Seriöse Politik will er in Schwäbisch Hall machen, versichert Tillmann Finger. Dazu mischt der 35-jährige seit 2019 als fraktionsloser Einzel-Gemeinderat für die Satirepartei „Die Partei“ in der Kommunalpolitik mit. 2021 bewarb sich Finger auch, wenngleich erfolglos, um ein Landtagsmandat.

Eine seiner Kernforderungen von damals klingt freilich auch heute noch völlig ironiefrei: Landesweiter Ausstieg aus der Telefax-Technologie bis spätestens 2038. Dergestalt wolle Finger auch in Schwäbisch Hall schon so manches auf den Weg bringen. Dass einer seiner Anträge aber eine Mehrheit im Gemeinderat findet, war Finger bislang noch nie passiert. Bis Mittwochabend.

Die erste Bierpreisbremse Deutschlands

Seitdem genießt Finger überregionale Popularität als der Mann, der in Schwäbisch Hall die bundesweit erste Bierpreisbremse durchsetzte – und damit auch ein Wahlversprechen „Der Partei“ aus dem Bundestagswahlkampf einlöst. „Ich habe das erwartet“, sagt Finger mit gebotenem Ernst am Freitag.

Sein Antrag unter Tagesordnungspunkt 8 mit dem nüchternen Titel „Ergebnisse der Maßnahmen zur Belebung der Innenstadt“ war am späten Mittwochabend in einer Marathonsitzung des Gremiums angenommen worden: Um die Kneipenszene in der Stadt zu fördern, solle der Bierpreis auf vier Euro pro Liter gedeckelt werden.

Verlange ein Wirt mehr als zwei Euro für die Halbe, solle der Betrag aus bisher nicht abgerufenen Mitteln zur Belebung der Innenstadt beglichen werden. „Mehr als 400.000 Euro davon sind noch im Umlauf: Aus 50.000 Litern Bier werden mittels Bierpreisbremse glatte 200.000 Liter Bier – ein echter Mehrwert!“ so die Begründung.

Bier als preiswertes Kulturgut: Der baden-württembergische Brauerverband freut sich bereits überschäumend.
Bier als preiswertes Kulturgut: Der baden-württembergische Brauerverband freut sich bereits überschäumend. | Bild: Christoph Soeder

Beim baden-württembergische Brauerbund sorgte die Nachricht am Freitag für überschäumende Freude: „Das freut Brauer und Gastronom zugleich. Bier verbindet Menschen! Nach der langen Durststrecke während der Coronapandemie hoffen wir natürlich, dass in Schwäbisch Hall nun kräftig Zuwächse gezapft werde“, teilte der Verband bierselig mit.

Schnapsidee, sagt der Ex-Wirtschaftsminister

„Schlicht eine Schnapsidee“, urteilt dagegen Walter Döring, FDP-Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat und selbst als Ex-Wirtschaftsminister des Landes durchaus vom Fach. Er selbst habe dagegen gestimmt.

Walter Döring, Fraktionsvorsitzender der FDP in Schwäbisch Hall.
Walter Döring, Fraktionsvorsitzender der FDP in Schwäbisch Hall. | Bild: Fabian Sommer

„Selbst beim Bier bin ich als Liberaler gegen ‚staatliche Markteingriffe‘“, sagt Döring dem SÜDKURIER. „Aber die Verwaltung eiert jetzt mächtig rum, wie sie damit fertig wird, denn beschlossen ist beschlossen; bin gespannt.“

Dort herrscht nun Katerstimmung. Oberbürgermeister Daniel Bullinger lässt seine Stadtverwaltung auf die vielen Medienanfragen eine ernüchternde Replik erteilen.

Daniel Bullinger, Oberbürgermeister von Schwäbisch Hall.
Daniel Bullinger, Oberbürgermeister von Schwäbisch Hall. | Bild: David Haas Via Studios David Haas

Es sei zwar „grundsätzlich zu begrüßen, wenn auch aus dem Gemeinderat eigene Ideen zur Unterstützung des Handels und der Gastronomie entwickelt werden“, heißt es bierernst. Die Stadtverwaltung habe Fingers Antrag zwar zur Abstimmung eingestellt, sei aber aufgrund des satirischen Inhalts des Antrags nicht davon ausgegangen, dass darüber abgestimmt werde.

Das Geld fehlt, sagt die Stadt

Die von Finger eingepreisten überschüssigen Mittel aus dem Haushaltsjahr 2021 seien nicht in das neue Haushaltsjahr übertragen worden. „Für den Beschluss des Gemeinderats zur Einführung der ‚Bierpreisbremse‘ steht somit keine Finanzierung zur Verfügung, eine Umsetzung ist nicht möglich.“

Finger selbst nimmt den Bescheid gelassen. Vielleicht, sinniert er, müsse die Stadtverwaltung ja erst noch einen Bierspiegel erheben. Dieser liege noch nicht vor. Aus der Stadt habe er jedenfalls nur positive Rückmeldungen auf seinen Vorstoß erhalten. Eine Einladung zum Freibier war zwar noch nicht dabei. „Ich bin aber für Angebote generell offen“, teilt er mit.