Die Bürgergelddebatte kommt nicht zur Ruhe. Kürzlich forderte CSU-Chef Markus Söder die radikale Kürzung des Bürgergelds für ukrainische Geflüchtete – und stieß damit auf heftigen Widerstand, selbst aus den Reihen der Union. Doch auch die, zusammen mit Koalitionspartner SPD, will die Ausgaben für das Bürgergeld allgemein senken und härter gegen Arbeitsverweigerer vorgehen.
Hohe Kosten: Union und SPD kündigen mehr Härte beim Bürgergeld an
Die Ausgaben für das Bürgergeld sind im vergangenen Jahr auf rund 47 Milliarden Euro gestiegen. Das geht aus einer Antwort des Bundessozialministeriums auf eine kleine Anfrage der AfD im Bundestag hervor. Demnach gab es 2024 rund 5,5 Millionen Bürgergeld-Beziehende, dazu zählen aber auch Kinder und Jugendliche. Knapp vier Millionen Bürgergeld-Beziehende waren erwerbsfähig – Menschen, die grundsätzlich in der Lage sind, mindestens drei Stunden am Tag zu arbeiten.
Die schwarz-rote Koalition sieht in den im Vergleich zum Vorjahr um vier Milliarden Euro gestiegenen Bürgergeldkosten einen Anlass dafür, das Bürgergeld für Empfänger, die einer zumutbaren Arbeit nicht nachkommen, mit verschärften Sanktionen und Mitwirkungspflichten zu versehen. Ziel ist es, das System so zu gestalten, dass Arbeit sich mehr lohnt als der Bezug von Leistungen.
Forderungen von Union und SPD: Sanktionen beim Bürgergeld für Arbeitsverweigerung
Union und SPD planen einen Ersatz des bisherigen Bürgergeldsystems durch die neue Grundsicherung. Wann genau diese kommen soll, ist noch nicht ganz klar, wird jedoch für Anfang 2026 angedacht, berichtet unter anderem ndr.de. Im Koalitionsvertrag formulierten CDU, CSU und SPD unter dem Punkt „Arbeitsmarktpolitik und neue Grundsicherung für Arbeitssuchende“ unter anderem folgende Maßnahmen:
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höherer Mindestlohn und stärkere Tarifbindung als Anreiz zum Verbleib im regulären Arbeitsmarkt
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gezielte Weiterbildung und Qualifizierung statt reiner Leistungskürzungen
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verschärfte Mitwirkungspflichten und Sanktionen im Rahmen verfassungsgemäßer Grenzen
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Tilman Kuban betonte nun gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) noch einmal, die neue Grundsicherung dürfe es „nur noch für die geben, die wirklich auf Hilfe angewiesen sind – nicht für die, die nicht arbeiten wollen“. Dieser Schritt solle sicherstellen, dass sich die Arbeitsaufnahme wieder mehr lohnt als das Verbleiben im Leistungssystem.
Dirk Wiese, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, forderte laut RND klare Konsequenzen gegen Leistungsmissbrauch: „Wer das System ausnutzt, dem muss mit klaren Sanktionen begegnet werden. Bandenmäßiger Betrug oder Schwarzarbeit – wie etwa im Ruhrgebiet – dürfen nicht toleriert werden“. Vor allem im Ruhrgebiet und in Berlin hatten zuletzt immer mehr Jobcenter von kriminellen Maschen beim Bezug von Bürgergeld berichtet.
Zugleich betont die SPD, dass die Mehrheit der Bürgergeld-Empfänger ihre Situation durch Arbeit überwinden will. Die aktuell veröffentlichten Zahlen zu den Aufstockern zeigten laut Wiese klar, dass viele Menschen trotz Arbeit nicht genug verdienten, um über die Runden zu kommen. Das sei ein deutliches Signal für einen höheren Mindestlohn und eine stärkere Tarifbindung: „Gute Arbeit verdient Respekt – und das heißt bessere Löhne, gezielte Förderung und ein Sozialstaat, der unterstützt, nicht bestraft“, so Wiese gegenüber dem RND.
Vor allem der schon oft angekündigte Plan der Koalitionspartner, sogenannten „Totalverweigerern“ die Leistungen komplett zu streichen, sorgte bereits mehrfach für Diskussionen. Eine solch radikale Sanktionierung gilt eigentlich als verfassungswidrig. Formuliert wurde das durch ein Urteil am Bundesverfassungsgericht von 2019: Eine komplette Auslassung der finanziellen Unterstützung für bedürftige Menschen in Deutschland sei nicht rechtens, lautete dabei das Urteil. Mit einer Gesetzesänderung wurde jedoch zum 28. März 2024 im Sozialgesetzbuch (SGB) II der Absatz 7 des Paragrafen 31a eingeführt. Damit ist geregelt, dass der Leistungsanspruch in Höhe des Regelbedarfes für maximal zwei Monate entfällt, wenn jemand innerhalb eines Jahres bereits Kürzungen des Regelbedarfes als Folge von Pflichtverstößen erhalten hat und dauerhaft die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit verweigert.
Laut dem Ökonomen Ulrich Schmidt vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) wolle auch die Koalition eine komplette Streichung der Leistungen damit rechtfertigen, dass jemand, der ein Jobangebot hat, nicht mehr bedürftig sei, erklärte er gegenüber dem NDR. Aber, ob das rechtlich haltbar ist, sei fraglich.
Wie viel könnte durch härtere Sanktionen beim Bürgergeld gespart werden?
Wie unter anderem der Spiegel vorrechnet, ist die Zahl der Arbeitsverweigerer jedoch gar nicht so hoch, dass man damit so viel bei den Bürgergeld-Ausgaben einsparen könnte. So zeigen Statistiken der Bundesagentur für Arbeit für 2023, als die Zahl der Bürgergeld-Empfänger ebenfalls bei ungefähr 5,5 Millionen lag: Von allen Bürgergeldbeziehenden ...
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... arbeiten etwas mehr als 40 Prozent beziehungsweise sind in Ausbildung,
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... sind 27 Prozent Kinder und Jugendliche,
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... ist rund ein Drittel nicht erwerbstätig, obwohl sie theoretisch die Möglichkeit dazu hätten. Zu dieser Gruppe zählen aber auch Schwerbehinderte, schwer vermittelbare ältere Arbeitslose über 55 Jahre und Arbeitslose ohne Berufsausbildung.
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Nur bei etwa 200.000 erwerbsfähigen Bürgergeldempfängern ist keines dieser Merkmale vermerkt.
Unklar ist demnach, wie viel Geld durch härtere Sanktionen gegen die in Relation eher kleine Gruppe der Arbeitsverweigerer eingespart werden könnte. Wie die Tagesschau berichtet, dürften nach Erwartung der Regierung die geplanten verschärften Sanktionen nur Einsparungen im zweistelligen Millionenbereich bringen. Ob die angekündigten Maßnahmen greifen und tatsächlich etwas bringen werden, wird sich im Gesetzgebungsverfahren der kommenden Monate entscheiden.