Schrecklich viele Dinge sind furchtbar wichtig. Aber auch irgendwie egal. Wie hoch ist unsere Staatsverschuldung gerade? Kann ich dir nicht genau sagen. Wo und wie wurde mein Pullover produziert, den ich just in diesem Moment trage? Puuuh, sollte ich wissen, mach ich aber nicht, keine Ahnung. Wie steht‘s denn jetzt um das Atomabkommen mit dem Iran? Ach Gott ja, Weltkriegspotenzial, aber frag mich was leichteres!

Und wie hoch ist der Bodenseepegel? 2,81 Meter, immerhin drei Zentimeter höher als gestern, das ist doch wohl klar! Elf Zentimeter unter Vorjahr, acht Zentimeter unter Mittel, aber das weiß ja eh jeder! Naja, ganz so detailliert weiß es wohl nicht jeder. (Aber Bonuspunkte für Sie, wenn Sie merken, dass das der Stand vom 9. März war – den aktuellen Pegel gibt es hier)

Jedenfalls: Der Pegel beschäftigt die Menschen am See wie wenig anderes. Unmöglich, am Ufer entlang zu laufen, ohne zu hören, wie irgendein anderer Spaziergänger mit Blick auf den See raunt: „Arg wenig Wasser hat er!“

Das Herrliche dabei: Es ist an sich ja völlig egal, wie viel Wasser im See ist. Das unterscheidet ihn vom Allzeit-Lieblings-Plauderthema Wetter: Wenn‘s regnet, muss ich mir eine Regenjacke anziehen. Wenn die Sonne scheint, nicht. Ich muss reagieren. Wenn der See aber bei drei Metern steht, mache ich nichts anders, als wenn er bei 4,50 steht.

Die Fähre fährt eh, und Wasser kommt trotzdem noch aus dem Hahn. Ja, im Sommer muss man ein bisschen weiter reinwatscheln. Und irgendwann wird es für die Ausflugsschiffe schwer. Aber – leider – ist deren Benutzung auch selten ein Alltagsbestandteil. Und die Anzahl an Pfahlbauten-Bewohnern, die hier direkt betroffen wären, ist mittlerweile doch auch eher überschaubar.

Ein Bild, das seltener wird: Hochwasser am See, hier im Sommer 2021. Gefahren ist die Fähre trotzdem.
Ein Bild, das seltener wird: Hochwasser am See, hier im Sommer 2021. Gefahren ist die Fähre trotzdem. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Also woher kommt die Faszination? Vielleicht von etwas, das hier einmal Bierglas-Phänomen genannt sei: Wir mögen es einfach, wenn Sachen voll sind. So ein richtig schön randvoller See, dafür hat man ihn ja gemacht, nicht für dieses schlickige Rumgedümpel.

Und, umso interessanter wird‘s: Wir können es ja nicht mal beeinflussen. Regentänze machen wäre so das einzige, um was für den Pegel zu tun, aber da ist die wissenschaftliche Beleglage für die Wirksamkeit halt doch eher dünn.

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Am Ende sind wir wohl einfach Bodensee-Fans. Wie bei Sport-Vereinen fiebern wir mit, schauen auf Daten und Fakten, obwohl für uns der Pegel so wenig ändert für unser Leben ändert wie eine 1:2-Niederlage unseres Fußballclubs. Und immerhin da können wir ja auch ganz beruhigt sein: Egal wie sehr der Pegel in seinen normalen Bahnen schwankt, der größte See Deutschlands bleibt der Bodensee immer. Und der schönste ohnehin, klar.