Nach wie vor beeinflussen der Ukraine-Krieg und die Inflationssorgen die Stimmungslage der Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg massiv. Der Zukunftsoptimismus verharrt weiterhin auf einem historischen Tiefststand. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung im Auftrag der baden-württembergischen Zeitungsverlage, die im Juni 2022 durchgeführt wurde und sich auf 1068 Interviews mit einem repräsentativen Querschnitt der baden-württembergischen Bevölkerung ab 18 Jahre stützt.
Nach wie vor sieht nur knapp jeder vierte Baden-Württemberger den kommenden zwölf Monaten mit Hoffnungen entgegen, die große Mehrheit bleibt tief besorgt: Knapp jeder Dritte blickt mit ausgeprägten Befürchtungen auf die nächsten Monate, ebenso viele mit Skepsis. Damit liegt die Zuversicht in Baden-Württemberg unter dem Durchschnitt im Bundesgebiet: In einer zeitgleich durchgeführten bundesweiten
Befragung waren 28 Prozent der Bevölkerung für die kommenden Monate zuversichtlich gestimmt.
Beim großen Wocheneinkauf ist die Erkenntnis unvermeidlich: Das Leben in Deutschland ist teurer geworden. Sei es beim Fleisch, beim Gemüse oder bei Milchprodukten – überall schlägt die Teuerung durch. Zuletzt verlangsamte sich die Entwicklung zwar etwas, das Statistische Bundesamt rechnet aber immer noch mit einer Inflation von 7,6 Prozent im Jahresvergleich. Nahrungsmittel verteuerten sich bereits um 12,7 Prozent. Und das Ifo-Institut erwartet weiter steigende Lebensmittelpreise: Laut seiner Umfrage wollen fast alle Händler Preise erhöhen.

Das Thema ist bereits massiv bei der Politik aufgeschlagen. Gegen die ersten Teuerungen hat die Ampel-Koalition im Bund zwei Entlastungspakete gesetzt: Es gibt unter anderem Zuschüsse zu Heizkosten, der Strompreis sinkt seit 1. Juli durch die wegfallende EEG-Umlage, die Pendlerpauschale und der Arbeitnehmerpauschbetrag wurden erhöht.

Im zweiten Entlastungspaket folgten dann der – weitgehend unwirksame – Tankrabatt, Hilfen für Sozialhilfeempfänger und das Neun-Euro-Ticket für Bus und Bahn. Eine ganze Menge wurde also schon investiert, doch ob das ausreicht? Daran zweifeln viele. Kanzler Olaf Scholz schwört die Bürger bereits auf eine langanhaltende Krise ein. Gemeinsam mit Arbeitgebervertretern und Gewerkschaften ist man nun auf der Suche nach Lösungen.
53 Prozent sparen beim Autofahren
Mit Blick auf den BaWü-Check, den das Institut für Demoskopie (IfD) in Allensbach im Auftrag der baden-württembergischen Tageszeitungen im Juni durchgeführt hat, scheinen weitere Schritte geboten. „Sozialer Sprengstoff“ stecke in den Teuerungen, meinte Scholz kürzlich. Nicht von ungefähr.
Denn die Preissteigerungen der letzten Monate wirken sich laut IfD besonders negativ auf die derzeitige Stimmungslage aus. Bereits seit Herbst letzten Jahres fühlen sich rund zwei Drittel der baden-württembergischen Bevölkerung durch die steigenden Preise sehr stark oder stark belastet. Aktuell sind es 70 Prozent. Jeder Vierte empfindet die Preissteigerungen sogar als besonders gravierend, lediglich 4 Prozent stufen sie für sich persönlich als geringfügig ein. Auch wenn die Preissteigerungen nahezu jeder spürt, ist die
persönliche Betroffenheit ausgeprägt schichtgebunden: In den unteren Einkommensgruppen fühlen sich 82 Prozent von den Preissteigerungen sehr stark oder stark belastet, in den höheren Einkommensgruppen 56 Prozent.
