Baden-Württemberg plant, in unmittelbarer Nähe des Landesflughafens Stuttgart einen neuen Standort für Abschiebehaftplätze einzurichten. Dies bestätigte das Landes-Justizministerium dem SÜDKURIER.
Zu Standort, möglicher Kapazität und Kosten gibt es bislang noch keine konkreten Angaben. Je nach der Liegenschaft und den örtlichen Voraussetzungen dürfte die vom Justizministerium angestrebte Größenordnung aber jener der Abschiebehaftanstalt in Pforzheim entsprechen. Diese wird derzeit von 51 auf 80 Plätze erweitert werden, wobei erst jüngst erneut erhebliche Verzögerungen bei Aus- und Umbau bekannt wurden. Mit einer Fertigstellung ist nicht vor Frühjahr 2027 zu rechnen.
Zusätzlich sind am neuen Standort zunächst mindestens 15 Unterbringungsplätze vorgesehen, die Baden-Württemberg aufgrund der Neuregelung des Europäischen Asylsystems GEAS spätestens ab Juli 2026 bereitstellen muss.
Mehr Abschiebungen, mehr Haftplätze
„Vor dem Hintergrund der gestiegenen Abschiebungszahlen und der angekündigten Rückkehroffensive des Bundes übersteigt der Bedarf an Abschiebungshaftplätzen perspektivisch auch die nach dem Ausbau in Pforzheim vorhandenen 80 Plätze, hinzu kommt die Umsetzung des GEAS-Reformpakets“, sagt Justizministerin Marion Gentges (CDU) gegenüber unserer Redaktion zu den Plänen ihres Hauses. „Dies macht einen Ausbau der Abschiebungshaftkapazitäten nötig.“
Wann gibt es Abschiebehaft? Was ist Ausreisegewahrsam?
Migrationsstaatssekretär Siegfried Lorek (CDU) bestätigte, dass dies in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Landesflughafen erfolgen solle. „Zur Umsetzung der GEAS-Reform für das sogenannte Flughafenverfahren arbeiten wir daran, in der Nähe des Flughafens in Stuttgart eine neue Einrichtung zu schaffen. In diesem Zuge planen wir auch, eine entsprechende Außenstelle der Abschiebungshafteinrichtung einzurichten und so die Kapazitäten der Abschiebungshaft in Baden-Württemberg zu steigern.“

Beschleunigte Asylverfahren direkt am Flughafen
Hintergrund ist, dass GEAS die EU-Mitgliedsstaaten zu strengeren und verbindlicheren Rückführungen abgelehnter Asylbewerber verpflichtet. Dazu gehört auch die Anordnung von Abschiebehaft zur Sicherstellung der Rückführung bei Fluchtgefahr. Die Frist zur Schaffung entsprechender Haft-Kapazitäten läuft bis Juli 2026. Ein zentrales Element bei der GEAS-Reform sind die Flughafenverfahren – beschleunigte Asylverfahren, die direkt an den Transitbereichen der Flughäfen durchgeführt werden.
Personen, die ohne Visum per Flug einreisen, werden dabei nicht ins Inland und auf das eigentliche Staatsgebiet gelassen, um Asyl zu beantragen. Während der Dauer der Schnellprüfung der Asylanträge vor Ort durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BaMF), die maximal sieben Tage dauern darf, müssen diese Personen vor Ort untergebracht werden. Zuständig für die Bereitstellung dieser Kapazitäten sind die Bundesländer.
Da sich in Baden-Württemberg die Aufstockung der Haftplätze in Pforzheim verzögert, macht es für das Land auch aus Kostengründen Sinn, zeitnah unter einem Dach zusammen mit den nötigen neuen GEAS-Kapazitäten auch weitere Abschiebehaftplätze zu schaffen.
FDP-Landes- und Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke hatte bei Bekanntwerden der Verzögerung in Pforzheim bereits Druck auf die Landesregierung gemacht und einen weiteren Standort gefordert. „Nur ein Abschiebegefängnis landesweit und dies an einem ungeeigneten Ort mitten in der Stadt Pforzheim ist nicht zielführend“, so Rülke. „Zunächst muss die Landesregierung einsehen, dass es einen weiteren Standort braucht. Die Finanzierung dürfte kein Problem sein, angesichts des Milliardensegens durch das neue Sondervermögen“, so der FDP-Politiker weiter.
Planungsfehler schuld an Verzögerung?
2016 war die Abschiebehaftanstalt in der früheren Jugendstrafvollzugsanstalt Pforzheim mit zunächst 36 Plätzen eröffnet worden, seit Mitte 2019 stehen 51 Plätze zur Verfügung, im Herbst 2025 sollen es statt der geplanten 80 Plätze nun immerhin 68 sein. Grund für die Verzögerung sind laut dem für den Umbau zuständigen Finanzministerium, Fehler des Planungsbüros sowie unvorhergesehene Ereignisse beim Bauen im Bestand. Statt der eingepreisten Kosten von rund neun Millionen Euro steht der Umbau mittlerweile bei 13 Millionen Euro.
Im Jahr 2025 wurden in Baden-Württemberg laut Angaben des Justiz- und Migrationsministeriums bis einschließlich Mai 5242 Asylzugänge registriert. 1.581 Personen wurden in demselben Zeitraum aus Baden-Württemberg abgeschoben, allerdings nur etwa ein Viertel davon direkt aus der Abschiebehaft. Verglichen mit dem entsprechenden Zeitraum im Vorjahr 2024 gab es damit im laufenden Jahr etwa 40 Prozent mehr Abschiebungen als im Vorjahr.