zukommen. Zum Vergleich: Für das jetzt angebotene Software-Update kalkuliert Daimler mit Kosten von gut 70 Euro pro Fahrzeug. Drittens brauchen Pipi-Kats und die nötigen Harnstofftanks viel Platz. HTWG-Experte Schreiner schätzt den AdBlue-Bedarf auf fünf bis acht Prozent der Dieselmenge. Andere Experten geben als Richtschnur zehn Liter AdBlue pro 10.000 Kilometer an. Um nicht zwischen den Werkstattaufenthalten nachfüllen zu müssen, wären also rund 30 Liter Tankvolumen nötig. Dies im mit Technik heute schon vollgestopften Auto unterzubringen, stellt eine Herausforderung dar.
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Welche Motoren können überhaupt umgerüstet werden? Die eigentlichen Problemmotoren stellen Selbstzünder der Abgasnorm Euro-5 und der Baujahre 2009 bis 2014 dar. Sie wurden nicht auf NOx-Emissionen, sondern auf einen geringen Partikelausstoß optimiert.
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Was passiert mit Euro-4-Dieseln? Euro-4-Dieselautos der Baujahre 2005 bis 2009, von denen noch rund 3,5 Millionen in Betrieb sind, unterscheiden sich bei den kritischen NOx-Emissionen nicht wesentlich von Euro-5-Modellen. Theoretisch könnte und sollte man sie also nachrüsten. Unsicher ist allerdings, ob die relativ alte Elektronik der Fahrzeuge für die neuen Aufgaben überhaupt taugt. Auf jeden Fall wäre der finanzielle Aufwand – gemessen am Restwert der Fahrzeuge – ungleich höher als bei neuen Dieselmodellen. Kurz: Euro-4-Diesel nachzurüsten, wäre meist unwirtschaftlich. Um die Altdiesel von der Straße zu bekommen, müssten Staat oder Hersteller den Kunden Anreize zum Umstieg bieten, wie das BMW jetzt durch eine Art Abwrackprämie getan hat.
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Warum sind alte Dieselmotoren mitunter sogar besser als neue? Dazu muss man einen Blick auf die politischen Prämissen werfen, die bei der Fahrzeugentwicklung seit dem Jahr 2000 relevant waren. Bei der Einführung der Euro-4-Norm im Jahr 2005 stand die Feinstaubbekämpfung ganz oben auf der politischen Agenda. Daher fokussierten die Autobauer ihre Bemühungen auf die flächendeckende Einführung von Partikelfiltern und einen perfekt darauf abgestimmten Motor.
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Welche Abgase erzeugen Motoren überhaupt? Verbrennungsmotoren stoßen mehrere Hundert verschiedene Gase und Partikel aus. Beim Benziner hat die Einführung des 3-Wege-Kats die Abgasproblematik entschärft. Und auch beim Diesel haben die Hersteller – entgegen allen Unkenrufen – mit Erfolg an der Abgasreinigung gearbeitet. Die meisten Zutaten des unerwünschten Chemie-Cocktails stellen heute kein Problem mehr dar. Das gilt insbesondere für die Hauptabgase Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe und Ruß. "Spätestens mit Einführung der Euro-5-Norm" – also ab dem Jahr 2009 – seien die Grenzwerte für diese Emissionen "in allen auftretenden Fahrzuständen eingehalten oder gar deutlich unterschritten" worden, schreibt etwa das KIT. Einzelne Schadstoffe filtern die Diesel-Abgassysteme sogar so effizient aus der Luft, dass sie nach der Verbrennung im Motor sauberer ist als zuvor.
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Wie steht es beim Thema Feinstaub? Insbesondere beim Ruß hat sich die Lage durch den flächendeckenden Einbau von Partikel-Filtern entspannt. Der Dieselbeitrag zum Feinstaubthema sei ab Einführung der Euro-5-Norm "so gut wie nicht mehr nachweisbar", schreibt das KIT. Aktuell stehen Motoren – auch Benzinaggregate – generell für etwa 4 bis 7 Prozent der Feinstaubbelastung in Städten.
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Wo kommt der Feinstaub sonst her? Verbrennungsprozesse und Abrieb aller Art verursachen ihn – von der Schleifmaschine bis zur Fahrradbremse. Dazu zählen Kraftwerke genauso wie Öfen oder industrielle Prozesse, die in Fabriken ablaufen.
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Warum ist es so schwer Stickoxide im Abgas zu verhindern? Der Diesel hat einen bis vor Kurzem ungelösten Knackpunkt: Stickoxide. "So gut wie jede Maßnahme, die dem Motor hinsichtlich Verbrauch, Haltbarkeit und Fahrbarkeit gut tut, führt zu einem Anspannungsgrad bei den Stickoxiden", schreibt Thomas Koch vom KIT. Anders ausgedrückt besteht ein Zielkonflikt zwischen der Senkung der Stickoxid-Emissionen und allen anderen Entwicklungszielen. Ein Beispiel: Um den Kraftstoff besonders effizient zu nutzen, muss er im Zylinder sehr heiß verbrennen. Genau das erhöht allerdings den Stickoxid-Ausstoß gewaltig. Ein möglicher Ausweg ist die Rückführung von gekühltem Abgas in die Brennkammern. Das wiederum fördert die Ruß- und Feinstaubbildung.