Halb verwest und in Plastikfolie verpackt. So wurde die 33-jährige Artistin Alla Klyshta am Morgen des 18. Mai im vergangenen Jahr im Altrhein unweit vom Europa-Park in Rust gefunden. Schnell war klar, dass es sich um die Frau handelte, die Ende April 2019 als vermisst gemeldet wurde.
Der zunächst verdächtige Ex-Freund der Artistin kam in Untersuchungshaft, jedoch nach fünf Monaten wieder frei, da das Landgericht Freiburg ein Verfahren gegen ihn ablehnte. Nun jedoch entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe, dass der Mann doch vor Gericht muss. Eine Wende, die dem Fall neue Brisanz verleiht und hoffentlich hilft, die vielen offenen Fragen in dem mysteriösen Todesfall zu beantworten.
Auftritte im Zirkus, im Fernsehen und im Europa-Park
Alla Klyshta arbeitete im Europa-Park als freie Künstlerin, wie eine Park-Sprecherin auf Anfrage bestätigt. Ebenfalls war sie in der RTL-Castingshow „Das Supertalent“ aufgetreten und hatte nach Medienberichten zudem regelmäßige Auftritte im Zirkus Knie.
Auch ihr Ex-Freund, Reydi A., war im Europa-Park als freier Künstler engagiert. Laut den Angaben seines Anwalts, Florian Rappaport, waren beide seit mehreren Jahren als „Duo Reyal“ im Zirkus und Fernsehshows unterwegs.
Ging dem Tod der Artistin ein Streit voraus?
Nach dem Fund der Leiche stand Reydi A. schnell unter Verdacht. Wegen des Verdachts auf Totschlag kam er in Freiburg in Untersuchungshaft und sollte dort auf seinen Prozess warten. Die Staatsanwaltschaft Freiburg warf dem 30-jährigen Mann mit kubanischer Staatsangehörigkeit vor, Alla Klyshta nach einem Streit über „die künftige künstlerische Zusammenarbeit und der künftigen persönlichen Beziehung“ erwürgt zu haben.
Der Fall schien also zunächst klar und die Motivlage nachvollziehbar. Dann habe er, so die Staatsanwaltschaft, die Frau in Plastikfolie gehüllt, diese mit Hanteln beschwert und anschließend in den Altrhein geworfen. Die Sache schien klar zu sein.

Freiburger Schwurgericht wollte Fall nicht verhandeln
Eine 180-Grad-Wendung machte der Fall dann im vergangenen Oktober. Auf Antrag des Verteidigers von Reydi A. entschied das Schwurgericht Freiburg kein Verfahren gegen den Ex-Freund zu eröffnen. Die Begründung klang ungewöhnlich. Zwar war das Gericht der Meinung, dass der Täter „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ die Leiche verpackt und in den Fluss geworfen hatte, jedoch haben die Untersuchungen nicht ergeben, was die genaue Todesursache von Alla Klyshta war.
Auch konnte das Gericht so keinen Anhaltspunkt zu einem „möglichen, ausreichenden Motiv“ erkennen. Die Folge war, dass der Verdächtige wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Für Verteidiger Florian Rappaport zeigte die Entscheidung damals aber vor allem, dass das Schwurgericht die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft so einordneten, dass sie einen Tatverdacht von vorneherein nicht unterstützten.
Karlsruher Gericht ordnet den Fall anders ein
Die Freiburger Staatsanwaltschaft legte nach dieser Entscheidung sofort Beschwerde ein, ebenso die Eltern der Toten, die als Nebenkläger auftraten. Dieser wurde nun von der nächsten Instanz, dem Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe, stattgegeben und somit kommt der Fall doch noch vor Gericht, ein Termin steht allerdings bislang nicht fest. Laut dem OLG wurde durch die Obduktion zwar nicht die genaue Todesursache der Artistin festgestellt, trotzdem lege diese „ein Fremdverschulden nahe“.
Eine Bettdecke mit DNA-Spuren
Spuren im Trailer im Europa-Park und an der Leiche selbst sowie Beobachtungen von Zeugen, führt das Gericht als Gründe für die Verfahrenseröffnung an. Auf SÜDKURIER-Nachfrage will die Staatsanwaltschaft Einzelheiten zu den Indizien nicht nennen, die seien Gegenstand der Hauptverhandlung. Warum es trotz keiner neuen Beweislage, nun doch ein Prozess geben soll, erklärt Richter Christian Guthmann vom OLG Karlsruhe damit, dass dadurch die unübersichtliche und vielfältige Spurenlage geklärt werden soll.
So reichte den Richterkollegen in Karlsruhe die Beweislage in dem Fall für einen Prozess offenbar aus. Dazu zählt unter anderem, wie Richter Guthmann aufzählt, gefundene DNA-Spuren von Reydi A. an der Bettdecke, in die die Tote eingewickelt war – die Spuren fanden sich „genau in dem Bereich, in dem die Decke zusammengeknotet wurde“, teilt Guthmann dazu mit.
Außerdem könne die Decke selbst, die Hanteln und die Plastikfolien „mit gewisser Wahrscheinlichkeit dem Angeklagten zugeordnet werden“. Ebenso habe ein Zeuge beobachtet, wie ein Tag nach dem vermuteten Tod von Alla Klyshta, der Verdächtige ein Paket auf dem Fahrrad transportierte, das der Beschreibung entsprach, in dem die Leiche im Rhein gefunden wurde.
Für Reydi A.s Anwalt reichen die Indizien nicht aus
Für Verteidiger Florian Rappaport sind die Verdächtigungen gegen seinen Mandanten Reydi A. komplett spekulativ. Dies sagte Rappaport bereits, als im vergangenen Oktober bekannt wurde, dass es gegen seinen Mandanten Reydi A. keinen Prozess geben soll und dieser wieder auf freien Fuß kam.
„Die Geschichte, die in der Anklageschrift erzählt wird, ist Fantasie.“Florian Rappaport, Anwalt von Reydi A.
Und auch auf Anfrage des SÜDKURIER betont Rappaport nun: „Die Vorwürfe sind falsch. Mein Mandant hat die Geschädigte nicht getötet und auch ihre Leiche nicht verschwinden lassen. Die Geschichte, die in der Anklageschrift erzählt wird, ist Fantasie.“ Wie nun die DNA-Spuren des Angeklagten auf die um die Leiche gewickelte Bettdecke kamen, die das OLG Karlsruhe nennt, entgegnet Rappaport: „Auf dem Bettlaken hatte mein Mandant geschlafen. Natürlich muss sich seine DNA auf dem Laken befinden. Und zwar nicht nur im Bereich des Knotens, sondern auf dem ganzen Laken. Aber ja, das ist ein schönes Beispiel dafür, wie ein Indiz verdächtiger dargestellt werden muss, als es ist.“
Dass es nun doch zu einem Gerichtsprozess kommt, ist laut Florian Rappaport für seinen Mandanten „nicht schön“. Dass es zwischen Alla Klyshta und Reydi A. vor ihrem Tod zu einem Streit gekommen ist, kann Rappaport nicht bestätigen. „Die beiden hatten ein gutes Verhältnis.“