Als besonders belastend empfindet die Bevölkerung die Inflation bei den Kosten für Benzin, Strom, Lebensmittel und Heizen. Entsprechend versucht ein Großteil von ihnen auch gerade hier sparsamer zu sein: 53 Prozent schränken sich beim Autofahren ein, indem sie versuchen, Sprit zu sparen, 51 Prozent haben ihre Restaurantbesuche reduziert, 48 Prozent schränken sich beim Kauf von Kleidung ein, 44 Prozent bei Urlaub und Reisen und 43 Prozent beim Kauf von Lebensmitteln.
Ebenso viele drosseln ihren Stromverbrauch oder unternehmen weniger in ihrer Freizeit. Personen, die sich von den Preissteigerungen besonders stark belastet fühlen, schränken sich in allen Bereichen weit überdurchschnittlich ein. Insbesondere bei den Ausgaben für Lebensmittel und Kleidung, aber auch für Urlaube, Genussmittel und Hobbys versucht sich dieser Personenkreis überdurchschnittlich einzuschränken.
Gesundheit und Schulen vorn
Bundesweite Umfragen des Allensbacher Instituts zeigen, dass die Bevölkerung infolge der Aneinanderreihung von Krisen die finanzielle Lage des Staates aktuell deutlich kritischer einschätzt als noch vor Ausbruch der Corona-Pandemie.
Dennoch sehen die Bürgerinnen und Bürger bei den staatlichen Ausgaben nur geringe
Einsparpotentiale. Im Gegenteil: 94 Prozent wünschen sich, dass Baden-Württemberg mehr Geld in Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäuser oder Sozialstationen investiert. 91 Prozent wünschen sich mehr Ausgaben für die Ausstattung von Schulen, 80 Prozent für den Ausbau von Straßen und Bahnstrecken. Jeweils rund drei Viertel fordern zudem höhere Ausgaben für die Ausstattung der Polizei, für die Förderung von Forschungsvorhaben sowie für Maßnahmen zum Schutz von Klima und Umwelt.
Umgekehrt gibt es nur wenige Bereiche, in denen die Bevölkerung Einsparpotentiale sieht. Am ehesten noch bei großen Bauvorhaben, bei kulturellen Einrichtungen sowie der Sportförderung.
Neun-Euro-Ticket fortsetzen oder nicht? Das meinen die Baden-Württemberger
Gut einen Monat gibt es nun das Neun-Euro-Ticket im öffentlichen Nahverkehr. Bei der Mehrheit der Baden-Württemberger kommt das gut an. Bis zur Mitte des Monats hatten sich bereits 29 Prozent der Baden-Württemberger ein solches Ticket gekauft, weitere 17 Prozent planen den Erwerb dieses Tickets. Besonders beliebt ist das Ticket in der jungen Generation: Von den unter 30-Jährigen haben bereits zwei Drittel das Neun-Euro-Ticket erworben oder planen den Kauf eines solchen Tickets. Von den 30- bis 44-Jährigen ist es rund jeder Zweite, von den über 60-Jährigen nur gut jeder Dritte.
Die Mehrheit im Land würde eine Fortführung über die bislang geplanten drei Monate hinaus begrüßen, allerdings nicht vorbehaltlos. So spricht sich jeder Dritte dafür aus, das Neun-Euro-Ticket in seiner jetzigen Form dauerhaft beizubehalten. Ebenso viele plädieren jedoch dafür angesichts der Kosten in Höhe von rund 2,5 Milliarden Euro, die dem Staat in den drei Monaten für die Subventionierung des Neun-Euro-Tickets entstehen, das Ticket nur zu angehobenen Preisen beizubehalten. 22 Prozent sprechen sich dafür aus, das Ticket nach den drei Monaten ganz auslaufen zu lassen.
Deutlich positiver fällt das Meinungsbild bei denen aus, die sich bereits ein Neun-Euro-Ticket gekauft haben: Von ihnen würden 53 Prozent das Neun-Euro-Ticket gerne in seiner jetzigen Form beibehalten, weitere 36 Prozent zu angehobenen Preisen. Lediglich 6 Prozent von ihnen sprechen sich dafür aus, das Neun-Euro-Ticket nach Ablauf der drei Monate wie geplant auslaufen zu lassen.